Wenig Mathematik, dafür ein neuer Blick auf die Renaissance
Beim Begriff Renaissance denkt man wohl als erstes an die großartigen Kunstwerke, die in dieser Epoche geschaffen wurden, und dann vielleicht an Dinge wie den Humanismus oder den immer wissenschaftlicher ...
Beim Begriff Renaissance denkt man wohl als erstes an die großartigen Kunstwerke, die in dieser Epoche geschaffen wurden, und dann vielleicht an Dinge wie den Humanismus oder den immer wissenschaftlicher werdenden Blick auf die Welt, insbesondere in der Astronomie. Dass es in dieser Zeit aber auch zu wegweisenden Umwälzungen in der Mathematik kam, durch welche manche anderen Entwicklungen erst ermöglicht oder zumindest gefördert wurden, ist im öffentlichen Bewusstsein weit weniger verankert.
Schon deshalb finde es ich gut, dass Thomas de Padova sich hier dieses Themas annimmt und beschreibt, wie während der Renaissance die Grundsteine für die moderne Mathematik gelegt wurden. Er stellt dabei insbesondere die Personen in den Mittelpunkt, die an diesem Aufschwung beteiligt waren.
So kann man beispielsweise mitverfolgen, wie die traditionelle, für das schriftliche Rechnen jedoch eher ungeeignete römische Zahlschrift nach und nach durch die indisch-arabischen Zahlen und das Dezimalsystem ersetzt wurde, welche Beiträge Leonardo da Vinci und (für mich überraschender) Albrecht Dürer zur Weiterentwicklung der Geometrie geleistet haben oder wie ein Pfarrer und Anhänger Martin Luthers trotz spektakulärem Scheiterns bei der Berechnung des Tages des Jüngsten Gerichts zu einem der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit aufsteigen konnte.
Diese und zahlreiche weitere Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Mathematik auf ganz neue Beine gestellt wurde, befeuert von der Herausbildung einer mathematischen Formelsprache und unterstützt durch den Buchdruck, welcher die Zirkulation des Wissens beschleunigte.
Umso bedauerlicher, dass – nach einem im Nachwort wiedergegebenen Zitat Hans Magnus Enzensbergers – bis heute „große Teile der Bevölkerung .... über den Stand der griechischen Mathematik nie hinausgekommen sind.“ Und selbst das ist meiner Meinung nach noch eine zu optimistische Ansicht!
Obwohl auch in diesem Buch relativ wenig „echte“ Mathematik vermittelt wird (eine hübsche geometrische Veranschaulichung der p-q-Formel zur Lösung quadratischer Gleichungen ist dabei schon der Höhepunkt) fand ich es sehr aufschlussreich und kann es jedem, der etwas über die Geschichte der Mathematik erfahren möchte, weiterempfehlen.