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Veröffentlicht am 08.08.2022

How to be a Star

Die sieben Männer der Evelyn Hugo
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Was soll man eigentlich zu einem Buch noch schreiben, das gefühlt bereits jeder gelesen hat? Ich werde es einfach mal versuchen....
Eigentlich lässt der Klappentext nicht wirklich einen Bestseller erwarten, ...

Was soll man eigentlich zu einem Buch noch schreiben, das gefühlt bereits jeder gelesen hat? Ich werde es einfach mal versuchen....
Eigentlich lässt der Klappentext nicht wirklich einen Bestseller erwarten, aber auch mich hat die Geschichte sehr überrascht, gefesselt und mitgerissen.
Filmikone Evelyn Hugo steht am Ende ihres Lebens, welches alles andere als langweilig gewesen ist. Sie findet es an der Zeit nun ihre Memoiren schreiben zu lassen und die Wahrheit über ihre sieben skandalösen Ehen zu erzählen. Doch Evelyn Hugo möchte nur einer ganz bestimmte Ghost-Writerin ihre Lebensgeschichte erzählen: Monique Grant. Die Lokalreporterin der Vivant ist mehr als überrascht, als sie für einen Artikel zur berühmten Filmdiva eingeladen wird. Seit Jahren wartet sie auf den Durchbruch als Journalistin. Sie weiß, sie braucht eine richtig gute Story, um bei Vivant endlich Fuß zu fassen und sagt zu. Doch es soll nicht wie angekündigt ein Artikel über eine Wohltätigkeitsversteigerung werden, sondern Monique soll die Memoiren der berühmten Hollywood-Ikone schreiben, mit der Einschränkung diese erst nach ihrem Tod zu veröffentlichen. Monique kann es kaum glauben und fragt sich immer wieder warum Evelyn Hugo gerade sie ausgewählt hat....

Und das fragt sich natürlich auch der Leser dieser Geschichte. Doch bis wir darauf eine Antwort erhalten erfahren wir, wie die als Evelyn Elena Herrera geborene und als Tochter kubanischen Einwanderer im berüchtigten Viertel Hell's Kitchen in New York City aufgewachsen und zur berühmten Hollywood Diva aufgestiegen ist. Und diese Geschichte ist wahrlich fesselnd! Evelyn erkennt sehr schnell, dass sie mit ihrem Aussehen die Männer um den Finger wickeln und daraus ihre Vorteile ziehen kann. Ihr Traum Schauspielerin zu werden und aus Hells Kitchen wegzukommen, gelingt ihr mit viel Engagement und Talent.
Ich hatte durchgehend das Gefühl Evelyn Hugo ist keine fiktive Figur, die die Autorin erschaffen hat, sondern eine reale Person. Instinktiv denkt man dabei an Elizabeth Taylor oder Marilyn Monore - Ikonen dieser Zeit, in der auch unsere Evelyn Hugo berühmt wird.
Doch welche Opfer oftmals erbracht werden, um genug Publicity zu haben und nicht vom Film-Olymp gestoßen zu werden, weiß man als Außenstehender nicht und zeigt uns dieser Roman. Man blickt hinter die Kulissen und Abgründe des Showbusiness.
Dabei begleiten wir Evelyn Hugo von den Fünfziger Jahren bis in die Achziger und natürlich in die Gegenwart des Buches, dem Jahr 2017.

Die Geschichte springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, ohne jedoch zu sprunghaft zu wirken. Im Handlungsstrang aus dem Jahre 2017 erfahren wir mehr über Monique und nehmen teil am Interview der Filmikone, die ihr aus ihrem Leben erzählt. Dazwischen gibt es Zeitungsausschnitte aus den verschiedenen Klatschpressen...einfach herrlich!

Die Charaktere wurden von Taylor Jenkins Reid wunderbar gezeichnet. Sie sind vielschichtig und interessant. Evelyn ist nicht unbedingt eine Sympathieträgerin. Sie schätzt sich selbst nicht als Gutmensch ein, jedoch hat sie immer versucht ihre Familie zu schützen. Um Jahrzehnte in Hollywood bestehen zu können, muss man auch ab und zu Kompromisse eingehen, die Überwindung kosten.
Evelyn ist eine sehr facettenreiche Frau. Hingegen blieb mir Monique etwas zu blass.

