Zwischen Tradition und Moderne - Jaipur 1955
Die HennakünstlerinAlka Joshi, die in Indien geborene und seit ihrer Kindheit in den USA lebende Autorin entführt ihre Leserinnen in das Jaipur von 1955. Der Staat ist erst seit wenige Jahren unabhängig und schwankt zwischen ...
Alka Joshi, die in Indien geborene und seit ihrer Kindheit in den USA lebende Autorin entführt ihre Leserinnen in das Jaipur von 1955. Der Staat ist erst seit wenige Jahren unabhängig und schwankt zwischen Tradition und Moderne.
Lakshimi, die Titelfigur, wird - wie in Indien auch heute noch üblich - als Fünfzehnjährige mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet. Während ihr Mann sie schlägt, scheint sie mit der Schwiegermutter ein eher gutes Einvernehmen zu haben, denn sie bringt ihr jede Menge medizinisches Wissen bei. Sie flieht aus ihrer gewalttätigen Ehe nach Jaipur und bestreitet dort nicht nur als Hennamalerin ihren Lebensunterhalt. Ihre außergewöhnlichen Ornamente und duftenden Öle verhelfen der einen oder anderen Frau aus einer höher gestellten Kaste zu neuer Aufmerksamt des jeweiligen Ehemanns und auch zu dem erhofften Nachwuchs. Allerdings weiß sie auch ihr Wissen zu nützen, um unerwünschte Schwangerschaften zu beenden.
Ihr mühsam aufgebautes Leben droht zusammenzustürzen, als Hari, ihr Ehemann, mit der dreizehnjährigen Radha daherkommt, die behauptet ihre Schwester zu sein. Da die Eltern bereits verstorben sind, muss sich Lakshimi in guter alter indischer Tradition um ihre kleine Schwester kümmern. Doch die gibt sich widerborstig und verliebt ausgerechnet in jenen jungen Mann, für den Lakshimi anstelle eines üblichen Heiratsvermittlers, eine Hochzeit mit einem Mitglied der königlichen Familie, arrangiert hat.
Dann muss Lakshimi leidvoll zur Kenntnis nehmen, wie schnell Gerüchte über Unregelmäßigkeiten, die von Neid und Missgunst geschürt werden, ihre Runde machen. Doch es wäre nicht Lakshimi, wenn die sich den Herausforderungen nicht stellen und ihre Zelte in Jaipur abbrechen würde, um einen Neuanfang in Angriff zu nehmen.
Meine Meinung:
Für mich Europäerin sind die Traditionen auf dem indischen Subkontinent schwer zu erfassen. Das Kastensystem, das Leben, Beruf und Familie vorzeichnet sowie die anderen gesellschaftlichen Gepflogenheiten sind farbenprächtig geschildert. Selbst die Frauen der herrschenden Kaste sind von den strengen Regeln nicht ausgenommen. Sie sind einfach nur dazu da, ihren Männern gut gewachsene Söhne zu schenken.
Die vielen Bezeichnungen in der Originalsprache unterbrechen zwar den Lesefluss, werden aber im Anhang erklärt. Vielleicht wären Fußnoten besser gewesen?
Erschreckend zu sehen ist, wie sehr Lakshimi in einen Schuldkomplex hineingerät. Die Anklagen der pubertierenden Radha, bei der ich mehrmals den Verdacht hatte, sie wäre nicht die leibliche Schwester. Egoistisch tanzt sie Lakshimi auf der Nase herum anstatt darüber froh zu sein, endlich Ruhe gefunden zu haben. Aber, mit Logik und Vernunft ist einer gekränkten Dreizehnjährigen vermutlich nicht beizukommen.
Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet, wobei ich persönlich mit Radha wohl mehr als einmal die Geduld verloren hätte. Schlau, ja beinahe schlitzohrig ist Malik, der „Angestellte“, der Lakshimi ehrfurchtsvoll „Tante Boss“ nennt.
Nicht ganz nachvollziehen konnte ich die Wandlung von Lakshimis Ehemann Hari vom Saulus zum Paulus. Er fordert ständig Geld, erpresst seine Noch-Ehefrau, um dann plötzlich in ihre bzw. in die Fußstapfen seiner Mutter als Heiler zu treten. Das nehme ich ihm nicht ganz ab.
Fazit:
Ein Einblick in eine völlig unbekannte Welt. Gerne gebe ich diesem Debütroman 4 Sterne.