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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2022

Zwischen Tradition und Moderne - Jaipur 1955

Die Hennakünstlerin
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Alka Joshi, die in Indien geborene und seit ihrer Kindheit in den USA lebende Autorin entführt ihre Leserinnen in das Jaipur von 1955. Der Staat ist erst seit wenige Jahren unabhängig und schwankt zwischen ...

Alka Joshi, die in Indien geborene und seit ihrer Kindheit in den USA lebende Autorin entführt ihre Leserinnen in das Jaipur von 1955. Der Staat ist erst seit wenige Jahren unabhängig und schwankt zwischen Tradition und Moderne.

Lakshimi, die Titelfigur, wird - wie in Indien auch heute noch üblich - als Fünfzehnjährige mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet. Während ihr Mann sie schlägt, scheint sie mit der Schwiegermutter ein eher gutes Einvernehmen zu haben, denn sie bringt ihr jede Menge medizinisches Wissen bei. Sie flieht aus ihrer gewalttätigen Ehe nach Jaipur und bestreitet dort nicht nur als Hennamalerin ihren Lebensunterhalt. Ihre außergewöhnlichen Ornamente und duftenden Öle verhelfen der einen oder anderen Frau aus einer höher gestellten Kaste zu neuer Aufmerksamt des jeweiligen Ehemanns und auch zu dem erhofften Nachwuchs. Allerdings weiß sie auch ihr Wissen zu nützen, um unerwünschte Schwangerschaften zu beenden.

Ihr mühsam aufgebautes Leben droht zusammenzustürzen, als Hari, ihr Ehemann, mit der dreizehnjährigen Radha daherkommt, die behauptet ihre Schwester zu sein. Da die Eltern bereits verstorben sind, muss sich Lakshimi in guter alter indischer Tradition um ihre kleine Schwester kümmern. Doch die gibt sich widerborstig und verliebt ausgerechnet in jenen jungen Mann, für den Lakshimi anstelle eines üblichen Heiratsvermittlers, eine Hochzeit mit einem Mitglied der königlichen Familie, arrangiert hat.

Dann muss Lakshimi leidvoll zur Kenntnis nehmen, wie schnell Gerüchte über Unregelmäßigkeiten, die von Neid und Missgunst geschürt werden, ihre Runde machen. Doch es wäre nicht Lakshimi, wenn die sich den Herausforderungen nicht stellen und ihre Zelte in Jaipur abbrechen würde, um einen Neuanfang in Angriff zu nehmen.


Meine Meinung:

Für mich Europäerin sind die Traditionen auf dem indischen Subkontinent schwer zu erfassen. Das Kastensystem, das Leben, Beruf und Familie vorzeichnet sowie die anderen gesellschaftlichen Gepflogenheiten sind farbenprächtig geschildert. Selbst die Frauen der herrschenden Kaste sind von den strengen Regeln nicht ausgenommen. Sie sind einfach nur dazu da, ihren Männern gut gewachsene Söhne zu schenken.

Die vielen Bezeichnungen in der Originalsprache unterbrechen zwar den Lesefluss, werden aber im Anhang erklärt. Vielleicht wären Fußnoten besser gewesen?

Erschreckend zu sehen ist, wie sehr Lakshimi in einen Schuldkomplex hineingerät. Die Anklagen der pubertierenden Radha, bei der ich mehrmals den Verdacht hatte, sie wäre nicht die leibliche Schwester. Egoistisch tanzt sie Lakshimi auf der Nase herum anstatt darüber froh zu sein, endlich Ruhe gefunden zu haben. Aber, mit Logik und Vernunft ist einer gekränkten Dreizehnjährigen vermutlich nicht beizukommen.

Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet, wobei ich persönlich mit Radha wohl mehr als einmal die Geduld verloren hätte. Schlau, ja beinahe schlitzohrig ist Malik, der „Angestellte“, der Lakshimi ehrfurchtsvoll „Tante Boss“ nennt.

Nicht ganz nachvollziehen konnte ich die Wandlung von Lakshimis Ehemann Hari vom Saulus zum Paulus. Er fordert ständig Geld, erpresst seine Noch-Ehefrau, um dann plötzlich in ihre bzw. in die Fußstapfen seiner Mutter als Heiler zu treten. Das nehme ich ihm nicht ganz ab.

Fazit:

Ein Einblick in eine völlig unbekannte Welt. Gerne gebe ich diesem Debütroman 4 Sterne.

Veröffentlicht am 09.07.2022

Ein ungewöhnlicher Roman

Die Kunst der Freude
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Dieser Roman erzählt die Geschichte von Modesta, einer Frau, die 1900 in ärmlichsten Verhältnissen in Catania, Sizilien, geboren wurde. Als kleines Mädchen missbraucht, wird sie nach dem Tod von Mutter ...

