Breit ausgewalzte Geschichte des Christentums
HerrschaftTom Holland möchte hier zeigen, wie sehr das Christentum dazu beitrug, dass „wir im Westen wurden, was wir sind, und so denken, wie wir denken“, und dass seine Einflüsse auch in unseren heutigen „säkularen“ ...
Tom Holland möchte hier zeigen, wie sehr das Christentum dazu beitrug, dass „wir im Westen wurden, was wir sind, und so denken, wie wir denken“, und dass seine Einflüsse auch in unseren heutigen „säkularen“ Gesellschaften allgegenwärtiger sind, als es wohl selbst gläubigen Menschen bewusst ist und als die meisten Atheisten jemals zugeben würden.
Er verfolgt den Lauf der Geschichte von der Antike bis ins 21. Jahrhundert und versucht zu erklären, wie eine Glaubensrichtung, deren Gründer von einer Großmacht als Verbrecher hingerichtet wurde, die ganze Welt erobern, schließlich sogar selbst als Rechtfertigung für imperiale Bestrebungen dienen, aber beispielsweise auch Argumente für die Abschaffung der Sklaverei liefern konnte.
Es gibt dabei durchaus erhellende Einsichten, zahlreiche Themen werden unter einem neuen Blickwinkel betrachtet. So etwa, dass sich in der „Me too“ Bewegung Anklänge an die puritanische Sexualmoral finden, oder, dass bereits unsere Vorstellung, es gäbe eine Trennung in einen religiösen und einen nicht-religiösen Bereich, vom Christentum beeinflusst ist. Sogar Kritik am Christentum leitet sich regelmäßig von einem Bezugssystem ab, das selbst durch und durch christlich geprägt ist.
Die Ausführungen sind jedoch zu weitschweifig. So interessant viele historische Entwicklungslinien auch sind, hätten sie doch knapper und auf das wesentliche konzentriert dargestellt werden können.
Außerdem geht der Autor in seiner Betonung der Rolle des Christentums häufig zu weit.
Beispielsweise führt er keinen echten Beweis für seine Behauptung an, dass zahlreiche Grundannahmen der westlichen Gesellschaft und Prinzipien wie etwa die Menschenrechte „nicht aus der klassischen Antike, noch weniger aus der menschlichen Natur, sondern ganz klar aus der christlichen Vergangenheit“ stammen. Dabei könnte es doch auch, dass sich der - wie hier mehrmals konstatiert wird – (angesichts seiner Entstehungsgeschichte) unerwartete Erfolg des Christentums gerade daraus erklärt, dass viele seiner Grundgedanken und Vorschriften gut zur menschlichen Natur passen.
Doch trotz einiger Schwächen lohnt sich die Lektüre, bietet sie doch spannende Einsichten und eine ungewöhnliche Perspektive darauf, was den „Westen“ ausmacht. Auch wenn ich nicht allem zustimmen kann, regt es daher jedenfalls zum Nachdenken an.