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Veröffentlicht am 06.11.2022

Ein Highlight

Feldpost
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"Adele ist verschwunden."
Mehr mag die Fremde nicht sagen, die sich in einem Café einfach so an den Tisch der Anwältin Cara setzt - und kurz darauf ebenfalls spurlos verschwindet.
Die Frau lässt lediglich ...

"Adele ist verschwunden."
Mehr mag die Fremde nicht sagen, die sich in einem Café einfach so an den Tisch der Anwältin Cara setzt - und kurz darauf ebenfalls spurlos verschwindet.
Die Frau lässt lediglich ihre Handtasche zurück und die kryptische Bitte, Cara möge sich um den Inhalt kümmern.
Neben anrührenden Feldpostbriefen aus dem Zweiten Weltkrieg finden sich in der Tasche Unterlagen über den Verkauf einer Villa in Kassel zu einem symbolischen Preis.
Caras Recherchen decken nicht nur die tragische Geschichte einer großen, verbotenen Liebe auf, sondern auch die Schuld einer Liebenden und einen bitteren Verrat.

Cara Russo und ihre Recherche sind der Rahmen einer Handlung, die sich den Leser(innen) nach und nach offenbart und dabei mitnimmt auf eine sehr bewegende und emotionale Reise in die Vergangenheit.
Im Fokus stehen die Familien Kuhn und Martens.
Es ist deren persönlicher Lebensweg, der eindringlich und bewegend beschrieben wird.
Das Ehepaar Kuhn flüchtet vor den Repressalien der NSDAP über Frankreich und Spanien nach Portugal, die erwachsenen Kinder bleiben in Deutschland.
Diese Reise unter ständiger Angst, sowie den späteren Aufenthalt in Coimbra fand ich sehr intensiv beschrieben.
Die Eheleute Martens sind überzeugte Mitglieder der Partei und auch Tochter Dietlind ist eine große Anhängerin. Nur Sohn Richard distanziert sich - bis er inhaftiert wird und sich entscheiden muss.
Abwechselnd wird aus der Sicht der jungen Geschwister Adele und Albert Kuhn, deren Eltern oder von Richard Martens erzählt.
Wie in einem Kaleidoskop erfährt man bruchstückhaft von den verschiedenen Ereignissen, die sich am Ende zu einem Gesamtbild zusammenfügen.
Ich habe das Buch fast am Stück durchgelesen, so hat mich die Geschichte fasziniert und gefesselt.
Die Protagonist(inn)en und deren Entscheidungen werden sehr lebensnah beschrieben und oft habe ich gedacht "Wie wird dies nur enden? Ob das gutgeht?"
Cara Russo trifft den mittlerweile gealterten Richard Martens, der eine Lebenslüge lebt und sich erst jetzt eine alte Schuld eingesteht.
Seine Schwester Dietlind in ihrem gestohlenen Leben, hätte ich gerne gewürgt.
Das Schicksal von Adele Kuhn, die Zeit ihres Lebens in Richard verliebt war, klärt sich erst ganz zum Schluss, das Ende von Albert fand ich unglaublich traurig - beides hat mich sehr berührt.
Nachdem mich der Schreibstil der Autorin in "Trümmerkind" sehr beeindruckt hatte, hat mich das Buch direkt angesprochen.
Und da ich die wohlklingende Stimme der Sprecherin Vera Teltz sehr mag, musste es diesmal das (zum Glück ungekürzte) Hörbuch sein.
"Feldpost" ist sowohl eine Liebes- als auch historische Familiengeschichte und für mich am Ende des Jahres nochmal ein Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 02.11.2022

Der Schatten von Berlin

Felix Blom. Der Häftling aus Moabit
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Berlin, 1878: Felix Blom wird nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen.
Doch in Freiheit ist nichts mehr so, wie es mal war: Sein Hab und Gut gepfändet, seine Verlobte ist mit jemand Neuem liiert.
Alle ...

