Aneinanderreihung von Banalitäten
Mary Shelleys ZimmerDie 16-jährige Mary Godwin sitzt auf einem Friedhof und wartet auf ein Date mit Percy Bysshe Shelly, einem aus reichem Haus stammenden Enfant terrible. So beginnt dieser Roman, der hauptsächlich Marys ...
Die 16-jährige Mary Godwin sitzt auf einem Friedhof und wartet auf ein Date mit Percy Bysshe Shelly, einem aus reichem Haus stammenden Enfant terrible. So beginnt dieser Roman, der hauptsächlich Marys Leben folgt, daneben aber auch zahlreiche andere Schauplätze während der Jahre1815 und 1816 besucht und so wohl das Panorama eines Kontinents bieten soll, der aufgrund eines Vulkanausbruchs auf der anderen Seite der Welt, das kälteste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen erlebt.
Mary überwirft sich schließlich mit ihrem Vater, reist mit Percy und ihrer Stiefschwester Claire durch Europa und landet irgendwann in einer Villa am Genfer See, wo sie inspiriert durch einen von dem berühmten Dichter Lord Byron ausgerufenen Wettbewerb die Idee zu ihrem zwei Jahre später erscheinenden Roman „Frankenstein“ hat.
Daneben treten hier unter anderem Johann Wolfgang von Goethe, Napoleon, Turnvater Jahn oder der Maler Caspar David Friedrich auf. Manche dieser „Prominenten“ kommen regelmäßig vor, andere werden nur ein paar Mal erwähnt und „verschwinden“ dann wieder. Dazwischen sind gelegentlich kurze Episoden aus dem Leben der normalen Leute eingestreut. Diese nehmen aber zu wenig Raum ein, um wirklich deutlich zu machen, wie dramatisch die Auswirkungen der Klimakrise waren. Großteils dreht sich die Handlung doch um sehr privilegierte Personen. Das wird bei Marys Clique besonders deutlich, die in ihrer Villa dem Hedonismus frönt, während rundum Hunger und Not herrschen.
Wahrscheinlich ist auch dies ein Grund dafür, dass ich mit der Handlung bzw den Protagonisten nicht warmgeworden bin. Außerdem haben mich die fehlenden Datumsangaben gestört. Es ist oft nicht nachvollziehbar, wie viel Zeit zwischen den Kapiteln vergangen ist oder in welcher Jahreszeit wir uns befinden.
Fazit: Dieses Buch ist weder eine historische Abhandlung (dazu gibt es zu viele Ungenauigkeiten und Anachronismen), noch eine Liebesgeschichte (dafür werden nicht genug Gefühle transportiert), noch die Entstehungsgeschichte eines Werkes der Weltliteratur (dafür spielt Marys literarisches Schaffen eine zu geringe Rolle), noch ein „Endzeitdrama“ (dafür geht es den meisten Personen zu gut.) Es handelt sich vielmehr bloß um eine Zusammenstellung von allerlei Begebenheiten, die jede für sich eher banal sind.