Die Geschichte ist in sieben Teile aufgeteilt: ein Teil für jeden Ehemann. Taylor Jenkins Reid blickt nicht nur hinter die Kulissen der Filmbranche, sondern hat auch Themen, wie Rassismus und LGBTQ miteingewoben. Dabei erleben wir auch die (kaum wahrnehmbaren) Veränderungen zu diesen Themen über 30 Jahre hinweg.
Ich habe das Buch innerhalb kurzer Zeit inhaliert und empfehle es gerne weiter!

Fazit:
Zu Recht ein gehyptes Buch, das mich trotz des Themas wirklich fesseln konnte. Die Geschichte entwickelt einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 06.08.2022

In der Wildnis Afrikas

Frühstück mit Elefanten
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Spannend und äußerst interessant erzählt Gesa zuerst über ihr Leben in Berlin und ihr Gefühl irgendwann falsch abgebogen zu sein. Sie fühlt sich wie in einem Hamsterrad und träumt immer mehr davon etwas ...

Spannend und äußerst interessant erzählt Gesa zuerst über ihr Leben in Berlin und ihr Gefühl irgendwann falsch abgebogen zu sein. Sie fühlt sich wie in einem Hamsterrad und träumt immer mehr davon etwas völlig anderes zu machen. In ihr wächst der Wunsch heran, in Afrika eine Ausbildung zur Rangerin zu absolvieren. Gesa geht nicht blauäugig an dieses Abenteuer heran, sondern macht sich lange Gedanken darüber. Trotzdem spürt man eine Spur Naivität durch, als sie im Camp ankommt und ihre Ausbildung beginnt. Gleichzeitig spüren wir ihre Sorgen und ihre Unsicherheit. Das macht sie umso menschlicher, denn es gehört großer Mut dazu sein gewohntes Leben hinter sich zu lassen.
Wir alle haben doch hin und wieder den Wunsch auszubrechen und seinen Traum zu leben. Doch an der Umsetzung hapert es dann meistens...nur wer wirklich gänzlich dahinter steht, wird das Abenteuer auch beginnen.

Gesa hat sich diesen Wunsch erfüllt und sich ein Jahr Auszeit genommen. In dieser Zeit möchte sie eine Ranger-Ausbildung absolvieren und über ihr Leben und ihre Ziele nachdenken. Ich muss zugeben, dass mich der schwarze Kontinent nicht wirklich reizt. Mich zieht es eher nach Neuseeland oder Asien, aber die bildhaften Beschreibungen der afrikanischen Wildnis und Tierwelt haben mich sofort in den Bann geschlagen. Die Erfahrungen, die Gesa macht, sind spannend erzählt. Man fühlt sich direkt mit der jungen Frau verbunden und begleitet sie bei ihren Abenteuern. Gemeinsam schwitzt man vor den Prüfungen, die sie ablegen muss, sitzt aber auch mit ihr am Lagerfeuer, schaut einem Elefanten ins Auge und nimmt wieder einmal Abschied von einem liebgewonnenen Reisebegleiter. Man fühlt sich jederzeit wie mitten drin im Abenteuer.

Der Schreibstil ist locker und leicht zu lesen. Gesa Neitzel beschreibt die Landschaft, die Tier- und Pflanzenwelt und die Menschen, denen sie während ihrer Ausbildung begegnet, sehr bildhaft und empathisch. Die Schönheit der Wildnis wirkte auf mich als Leser äußerst lebendig beschrieben. Das enorme Wissen, das sich Gesa in dieser Zeit über die Natur aneignete, ist bemerkenswert. Nach ihrer Zeit in Afrika lebt Gesa nach ihrem neuem Motto: Lebe den Augenblick.

In der Mitte des Buches findet man Fotos von Gesas Stationen in Botswana, Südafrika, Namibia und ihren Urlaub auf Sansibar.