Berlin, 1878: Felix Blom wird nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen.
Doch in Freiheit ist nichts mehr so, wie es mal war: Sein Hab und Gut gepfändet, seine Verlobte ist mit jemand Neuem liiert.
Alle Versuche, an Geld oder Arbeit zu kommen, scheitern.
Aber dann hat Blom eine Idee: Warum sich nicht mit der neuen Nachbarin zusammentun?
Die ehemalige Prostituierte Mathilde führt eine Privatdetektei, doch sie hat kaum Aufträge, da man ihr als Frau diese Arbeit nicht zutraut.
Ein erster "Fall" führt die beiden auf die Spur eines mysteriösen Mörders, der seinen Opfern Briefe mit der Botschaft zukommen lässt: „In wenigen Tagen wirst Du eine Leiche sein.“
Da auch Blom eine solche Karte unter seiner Tür durchgeschoben bekommen hat, ist die Sache persönlich!

Felix Blom ist der klassische Gentleman-Gauner und es macht richtig Spaß ihn zu begleiten, wenn er durch das historische Berlin streift.
Der erste offizielle Auftrag ist die Aufklärung mysteriöser Diebstähle von chinesischem Porzellan bei einem Händler für Orientwaren.
Zeitgleich versucht Blom Beweise dafür zu finden, dass Albert von Mesar, sein früherer Nebenbuhler um die schöne Auguste, ihn vor 3 Jahren gelinkt und so in den Knast gebracht hat.
Und natürlich, wer ihm diese mysteriöse Karte geschickt hat.
Das versucht auch der Polizist Ernst Cronenberg, der Blom lange gejagt und dann auch überführt hatte, denn nach und nach gibt es mehrere Karten - und Tote.
Und ja, Cronenberg will Blom auch wieder in Moabit sehen!
In sämtlichen "Fällen" ergeben sich verschiedene Spuren, mögliche Motive und Verdächtige, die Spannung wird durchgehend hoch gehalten.
Autorin Alex Beer schafft es grandios Felix, Mathilde und auch die Leser(innen) auf verschiedene Fährten zu locken und Ahnungen zu erwecken, die sich aber nicht fassen lassen.
In kurzen Einschüben erfährt man außerdem von Vorkommnissen von vor 3 Jahren. Wie passt dies in das aktuelle Geschehen?
Es zeigen sich irgendwann unerwartete Zusammenhänge, die aber in sich stimmig sind und im Finale entwirrt werden.
Die Lösung ist... Wow! Die Hinweise waren alle da - warum habe ich es nicht gesehen? Respekt Frau Beer!

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Veröffentlicht am 27.08.2022

Wir waren immer schon da!

Drei Tage im August
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Berlin 1936: Elfie ringt stets darum ihre Schwermut zu verbergen, denn sie empfindet oft nicht wie andere.
Allein bei ihrer Arbeit in der Chocolaterie Sawade findet sie Zuflucht.
Durch die alte Madame ...

Berlin 1936: Elfie ringt stets darum ihre Schwermut zu verbergen, denn sie empfindet oft nicht wie andere.
Allein bei ihrer Arbeit in der Chocolaterie Sawade findet sie Zuflucht.
Durch die alte Madame Conte und ihre Geschichte einer verbotenen Liebe, begibt sich Elfie nicht nur auf die Suche nach der verschollenen Rezeptur einer einzigartigen Praline.

