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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.07.2022

Wenn ein Elternteil stirbt

Die Schuhe meines Vaters
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Frankfurt am Main im Jahr 2018: Robert Schäfer, der Vater des Schriftstellers Andreas Schäfer, ist 81 Jahre alt, als er stirbt. Nach mehr als 20 Jahren war bei ihm der Krebs zurückgekehrt. Als er die Diagnose ...

Frankfurt am Main im Jahr 2018: Robert Schäfer, der Vater des Schriftstellers Andreas Schäfer, ist 81 Jahre alt, als er stirbt. Nach mehr als 20 Jahren war bei ihm der Krebs zurückgekehrt. Als er die Diagnose erhielt, hatten sich bereits Metastasen gebildet. Wer war dieser Mann? Wie hat er seinen Sohn geprägt?

„Die Schuhe meines Vaters“ ist ein Memoir von Andreas Schäfer.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus drei Teilen, die sich in unterschiedliche Absätze gliedern. Berlin und Frankfurt sind wichtige Orte. Zeitlich springt die Erzählung hin und her. Dennoch lässt sich das Geschilderte gut verfolgen.

Erzählt wird in der Ich-Perspektive, aus der Sicht des Autors. Der Schreibstil ist schnörkellos, fast nüchtern, aber dennoch eindringlich und sprachlich ausgefeilt. An einigen Stellen sind mir die Formulierungen zu knapp, an anderen erzeugt der Autor starke Bilder und poetische Anklänge.

Inhaltlich geht es einerseits um Trauer, Abschied und Verlust, andererseits aber auch um die Stationen im Leben von Robert Schäfer. Zum Teil streift das Buch sogar noch die Geschichte der Großeltern, wobei sich das sicherlich auch nicht trennen ließe.

Auf weniger als 200 Seiten zeichnet der Autor ein umfassendes, ungeschöntes Bild seines Vaters. Dabei wird deutlich, dass die Beziehung der beiden nicht ungetrübt war. Dennoch gibt es immer wieder Passagen, die mich emotional berühren konnten und mich nachdenklich gemacht haben.

Das reduzierte Cover erschließt sich nicht sofort, ist aber trotzdem passend. Der Titel ist nicht sonderlich originell. Er trifft den Kern des Memoirs jedoch gut.

Mein Fazit:
Mit seinem „Die Schuhe meines Vaters“ hat Andreas Schäfer ein lesenswertes Memoir geschrieben, das mich zum Nachdenken angeregt hat. Eine bewegende Lektüre, die für mich allerdings nicht ganz an ähnliche Bücher wie „Sterben im Sommer“ von Zsuzsa Bánk herankommt.

Veröffentlicht am 13.07.2022

Die Schattenseiten des Internets

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Norwegen im Jahr 2019: Emer Murphy, Kommissarin bei der Polizei Oslo, soll sich eigentlich erholen und an ihre Psychopharmaka gewöhnen. Doch als sie von einer Entführung erfährt, ist sie emotional betroffen. ...

Norwegen im Jahr 2019: Emer Murphy, Kommissarin bei der Polizei Oslo, soll sich eigentlich erholen und an ihre Psychopharmaka gewöhnen. Doch als sie von einer Entführung erfährt, ist sie emotional betroffen. Die zweijährige Poppy, die Tochter von Lotte Wiig, ist verschwunden, nachdem ihre Mutter, eine Influencerin, ein Foto des Mädchens gepostet hat…

„Poppy“ ist der Debütroman von Kristine Getz und der erste Band einer Thriller-Reihe um Kommissarin Emer Murphy.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog. Die Handlung erstreckt sich vom 16. bis zum 26. Juni 2019. Fünf Tage werden besonders intensiv beleuchtet. Sie gliedern den Roman in fünf Teile. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, zum Beispiel aus der der Kommissarin. Einheitliche Angaben zu Orten, Zeiten und Personen machen die Orientierung leicht.

Der Schreibstil ist unauffällig, aber anschaulich und dem Genre angemessen. Enthalten ist viel wörtliche Rede. Immer wieder eingefügt sind Nachrichten und kurze Chatverläufe.

Gereizt hat mich an der Lektüre, dass es um eine Polizistin geht, die nachweislich psychische Probleme hat. Zwar sind solche Charaktere nicht grundsätzlich neu. Die Ausprägung hat jedoch meine Neugier geweckt. Die Umsetzung finde ich größtenteils gelungen. Auch die übrigen Charaktere sind nicht uninteressant.