Dieser Roman erzählt die Geschichte von Modesta, einer Frau, die 1900 in ärmlichsten Verhältnissen in Catania, Sizilien, geboren wurde. Als kleines Mädchen missbraucht, wird sie nach dem Tod von Mutter und Schwester, in einem Kloster untergebracht. Was niemand weiß: Sie hat Mutter und Schwester ermordet. Modesta ist ehrgeizig und zielstrebig. Sie scheut sich auch nicht, ihren Körper für ihre Ziele einzusetzen. Nach dem Tod der Oberin des Klosters wird sie, als deren Vermächtnis, an eine adelige Familie vermittelt. Hier gelingt es ihr, durch die Heirat mit dem Sohn der Fürstin, der im allgemeinen Sprachgebrauch nur das „Ding“ genannt wird, weil er schwerst behindert ist, ihrem geringen gesellschaftlichen Status zu entfliehen und als Fürstin ihrem Drang nach Unabhängigkeit auszuleben.

Als die Faschisten die Macht übernehmen, kommt Modesta durch ihre unkonventionelle Lebensart in Konflikt mit dem Regime und muss ins Gefängnis.

Meine Meinung:

Dieser mehr als 730 Seiten starke Roman von Goliarda Sapienza hat eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte hinter sich: Um an diesem Roman (im Original „L’arte della gioia“) weiter schreiben zu können, gibt die Schauspielerin Goliarda Sapienza (1924-1996) ihren Job auf. Sie wird letztlich 9 Jahre dafür brauchen und keinen Verlag für ihr Werk finden. Völlig mittellos bestiehlt sie 1980 eine Freundin. Es kommt zur Anzeige, Gerichtsverhandlung, Urteil und Goliarda wird für drei Monate in Rebibbia, im berüchtigten Gefängnis von Rom, inhaftiert (Siehe „Tage in Rebibbia“).

Doch zurück zu „Die Kunst der Freude“. Dieser Roman ist nicht ganz einfach zu lesen. Das liegt vor allem an der Hauptfigur Modesta, die ein ambivalenter Charakter ist. Immer wieder kommt eine deutliche sexuelle Komponente zum Tragen. Da ist zunächst das zarte Entdecken ihres eigenen Körpers der kleinen Modesta, die dann missbraucht und nach dem Mord an Mutter und Schwester in einem Kloster untergebracht wird. Auch hier, wenn auch verstohlen und unter der sprichwörtlichen Bettdecke, kommt es zu sexuellen Übergriffen - diesmal von Nonnen. Diese Jahre prägen die junge Modesta, die in der Zukunft mit Männern und Frauen kürzere oder längere Beziehungen eingeht.

Dabei ist sie nicht selten rücksichtslos und wenig zimperlich, um ihre Ziele zu erreichen. Andererseits zieht sie auf ihrem Schloss nicht nur das eigene, sondern auch fremde Kinder auf und gewährt zahlreichen Gegner der Faschisten Unterschlupf, was sie selbst ins Gefängnis bringt.

Fazit:

Die Autorin hat mit Modesta eine Frau geschaffen, die so ziemlich jede Regel bricht, um ihren Willen durch zu setzen und dabei auch über Leichen geht. Gerne gebe ich diesem Roman 4 Sterne.

Veröffentlicht am 09.07.2022

Wer hat den einsamen Wolf getötet?

Eifelwolf
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Dieser Krimi ist der 5. Fall für die Ermittler Horst „Hotte“Fischbach und Jan Welscher.

Sie werden auf den Bauernhof eines ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der lange Zeit in Afghanistan stationiert war, ...

Dieser Krimi ist der 5. Fall für die Ermittler Horst „Hotte“Fischbach und Jan Welscher.

Sie werden auf den Bauernhof eines ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der lange Zeit in Afghanistan stationiert war, gerufen und finden ihn brutal mit einer Axt ermordet vor. Da nicht klar ist, ob der brutale Mord mit seinem Auslandseinsatz zusammenhängt, recherchieren die Ermittler nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch im militärischen.

Langsam enthüllen sich Details aus der Vergangenheit des Toten, die Fischbahc und Welscher auf die richtige Spur lotsen. Maila Aalto, die finnischstämmige Kollegin von Fischbach und Welscher trägt mit ihrer Kombinationsgabe und akribischen Suche nach Details maßgeblich zur Aufklärung dieses komplexen Falles bei.