Auch wenn Elfie die Hauptperson der Handlung ist, sind es doch auch die vielen "kleinen Leute" in Berlin, die man eine kurze Weile begleitet, von deren Gedanken und Gefühlen man liest, und die dieser Geschichte ihre Seele geben.
Ob Verkäuferin Trude, Buchhändler Franz Marcus, Dienstmädchen Mine, Confiseur Gerald, Barbesitzer Issa El Hamady und andere mehr - sie alle leben in der großen Stadt ihr kleines Leben, haben Träume, Wünsche und Pläne.
Sie alle sind Teil einer eigenen, gemeinsamen Welt - selbst Willi, der alte Drehorgelspieler bleibt nach seinem Tod unvergessen und präsent.
Mit einem sehr atmospärischen Schreibstil schafft die Autorin es, das historische Berlin vor dem inneren Auge erstehen zu lassen.
Man schlendert beim lesen durch die belebten Straßen, besucht das Hotel Adlon, das Café Kranzler, die real existierende Pralinenmanufaktur Sawade.
Noch ist Unter den Linden nicht vom Kurfürstendamm als Mittelpunkt Berlins abgelöst.
Man hört die Geräusche der Stadt, riecht und schmeckt die Schokolade.
Die olympischen Spiele gaukeln der Welt eine offene, freundliche Stadt vor, die Repressalien der NS gehen aber mehr oder weniger weiter.
Elfie, die sich von einer kleinen Verkäuferin zur Leiterin von Sawade hochgearbeitet hat, ist unglaublich liebenswert.
Aufgewachsen bei einer lieblosen und kaltherzigen Großmutter, kämpft sie mit ihren Dämonen.
Sie hat ein paar kleine Zwänge, tut sich schwer mit anderen Menschen und hat sich daher im Laufe der Zeit, zumindest außerhalb von Sawade, in sich selbst zurückgezogen.
Nur langsam und zögerlich erkennt Elfie, welche dunklen Veränderungen die neuen Machthaber in Berlin hervorgebracht haben.
Die immer beklemmendere Atmosphäre in Berlin wird den Leser(innen) in wenigen Sätzen schleichend vermittelt und offenbart sich Elfie, als Blumenmädchen Rosa auf offener Straße verhaftet wird und Elfie wie erstarrt und machtlos zusehen muss.
Die vorsichtige Annäherung mit dem etwas älteren Barbesitzer El Hamady schien für mich wie aus einer anderen Zeit und Welt und hat mich zum lächeln gebracht.
Auch Madame Conte und ihr Ausflug in die Vergangenheit hat mir sehr gefallen.
Ihre "verbotene Liaison" mit Ladislaus Ziemkiewicz, dem Gründer von Sawade, wird wunderbar beschrieben.
Ich habe mir Madame ein wenig wie Vanessa Redgrave vorgestellt - schon etwas älter, aber noch immer ausgesprochen charmant.
Sehr interessant und extrem ansprechend gemacht fand ich, dass die Bäume auf der Prachtstraße Unter den Linden in kurzen Zwischenkapiteln vom Lauf der Zeit berichten. "Wir waren immer schon da."

Die Sprecherin Vera Teltz liest mit ihrer ruhigen und warmen Stimme einfach grandios!
"Drei Tage im August" ist ein gefühlvoller, intensiver und bewegender Roman, der noch lange nachklingt.
Eine Hommage an eine untergegangene Zeit.
Und an Freunde, die zu Familie werden.
Ein wahrer Glücksgriff!

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Wenn ich sterbe, wird es auf dem Meer sein

Die Passage nach Maskat
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Spätsommer 1929: Der traumatisierte Kriegsveteran Theodor Jung begibt sich als Fotoreporter auf den luxuriösen Ozeanliner Champollion.
Er soll für die "Berliner Illustrierte" über die Reise von Marseille ...

Spätsommer 1929: Der traumatisierte Kriegsveteran Theodor Jung begibt sich als Fotoreporter auf den luxuriösen Ozeanliner Champollion.
Er soll für die "Berliner Illustrierte" über die Reise von Marseille nach Maskat im Oman berichten.
Mit an Bord befinden sich auch Ehefrau Dora, Schwager Ernst, sowie die Schwiegereltern Hugo und Marthe Rosterg.
Unter den anderen Passagieren sind u.a. eine skandalumwehte Nackttänzerin, ein mysteriöser römischer Anwalt, eine englische Lady, ein junger amerikanischer Ingenieur und ein Geldeintreiber aus der Berliner Unterwelt.
Als Dora nach wenigen Tagen auf der Champollion spurlos verschwindet, wird die Reise für Theodor zum Albtraum - denn nicht nur deren Familie, auch die anderen Passagiere und die Besatzungsmitglieder behaupten, Dora nie an Bord gesehen zu haben.