Besonders gut gefallen hat mir die sozialkritische Komponente. Indem die Autorin die Schattenseiten des Internets aufzeigt, macht sie auf ein wichtiges Problem aufmerksam. Dadurch wird der Thriller mehrdimensional.

Auf den rund 400 Seiten hat die Geschichte ein paar Überraschungen parat. Die Spannung ist nicht immer nervenzermürbend hoch, aber doch gegeben.

Das Cover sticht aus der Masse hervor. Der Originaltitel wurde erfreulicherweise wortgetreu übernommen.

Mein Fazit:
Mit „Poppy“ hat mich Kristine Getz gut unterhalten. Ich hoffe, dass es tatsächlich eine Fortsetzung geben wird.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Die Himmelskörper kennenlernen

Wieso? Weshalb? Warum? junior. Sonne, Mond und Sterne
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Warum gibt es Tag und Nacht? Was ist ein Planet? Und wie kommen Astronauten ins Weltall? Der Himmel und das Universum üben bereits auf Kinder eine Faszination aus. Sie wollen es gerne verstehen.

„Sonne, ...

Warum gibt es Tag und Nacht? Was ist ein Planet? Und wie kommen Astronauten ins Weltall? Der Himmel und das Universum üben bereits auf Kinder eine Faszination aus. Sie wollen es gerne verstehen.

„Sonne, Mond und Sterne“ ist der 72. Band aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum? junior“ von Ravensburger.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus acht Doppelseiten, die sich je einer Frage widmen. Die ausformulierten Fragen werden jeweils mit einem kurzen Text beantwortet.

Der Text von Patricia Mennen ist kindgerecht. Eine einfache Satzstruktur und wenige spezifische Wörter zeichnen den Stil aus. Der Text eignet sich gut zum Vorlesen.

Die Illustrationen von Peter Nieländer sind gelungen. Sie sind detailliert genug, um viel zum Entdecken zu bieten, jedoch nicht überfrachtet.

Auf fast jeder Doppelseite sind Klappen untergebracht. Sie animieren auch die Kleinsten, sich das Buch genauer anzusehen. Zudem ist ein Suchspiel enthalten.

Inhaltlich deckt das Sachbuch die wichtigsten, aber nicht alle Aspekte ab, wobei ich das Thema Sternbilder unnötig finde. Als Einstieg in die Raumfahrt, die Astronomie und die Astrophysik eignet es sich aber definitiv.

Die Sachbuchreihe wird für Kinder von zwei bis vier Jahren ausgewiesen. Diese Altersangabe kann ich nur zum Teil nachvollziehen. Für Zweijährige ist der Inhalt zu kompliziert und in Gänze nicht erfassbar.

Das Cover gefällt mir sehr gut.

Mein Fazit:
„Sonne, Mond und Sterne“ aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum? junior“ von Ravensburger ist ein ansprechend gestaltetes Sachbuch zum Thema Himmelskörper. Leider kommt es nicht ohne zusätzliche Erklärungen aus und ist nur für den älteren Teil der Zielgruppe verständlich.

Veröffentlicht am 26.06.2022

Aufwachsen in einem Umfeld der Gewalt

Amelia
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Im Jahr 1969 nehmen die Unruhen in Irland ihren Anfang. Das kümmert die fast achtjährige Amelia Boyd Lovett aber erst einmal wenig. Sie besucht jeden Tag ihr Versteck, um sich ihre Schätze anzugucken: ...

Im Jahr 1969 nehmen die Unruhen in Irland ihren Anfang. Das kümmert die fast achtjährige Amelia Boyd Lovett aber erst einmal wenig. Sie besucht jeden Tag ihr Versteck, um sich ihre Schätze anzugucken: ein kleines Plastikschaf, eine Münze mit einem eingeprägten Gebet, eine Tube Glitzer - und Gummigeschosse, die sie sammelt, seitdem die britische Armee angefangen hat, damit zu schießen…

„Amelia“ ist der Debütroman von Anna Burns, der im Original bereits 2001 erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 26 Kapiteln, die wiederum in Abschnitte unterteilt sind. Die Handlung umfasst mehrere Jahrzehnte: von 1969 bis Mitte der 1990er-Jahre. Immer wieder gibt es Zeitsprünge. Die entsprechenden Jahreszahlen befinden sich am Anfang der Kapitel. Dieser Aufbau ist nicht unkompliziert, aber geschickt komponiert.

