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Veröffentlicht am 10.07.2022

Wenig Mathematik, dafür ein neuer Blick auf die Renaissance

Alles wird Zahl
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Beim Begriff Renaissance denkt man wohl als erstes an die großartigen Kunstwerke, die in dieser Epoche geschaffen wurden, und dann vielleicht an Dinge wie den Humanismus oder den immer wissenschaftlicher ...

Beim Begriff Renaissance denkt man wohl als erstes an die großartigen Kunstwerke, die in dieser Epoche geschaffen wurden, und dann vielleicht an Dinge wie den Humanismus oder den immer wissenschaftlicher werdenden Blick auf die Welt, insbesondere in der Astronomie. Dass es in dieser Zeit aber auch zu wegweisenden Umwälzungen in der Mathematik kam, durch welche manche anderen Entwicklungen erst ermöglicht oder zumindest gefördert wurden, ist im öffentlichen Bewusstsein weit weniger verankert.
Schon deshalb finde es ich gut, dass Thomas de Padova sich hier dieses Themas annimmt und beschreibt, wie während der Renaissance die Grundsteine für die moderne Mathematik gelegt wurden. Er stellt dabei insbesondere die Personen in den Mittelpunkt, die an diesem Aufschwung beteiligt waren.
So kann man beispielsweise mitverfolgen, wie die traditionelle, für das schriftliche Rechnen jedoch eher ungeeignete römische Zahlschrift nach und nach durch die indisch-arabischen Zahlen und das Dezimalsystem ersetzt wurde, welche Beiträge Leonardo da Vinci und (für mich überraschender) Albrecht Dürer zur Weiterentwicklung der Geometrie geleistet haben oder wie ein Pfarrer und Anhänger Martin Luthers trotz spektakulärem Scheiterns bei der Berechnung des Tages des Jüngsten Gerichts zu einem der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit aufsteigen konnte.

Diese und zahlreiche weitere Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Mathematik auf ganz neue Beine gestellt wurde, befeuert von der Herausbildung einer mathematischen Formelsprache und unterstützt durch den Buchdruck, welcher die Zirkulation des Wissens beschleunigte.
Umso bedauerlicher, dass – nach einem im Nachwort wiedergegebenen Zitat Hans Magnus Enzensbergers – bis heute „große Teile der Bevölkerung .... über den Stand der griechischen Mathematik nie hinausgekommen sind.“ Und selbst das ist meiner Meinung nach noch eine zu optimistische Ansicht!

Obwohl auch in diesem Buch relativ wenig „echte“ Mathematik vermittelt wird (eine hübsche geometrische Veranschaulichung der p-q-Formel zur Lösung quadratischer Gleichungen ist dabei schon der Höhepunkt) fand ich es sehr aufschlussreich und kann es jedem, der etwas über die Geschichte der Mathematik erfahren möchte, weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Machtkämpfe im Hochmittelalter

Schwert und Krone - Meister der Täuschung
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Dieser Auftakt zu einer fünfbändigen Reihe über die Zeit Friedrich Barbarossas setzt ein, als der spätere König und Kaiser erst ein sechzehnjähriger Knappe ist und die große Politik von anderen bestimmt ...

Dieser Auftakt zu einer fünfbändigen Reihe über die Zeit Friedrich Barbarossas setzt ein, als der spätere König und Kaiser erst ein sechzehnjähriger Knappe ist und die große Politik von anderen bestimmt wird:
1137: Nach dem Tod des Kaisers Lothar von Süpplingenburg ist sein Schwiegersohn Heinrich der Stolze der designierte Nachfolger. Doch dessen Befürworter, allen voran die Kaiserinwitwe Richenza, sehen sich mit Widerstand konfrontiert. Durch einige Ränke, an denen bedeutende Adelige ebenso beteiligt sind wie hohe Kleriker, gelingt die Wahl Konrads von Staufen zum deutschen König. Die nächsten Jahre sind von zahlreichen, vielfach gewalttätigen, Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien geprägt, in denen öfters die Seiten gewechselt und aus alten Feinden neue Freunde werden.

Diese Geschichte wird aus den Perspektiven von über zehn Personen erzählt, von denen die allermeisten historisch belegt sind. Diese Vielzahl an Protagonisten machte es mir vor allem am Anfang schwer, den Überblick zu behalten, wer wohin gehört und mit wem gerade verbündet oder verfeindet ist. Außerdem konnte ich dadurch nicht wirklich mit den Personen warm werden und eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Was schade ist, denn es kommen viele interessante Charaktere vor. Manche hätten mehr Raum verdient gehabt, um sich zu entfalten, aber vielleicht wird das ja in der Fortsetzung nachgeholt.
Wie weit die Darstellung der Persönlichkeiten und auch die Schilderung der diversen Ereignisse der historischen Realität entsprechen, kann ich nicht beurteilen. Die Autorin dürfte gründlich recherchiert haben, konstatiert aber selbst im Nachwort, dass die geschichtliche Überlieferung Lücken aufweist, welche sie mit ihrer Phantasie geschlossen hat.

