Kurzmeinung:
Dieses Buch hat mir wirklich bewegt und zum Nachdenken angeregt. In wunderschöner Sprache hinterfragt Coelho, was eigentlich "normal" ist und zeigt die alltäglichen Zwänge der Gesellschaft auf. Sehr eindrücklich werden das Leben und Leiden der Charaktere beschrieben. Das Bucht ist voller schöner Zitate, die mich noch lange verfolgt haben und werden.
Klappentext:
Die Geschichte einer unglücklichen jungen Frau, die sterben will und erst angesichts des Todes entdeckt, wie schön das Leben sein kann, wenn man darum kämpft und etwas riskiert. Ein wunderbares Buch über die Prise ›Verrücktheit‹, die es braucht, um den eigenen Lebenstraum Wirklichkeit werden zu lassen, und eine große Liebeserklärung an das Glück in jedem von uns
S.17 "Veronika hatte beschlossen, an diesem schönen in Ljubljana zu sterben, während bolivianische Musiker auf dem Platz spielten, ein junger Mann unter ihrem Fenster vorbeiging, und sie war glücklich über das, was ihre Augen sahen und ihre Ohren hörten. Noch glücklicher war sie, dass sie dies nicht noch weitere dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre sehen musste, denn es würde sich abnutzen und zur Tragödie eines Lebens werden, in dem sich alles wiederholte und ein Tag dem anderen
gleicht."
Zum Buch:
Gleich zum Anfang des Buches lernen wir Veronika kennen, die nicht mehr so richtig Lust auf das Leben hat und keine Perspektive für sich sieht. Sie beschließt daher sich das Leben zu nehmen.
S.13 "Ihr Leben verlief gleichförmig, und wenn die Jugend erst einmal vorbei war, würde es nur noch abwärts gehen, sie würde altern, krank werden, Freunde verlieren. Letztlich würde Weiterleben nichts bringen, vermutlich nur mehr Leid."
So nimmt Veronika eine Überdosis Pillen und legt sich hin, um auf den Tod zu warten. Der Selbstmordversuch misslingt allerdings und sie erwacht in der Psychiatrie "Villette". Dort teilen die Ärzte ihr mit, dass ihr Herz durch die Pillen stark geschädigt wurde und sie in den nächsten Tagen sterben wird.
So ist die Protagonisten nun gezwungen, sich mit dieser skurrilen Situation zu arrangieren und lernt das Leben in Vilette und seine Bewohner kennen.
S. 21 "Wie sollte man in einer Welt, in der man um jeden Preis versucht zu überleben, Menschen beurteilen, die zu sterben beschließen?"
Und in dieser ungewöhnlichen Umgebung und im Austausch mit den vermeintlich "Verrückten" lernt sie, dass es im Leben so viel mehr gibt, als sich an Regeln zu halten und sich den Normen entsprechend zu verhalten. Sie lernt sich selbst (wieder) kennen und entdeckt ihre alten Wünsche und Träume. Losgelöst von den Zwängen der Gesellschaft hinterfragt sie, was denn "normales" Verhalten ist und wem es eigentlich zusteht, sie zu bewerten.
S.181 "Jeder Mensch ist einmalig und einzigartig, mit seinen Eigenschaften, Trieben, Begierden und Abenteuern. Doch die Gesellschaft zwingt ihm ein kollektives Verhaltensmuster auf..."
Sie kann frei und ungezwungen einfach sie selbst sein, ohne das sie von jemandem beurteilt wird -und findet dadurch zu sich selbst und ins Leben zurück.
S. 46 "Hier drinnen können alle sagen, was sie denken, tun, was sie wollen, ohne auf Kritik zu stoßen."
S. 73 "Als ich die Tabletten genommen habe, wollte ich jemanden umbringen, den ich hasste. Ich wusste nicht, dass es in mir auch Veronikas gab, die ich lieben könnte."
Natürlich ist das kein leichter Weg und Veronika hadert immer wieder mit ihrem Schicksal. Es findet in ihr eine Entwicklung statt, die man als Leser auch gut nachvollziehen kann.
Meine Meinung:
Was für ein schönes Buch. Es hat mich wirklich sehr bewegt. Wie ihr eventuell schon gemerkt habt, habe ich mir sehr viele schöne Zitate rausgeschrieben, die mich sehr zum Nachdenken angeregt haben. (Deswegen habe ich für das Lesen dieses eigentlich recht kurzen Buches auch so lange gebraucht...)
Die Charaktere sind komplex und anders, als andere Charaktere, die man sonst so aus Büchern kennt. Es war bei mir nicht so, dass ich die Charaktere besonders mochte, oder ihnen besonders nahe war. Trotzdem konnten sie mich berühren und mir (und Veronika) ihre Lektionen erteilen.
Man lernt die Villette- Bewohner kennen, ihre Geschichten, wie sie aus dem "Leben draußen" nach Vilette gekommen sind. Die Geschichten sind alle sehr unterschiedlich und immer sprechen die Personen sehr reflektiert über ihre Reise, so dass man als Leser viele tiefe Einblicke und Erkenntnisse gewinnen kann.
S.42 "Ich hoffe allerdings, dass diese Substanz mir nur das Problem meiner chronischen Depression löst. Ansonsten möchte ich weiterhin verrückt sein, mein Leben so leben, wie ich es mir erträume, und nicht so, wie die anderen es von mir erwarten."
Es geht um Liebe, Freundschaft, persönliches Leid und um Ängste, den Ansprüchen der Gesellschaft und den Erwartungen an eine aufgedrängte Rolle nicht erfüllen zu können.
Man wird als Leser gezwungen, seine eigenen Ansichten über "normales Verhalten" zu überdenken und wird mit seinen eigenen Vorurteilen gegen psychisch Kranke konfrontiert. Stigmatisierung spielt eine große Rolle.
Mir hat das Buch gut gefallen, gerade weil es mich teilweise aus meiner Komfortzone gedrängt hat und ich mir schwierige Fragen stellen musste.
Und auch das ich über mein eigenes Leben nachdenken musste, warum ich es lebenswert finde, und das ich die alltäglichen Freuden zumindest für eine Zeit nicht mehr als so selbstverständlich annehme, hat mir gefallen.
Ich finde, die Lektüre dieses Buches ist auf jeden Fall eine Bereicherung.
Verfilmung:
Manche von euch kennen vielleicht auch den Film. Der hat mir auch sehr gut gefallen und hat viele Szenen aus dem Buch gut umgesetzt. Allerdings wurde auch einiges geändert und vor allem das Ende ist deutlich anders. Aber sowohl Buch als auch Film sind als eigenständige Werke zu empfehlen.
Ich habe den Film vorher gesehen und war beim Lesen dementsprechend manchmal etwas überrascht. Im Film nimmt zum Beispiel die Liebesgeschichte zwischen Veronika und einem schizophrenen Insasse viel mehr Raum ein.
Das Buch konnte mit der wunderschönen Sprache und den vielen tollen Zitaten wirklich überzeugen.