Meine Meinung:

Autor Rudolf Jagusch war mir bis zu diesem Krimi völlig unbekannt. Warum eigentlich? Ehrlich? Keine Ahnung! Ich lese ja sehr viele Krimis aus dem Emons-Verlag, aber diese Reihe ist mir bislang durch die Lappen gegangen Das wird sich ändern - versprochen.

Das Team um Fischbach, Welscher und Aalto arbeitet sehr gut zusammen. Die Charaktere sind bodenständig und der Leser erfährt zur Abrundung einiges aus deren Privatleben.

Der Schreibstil ist flüssig und die Eifel darf als Hintergrund mit Land und Leuten nicht fehlen.

Um den Leser ein wenig in die Irre zu führen, gibt es Rückblenden in das Leben des Mordopfers.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, von dem ich die Vorgänger auch noch lesen werde. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 01.07.2022

Wenn Orchester Pause machen müssen

Pausentöne
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Milan Turkovic, Fagottist und Dirigent, hat die Corona-bedingte Pause mit zahlreichen Anekdoten aus seinem Musikerleben gefüllt.

Die unfreiwillige Pause zwischen den Tönen nutzte der viel beschäftigte ...

Milan Turkovic, Fagottist und Dirigent, hat die Corona-bedingte Pause mit zahlreichen Anekdoten aus seinem Musikerleben gefüllt.

Die unfreiwillige Pause zwischen den Tönen nutzte der viel beschäftigte Musiker, um seine Gedanken zu Papier zu bringen. Das heiter wie nachdenkliche Büchlein berichtet von abenteuerlichen Reisen in klapprigen Bussen, Flugverspätungen (heute wie damals) und Hotels unterschiedlicher Qualität.
Wir lernen einen einfühlsamen, nachdenklichen Musiker kennen, der durch die Pandemie noch stärker als alle anderen betroffen war. Künstler ohne Publikum?
Der Stillstand war für ihn, wie für uns alle, eine unwirkliche Situation.

Wir Leser dürfen in diesem Buch ein paar Größen der Musikszene über die Schulter schauen. Opernführer Marcel Prawy kommt zu Wort und Milan Turkovic macht sich so seine Gedanken über die Einteilung der Musik in e(rnste) oder u(nterhaltungs)Musik. Will nicht jede Musik unterhalten? Diese willkürliche Unterscheidung der verschiedenen Musikkategorien beschäftigt Musiker und Marketingexperten seit langem. Musikgeschmack ist etwas zutiefst Subjektives und sollte nicht in eine Schublade gesteckt werden. Musik gefällt oder auch nicht. Wenn sie gefällt, ist es egal ob E oder U, wenn sie sie nicht gefällt, hat sie Pause.

Zahlreiche private Fotos bereichern dieses Buch, das eine sehr persönliche Sicht eines weitgereisten Musikers.

Fazit:

Diesem kleinen, heiter-nachdenklichen Lesebuch, das sehr persönlich und erfrischend daherkommt, gebe ich gerne 4 Sterne.

Veröffentlicht am 11.06.2022

Ein gelungener Krimi

Tod in Dubrovnik
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In einem Vorort der malerischen kroatischen Hafenstadt Dubrovnik wird der Pfarrer ermordet. Regelrecht hingerichtet mit zahlreichen Messerstichen hat man ihn. Dabei hat er doch einige seiner Schäfchen ...

In einem Vorort der malerischen kroatischen Hafenstadt Dubrovnik wird der Pfarrer ermordet. Regelrecht hingerichtet mit zahlreichen Messerstichen hat man ihn. Dabei hat er doch einige seiner Schäfchen mit Geld- und Sachspenden unterstützt.

Inspektor Roko Matic und seine Kollegin Masa Marlais beginnen mit den Ermittlungen, die sich als zäh herausstellen. Zunächst verliert niemand ein böses Wort über den Pfarrer. Spätestens als es einen weiteren Todesfall gibt, bröckelt langsam die glatte Fassade des beschaulichen Ortes. Gut gehütete Geheimnisse kommen ans Tageslicht und die Ermittler haben einiges aufzulösen.

Meine Meinung:

Ranka Keser hat hier ein sympathisches Ermittlerpaar geschaffen, das sich gut ergänzt und durch ihren oft trockenen Humor für ein Lächeln sorgt.

Die Umgebung von Dubrovnik spielt natürlich auch eine große Rolle und macht Lust auf einen Abstecher ans Meer.

Gut gelungen ist auch die Beschreibung der Dorfbewohner, die so oder ähnlich, wohl in jedem Dorf zu finden sind. Neugier gepaart mit Tratsch und Klatsch machen den einen oder die andere verdächtig. Die facettenreichen Charaktere, sowie das südliche Flair machen diesen Krimi zu einer gelungenen Lektüre.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, den es zu lesen lohnt. 4 Sterne