Insgesamt ist es jedenfalls spannend, all die Entwicklungen und Konflikte auf unterschiedlichen Ebenen mitzuverfolgen. So wird ein wichtiger Abschnitt der deutschen Geschichte lebendig. Der Roman beleuchtet nämlich nicht nur die politischen Verhältnisse, sondern portraitiert auch die damaligen Lebensumstände. Gerade die Schicksale auch adeliger Frauen, deren Daseinszweck nur daraus bestand, einen Mann zu heiraten, den jemand anders aus machtpolitischen Erwägungen für sie ausgesucht hat, und dann möglichst viele Kinder zu gebären, werden ergreifend dargestellt. Dennoch treten einige starke Frauenfiguren auf.

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist für mich allerdings das Ende. Es kommt viel zu abrupt und lässt zu vieles offen. Ich fände es auch bei einer Reihe besser, wenn jeder Teil für sich zu einem stimmigen Abschluss gebracht wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.07.2022

Bildgewaltige (und etwas spekulative) Reise in die Bronzezeit

Griff nach den Sternen
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Harald Meller und Kai Michel haben sich bereits in einigen Werken der Himmelsscheibe von Nebra gewidmet. Hier geht es nun vor allem darum, wie das Mitteleuropa der Bronzezeit mit anderen (Hoch)kulturen ...

Harald Meller und Kai Michel haben sich bereits in einigen Werken der Himmelsscheibe von Nebra gewidmet. Hier geht es nun vor allem darum, wie das Mitteleuropa der Bronzezeit mit anderen (Hoch)kulturen seiner Zeit vernetzt war.
Den Ausgangspunkt bildet natürlich wieder eine Beschreibung der Himmelsscheibe, von welcher die Autoren annehmen, dass damit – zu verschiedenen Zeitpunkten – sowohl Vorstellungen aus dem babylonischen (Synchronisation von Sonnen- und Mondkalender) als auch aus dem ägyptischen Kulturkreis (Sonnenkult) festgehalten wurden. Daraus ist schnell der Schluss gezogen, es habe einen Kontinente-übergreifenden Ideenaustausch gegeben.
Anschließend werden daher diverse Zivilisationen der Bronzezeit vorgestellt und auf mögliche Verbindungen zum Reich von Nebra untersucht – von Stonehenge über Kreta, Ägypten und die Levante bis nach Mesopotamien. Auch der Art, wie Herrschaft oder Güteraustausch (hier war für die Aufklärung von Nebras Geschichte besonders die Verteilung von Bernstein aufschlussreich) in der Vergangenheit organisiert wurden, wird nachgegangen.

Tatsächlich gibt es eine Fülle an archäologischen Belegen dafür, dass die Bronzezeit weitaus „globalisierter“ war als vielfach angenommen. Gerade der Stellenwert Mitteleuropas wurde lange Zeit unterschätzt.
Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Autoren vor lauter Begeisterung etwas zu weit gehen und sämtliche Tatsachen gerade so auslegen, wie sie am besten zu ihrer Überzeugung passen. Wenn beispielsweise der Fund von zwei kleinen Perlen aus baltischem Bernstein in Assur als Beweis dafür herangezogen wird, dass der spätere Herr der Himmelsscheibe persönlich von Nebra ins Herz des Zweistromlandes gelangt sein muss. Sogar den genauen Verlauf dieser Reise versuchen sie zu rekonstruieren.
Nicht nur, dass viele Spekulationen enthalten sind, waren mir viele Aussagen bereits aus anderen Werken zum Thema bekannt.

Dieses Buch besticht jedoch ohnehin vor allem durch seine zahlreichen Bilder, welche es ermöglichen, in vergangene Zeiten einzutauchen und die Faszination, die von Archäologie ausgeht, nachzuempfinden.
Schon deswegen ist es trotz ein paar inhaltlichen Schwächen empfehlenswert.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Wer ist Martin Guerre?

Die Frau, die liebte
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Ich habe dieses Buch zufällig in der Bibliothek entdeckt und spontan mitgenommen. Dass der Inhalt von einem realen Strafrechtsfall aus dem Frankreich des 16. Jahrhunderts inspiriert ist, macht die Sache ...