Dieses Buch ist eine faszinierende Mischung aus historischem Reiseroman und aufregendem Krimi.
Cay Rademacher beschreibt die Schauplätze von Nordafrika bis in die arabische Welt ausgesprochen bildhaft, sodass man fast meint, die flirrende Wüste bei den Pyramiden zu sehen, die Hitze im Tal der Könige zu spüren und die Gewürze auf den Basaren zu riechen.
Die Charaktere sind allesamt sehr vielschichtig angelegt und werden perfekt beschrieben - gerade, wenn einige nach und nach ihre Masken sinken lassen und die unterschiedlichen Verbindungen und Abhängigkeiten ans Tageslicht kommen.
So wie Jung zwischenzeitlich beginnt an seinem Verstand zu zweifeln, stellen sich auch den Leser(innen) immer neue Fragen, wie wohl die unterschiedlichen Vorkommnisse an Bord zusammenhängen könnten.
Beim mitfiebern entsteht ein farbenprächtiges Kopfkino und irgendwann lässt einen die Handlung kaum mehr los!
Die finale Auflösung um Doras ist überraschend, das Ende gibt sehr viel Raum für Spekulationen.
Grandios und spannend erzählt!

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Veröffentlicht am 09.07.2022

Auf nach Chawton

Teatime im Jane-Austen-Club
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1945: Der Krieg ist zu Ende und im
südenglischen Chawton, wo Jahre zuvor die große Jane Austen ihre berühmten Romane geschrieben hatte, hat er Spuren hinterlassen.
Mittlerweile ist der kleine Ort das Zuhause ...

1945: Der Krieg ist zu Ende und im
südenglischen Chawton, wo Jahre zuvor die große Jane Austen ihre berühmten Romane geschrieben hatte, hat er Spuren hinterlassen.
Mittlerweile ist der kleine Ort das Zuhause des verwitweten Arztes Dr. Benjamin Gray, der jungen Lehrerin Adeline Grover, dem Dienstmädchen Evie Stone, des Bauernsohnes Adam Berwick - und von Frances Knight, einer einsamen älteren Dame, Nachfahrin aus der Familie Austen.
Diese Gruppe ungleicher Menschen setzt sich dafür ein, Jane Austens Vermächtnis für die Welt zu erhalten.
Sie alle haben mit Verlust und dem Trauma des Krieges zu kämpfen und finden Zuflucht in der Literatur.
Gemeinsam gründen sie die Jane Austen Society.

"Teatime im Jane Austen Club" ist ein wundervolles Buch für alle "Janeites"!
Die Mitglieder, bzw. Gründer des Clubs, lieben die Autorin und deren Werke sehr, sie zitieren sie, diskutieren und interpretieren die Geschichten und das Leben von Jane Austen.
Man erfährt bei der Lektüre viel über das Leben und das Schicksal dieser Menschen, aber auch über die Entstehung des JA-Museums, welches man als Liebhaber*in von Elizabeth Bennet & Mr. Darcy, den Dashwood-Schwestern, Emma, Anne Elliot und all den anderen Charakteren, unbedingt besuchen sollte.
Die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen Adeline und Dr. Gray wird, wie als Reminiszenz an Jane Austen, sehr behutsam geschildert.
Aber auch die ehrgeizige Evie und der schüchterne Adam erscheinen wie aus einem Regency-Roman entsprungen.
Die Hollywood-Schauspielerin Mimi Harrison hat mich übrigens an Marylin Monroe denken lassen, von der sehr viele bis heute nicht wissen, dass sie eine begeisterte Leserin anspruchsvoller Literatur war.
Auch wenn hier sämtliche Protagonist(inn)en fiktiv sind - und auch die Geschichte des JA-Museums ein klein wenig anders war - ist dies eine wunderbare Gelegenheit in die Welt der größten englischen Autorin einzutauchen.
Eine überaus gelungene Hommage an Jane Austen!

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