Der Schreibstil ist dialoglastig und sehr plastisch, manchmal auf schmerzhafte Weise. Die Sprache wirkt nüchtern und schnörkellos und ist gleichzeitig eindringlich.

Amelia ist eine reizvolle Protagonistin. Daneben gibt es eine Vielzahl an weiteren Figuren.

Inhaltlich ist der Roman keine leichte Kost. Obwohl er schon vor mehr als 20 Jahren verfasst wurde und die Handlung in der weiter zurückliegenden Vergangenheit verortet ist, hat das Thema nicht an Aktualität eingebüßt. Die jüngsten Unruhen in Nordirland haben den Fokus der Öffentlichkeit wieder auf den Konflikt gelenkt. Daher hatte ich mir tiefergehende Einblicke erhofft, die ich leider aber nur teilweise erhalten habe. Allerdings konnte mich die Geschichte dennoch berühren.

Der deutsche Titel weicht erheblich von der englischsprachigen Originalausgabe („No Bones“) ab, passt aber natürlich auch. Das erfrischend ungewöhnliche Cover wurde übernommen.

Mein Fazit:
Auch mit „Amelia“ hat Anna Burns einen sehr speziellen und originellen Roman geschrieben. Trotz mehrerer Schwächen eine insgesamt lohnenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 13.06.2022

Über Andrew Haswell Green

Der große Fehler
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Es ist Freitag, der 13. November 1903, und für Andrew Haswell Green ist es wahrlich ein Unglückstag. Auf offener Straße, auch noch vor seiner eigenen Haustür, wird der 83-Jährige erschossen. Was steckt ...

Es ist Freitag, der 13. November 1903, und für Andrew Haswell Green ist es wahrlich ein Unglückstag. Auf offener Straße, auch noch vor seiner eigenen Haustür, wird der 83-Jährige erschossen. Was steckt hinter diesem Mord? Und wie hat es der Sohn eines mittellosen Bauern geschafft, zu einer ruhmreichen Persönlichkeit zu werden?

„Der große Fehler“ ist ein Roman von Jonathan Lee.

Meine Meinung:
Der Roman ist unterteilt in 33 kurze Kapitel. Sie sind benannt nach den Toren des Central Parks, eine schöne Idee.

Der Schreibstil wirkt ein wenig altertümlich mit der antiquierten Ausdrucksweise. Für mich passt diese Sprache jedoch gut zur Geschichte. Sie verleiht dem Buch Charme.

Der Protagonist ist ein interessanter Charakter, der ein erlebnis- und erfolgreiches Leben aufweisen kann und somit eine Menge Stoff für eine Romanbiografie bietet. Insgesamt glänzen in dem vorliegenden Werk aber die Nebenfiguren, vor allem die weiblichen.

Inhaltlich ist der Roman in zweifacher Hinsicht reizvoll: Einerseits bringt der Autor seiner Leserschaft eine historische Person nahe, die sich auf mehreren Gebieten verdient gemacht hat. Andererseits geht es um einen Mordfall. Dieses Konzept ist vielversprechend und stellt einen guten Ansatz dar. Keine der beiden Erzählstränge ist jedoch komplett überzeugend umgesetzt. Für eine Kriminalgeschichte ist das Werk zu durchschaubar und wenig aufregend, für einen autobiografischen Roman ist es zu unvollständig.

Obwohl ich bei diesem Roman keinesfalls eine durchweg spannende Handlung erwartet habe und deshalb mit dem gemächlichen Erzähltempo kein Problem hatte, haben mich einige Längen gestört. Das liegt daran, dass die Geschichte immer wieder ihren roten Faden verliert und einzelne anekdotenhafte Episoden eingeflochten sind. Manche davon sind sehr lesenswert und unterhaltsam, andere weniger fesselnd.

Das deutsche Cover finde ich in optischer Sicht sehr ansprechend. Allerdings gibt es nur einen weniger direkten Bezug, was das Motiv angeht. Der englischsprachige Originaltitel („The Great Mistake“) wurde wortgetreu ins Deutsche übertragen.

Mein Fazit:
Mit „Der große Fehler“ hat Jonathan Lee eine interessante Persönlichkeit wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und Andrew Green zu recht eine Art Denkmal gesetzt. Leider verschenkt der Roman in seiner Umsetzung aber einen Teil seines großen Potenzials.