Ich habe dieses Buch zufällig in der Bibliothek entdeckt und spontan mitgenommen. Dass der Inhalt von einem realen Strafrechtsfall aus dem Frankreich des 16. Jahrhunderts inspiriert ist, macht die Sache schon mal interessant, wobei ich natürlich nicht beurteilen kann, wie weit sich die Autorin an die überlieferten Fakten gehalten hat bzw wie viele Fakten überhaupt überliefert wurden. Herausgekommen ist jedenfalls folgende Geschichte:
Bertrande war erst elf, als sie mit dem in etwa gleichaltrigen Martin Guerre verheiratet wurde. Eine arrangierte Ehe im großbäuerlichen Milieu. Mit der Zeit entwickeln die beiden aber doch Gefühle füreinander und führen eine einigermaßen glückliche Beziehung, bis Martin eines Tages seine Familie verlässt. Er wollte nur für ein paar Tage fortbleiben, doch seine Abwesenheit zieht sich immer länger hin.
Bis er nach Jahren plötzlich wieder auftaucht. Jedenfalls sind alle aus Familie und Gesinde überzeugt davon, dass es sich bei dem Mann, der schnell in seine Rolle als Haushaltsvorstand hineinfindet, um Martin handelt. Lediglich Bertrande beschleichen zunehmend stärkere Zweifel.

Obwohl die eigentliche Romanhandlung nur ca 120 Seiten umfasst, werden hier doch einige interessante Themen angesprochen. In erster Linie natürlich die Frage, wie jemand seine Identität beweisen kann bzw wie man umgekehrt beweisen kann, dass jemand trotz aller Ähnlichkeit nicht derjenige ist als der er sich ausgibt. Auch die Familien- und Gesellschaftsstrukturen der damaligen Zeit werden portraitiert. Es ist bezeichnend, dass Bertrande den neuen Martin gerade deshalb verdächtigt ein anderer zu sein, weil er um vieles umgänglicher ist als es ihr Ehemann früher war und nicht die Härte seines Vaters besitzt.
Erzählt wird überwiegend aus Bertrandes Perspektive, zu der ich aber dennoch keine richtige Beziehung aufbauen konnte. Dies ist nicht nur der Kürze des Textes, sondern vor allem dem abstrakten Stil geschuldet. Es gibt zwar sehrwohl einige beeindruckende Szenen und ich fand es auch ganz spannend, was bei dem Prozess wohl rauskommen wird, wirklich packend ist die Handlung allerdings nicht.

Die Einschätzung, dass „dieser Roman mit zum Besten gehört, was die amerikanische Literatur zu bieten hat“ kann ich daher nicht ganz nachvollziehen.
Dennoch ist die Geschichte immerhin ungewöhnlich und regt zum Nachdenken an. Es wundert mich, dass dieses im Original bereits 1941 erschienene Buch erst 2018 ins Deutsche übersetzt wurde.

Veröffentlicht am 10.07.2022

30 Episoden aus dem Berufsleben eines Strafrichters

In allen Punkten
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Der Strafrichter (und frühere Exekutivbeamte) Helmut Wlasak berichtet hier von 30 Fällen aus seiner Berufslaufbahn. Das hört sich schon mal interessant an und tatsächlich wird eine bunte Mischung an Sachverhalten ...

Der Strafrichter (und frühere Exekutivbeamte) Helmut Wlasak berichtet hier von 30 Fällen aus seiner Berufslaufbahn. Das hört sich schon mal interessant an und tatsächlich wird eine bunte Mischung an Sachverhalten und Straftaten geschildert.
Teilweise werden amüsante Begebenheiten beschrieben, wenn beispielsweise der Angeklagte halb nackt vor Gericht erscheint oder jemand so gar nicht einsehen will, wieso er eine Prüfung ablegen muss, um einen legalen Führerschein zu bekommen. Aber auch schlimmere Verbrechen werden thematisiert, etwa Terrorismus oder (mehr oder weniger erfolgreiche) Drogengeschäfte. Dennoch sind die Texte immer wieder mit einigem Humor gewürzt.
Der Stil hat mir gut gefallen. Das Buch liest sich wie ein Roman, die meisten Vorfälle werden aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert und es wird einige Spannung aufgebaut.
Für meinen Geschmack sind die Kapitel nur etwas zu kurz. Außerdem hätte ich mir ein paar mehr (juristische) Hintergrundinformationen gewünscht.
Ebenfalls gefehlt hat mir eine Art Einleitung oder ein Schlusswort, wo der Autor mehr über seinen Werdegang erzählt und vielleicht ein bisschen was dazu sagt, wie es zu diesem Buch gekommen ist, wie genau er in die jeweiligen Fälle involviert war oder nach welchen Kriterien die Geschichten ausgewählt wurden. Auch Angaben zur zeitlichen Einordnung der Geschehnisse wären schön gewesen, wobei hier aber wahrscheinlich der Datenschutz entgegenstand.