Fazit:
Ein lesenswerter Erlebnisbericht einer jungen Frau, die sich auf die Suche nach sich selbst begibt und eine Rangerausbildung in Afrika absolviert. Spannend und lebendig erzählt.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Fesselnd bis zum Schluss

Kaltherz
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Den Thriller habe ich innerhalb von zwei Tagen durchgelesen, denn "Kaltherz" bietet neben Spannung und zahlreichen Wendungen auch facettenreiche Figuren.

Als Clara Lippmann ihre fünfjährige Tochter Marie ...

Den Thriller habe ich innerhalb von zwei Tagen durchgelesen, denn "Kaltherz" bietet neben Spannung und zahlreichen Wendungen auch facettenreiche Figuren.

Als Clara Lippmann ihre fünfjährige Tochter Marie alleine im Auto zurücklässt, um die Toilette aufzusuchen, ist das Mädchen bei ihrer Rückkehr spurlos verschwunden. Die bereits angeschlagene Ehe der Lippmanns gerät noch mehr ins Wanken. Clara ist psychisch labil und leidet an Schuldgefühlen. Sie begeht einen Selbstmordversuch und landet im Krankenhaus, während ihr Ehemann Jürgen seine Karriere noch mehr voranzutreiben versucht. Nach vier Monaten hat die Polizei noch keinerlei weitere Hinweise, als der leitende Kommissar an einem plötzlichen Herztod verstirbt. Kim Lansky erhält ihre letzte Chance sich zu beweisen, nachdem sie aus anderen Abteilungen wegen ihrer unkonventionellen Art geflogen ist. Ihre Ansicht von Recht und Gerechtigkeit steht nicht immer im Einklang mit dem Gesetzbuch. Sie kommt aus einem schwachen sozialen Umfeld, was ihr gleichzeitig auch einige Vorteile verschafft, weil sie genau weiß, wie Menschen aus dieser sozialen Schicht handeln. Kommissar Rizzi, der aus demselben Umfeld kommt und seit ihrer Kindheit ein guter Freund ist, holt Kim in die Abteilung für Vermisstenfälle. Und es dauert nicht lange bis Lansky eine Spur findet....

Henri Faber schreibt schlicht, aber fesselnd und dynamisch. Der Thriller ist in fünf Teile gegliedert. Die kurzen Kapitel animieren zum sofortigen weiterlesen. Henri Faber hat einen ziemlich komplexen und raffinierten Plot aufgebaut, der mit vielen Wendungen überrascht. Auch der Titel des Buches wird erklärt, was ich immer als ein schönes Detail empfinde.
Der Autor lässt die einzelnen Figuren aus der Ich-Perspektive erzählen. Besonders interessant fand ich dabei den Einblick in Maries Gedankenwelt. Ihre Sicht der Dinge wurden sehr authentisch geschildert.
Aber auch die restlichen Charaktere sind intensiv dargestellt und sehr facettenreich. Der Thriller ist voller unerwarteter Wendungen und konnte mich absolut fesseln. Wie auch schon bei "Ausweglos" ist von Anfang an nichts, wie es zu sein scheint.

Es gibt auch kleine Kritikpunkte. Manchmal fand ich einzelne Figuren doch etwas überzeichnet. Und warum haben wir hier schon wieder eine kaputte Ermittlerin? Außerdem mochte ich die unangebrachten Aussagen des Autors zu Frauen, die Mode von der Stange anziehen oder deren Gegenteil "aufgebrezelten Business-Barbies" sind, nicht. Diese abfälligen Bemerkungen gab es nur gegenüber weiblichen Figuren, während dies bei männlichen nie vorkam. Normalerweise fallen mir solche Dinge nicht auf, aber hier empfand ich die negativen Bewertungen von weiblichen Äußerlichkeiten unangebracht. Dies fand ich ein wenig schade, auch wenn dies wohl gerade Meckern auf hohem Niveau ist.

Das Ende hält einige Überraschungen bereit und wirklich alle ungeklärten Fragen wurden zufriedenstellend beantwortet.

Fazit:
Ein spannender Psychothriller, der mit zahlreichen überraschenden Wendungen und facettenreichen Figuren glänzt. Ich empfehle "Kaltherz" gerne weiter.

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Veröffentlicht am 17.07.2022

Frauenrechte, Gift, Menschenhandel - alles vereint

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Glück der Kinder (Hafenärztin 2)
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Nachdem mich der erste Band der Hafenärztin Anne Fitzpatrick sehr positiv überrascht hat, wartete ich schon gespannt auf Teil zwei. Der Mix aus historischen Roman und Krimi hat es mir nämlich angetan.

Zu ...

Nachdem mich der erste Band der Hafenärztin Anne Fitzpatrick sehr positiv überrascht hat, wartete ich schon gespannt auf Teil zwei. Der Mix aus historischen Roman und Krimi hat es mir nämlich angetan.

Zu Beginn der Geschichte befinden wir uns im Jahre 1911. Der Generaldirektor der Hapag, Albert Ballin, hat zur Jahrhundertwende Massenunterkünfte für Auswanderer erschaffen.
Ich war 2019 im Auswanderer-Museum in Hamburg und hatte dadurch diese Szenen lebhaft vor Augen. Anne Fitzpatrick kümmert sich als Vertretung von Doktor Tergit in den Auswandererhallen um die Menschen, ihre Bekannte Helene Curtius ist als Praktikantin während ihrer Lehrerinnenausbildung ebenfalls vor Ort. Als es unter den Kindern zu ungewöhnlichen Todesfällen kommt, versucht Anne herauszufinden, was hinter den plötzlichen Erkrankungen und Todesfällen stecken könnte....

Ich war wieder sehr schnell mitten im Geschehen und habe das Buch kaum aus der Hand legen können. Abwechselnd wird aus der Sicht von Anne, Helene und Kommissar Berthold Rheydt erzählt. Alle drei Hauptfiguren sind interessante Charaktere und wunderbar gezeichnet. Durch den Perspektivenwechsel fühlt und fiebert man als Leser mit ihnen mit.
Der Zeitgeist wurde von der Autorin ganz wunderbar eingefangen. Henrike Engel schreibt temporeich, atmosphärisch und bildhaft. Neben dem Krimianteil steht wieder die Frauenbewegung im Vordergrund. Als Leser dürfen wir sogar hautnah beim ersten Frauentag am 19. März 1911 in Hamburg mit dabei sein.

Anne Fitzpatrick betreibt in der Zwischenzeit eine eigene kleine Praxis nahe des Gängeviertels. Noch immer schlägt ihr Argwohn entgegen, vorallem vom medizinischen Personal in den Auswandererhallen. Doch auch von anderer Seite weht ihr ein starker Gegenwind entgegen....
Helene ist bereits im letzten Drittel ihrer Lehrerinnenausbildung angekommen. Sie plagen jedoch plötzlich Zweifel, ob sie den richtigen Beruf gewählt hat. Zu Herzen geht ihr auch die baldige Verlobung ihrer besten Freundin Paulina. Sie kann den zukünftigen Mann ihrer Freundin nicht ausstehen und befürchtet Paulina dadurch zu verlieren. Helene rückt in diesem zweiten Teil noch mehr in den Vordergrund und sticht dabei Anne fast aus. Aus der verwöhnten, aber widerspenstigen Pastorentochter ist eine engagierte und willenstarke Frau geworden. Sie steht an einem Scheideweg und versucht herauszufinden, wer sie in Zukunft sein möchte.
Auch Berthold Rheydt hat seine Dämonen noch nicht abgelegt. Er sieht noch immer seine verstorbene Frau und seinen Sohn in einigen Situationen vor sich. Doch es scheint sich ein neues Glück für ihn anzubahnen...in der Liebe und im Fußballspiel. Erstmals darf er im Hauptkader von St.Pauli mitspielen.

In "Ein Leben für das Glück der Kinder" hat Rheydt es gleich mit zwei Mordfällen zu tun, die einen gemeinsamen Schnittpunkt haben. Bis dieser gefunden wird, dauert es jeodch einige Zeit.
Die Kriminaltechnik dieser Zeit ist richtig spannend. Rheydt ist einer der ersten, der die Finderabdrücke, die damals noch auf Karteikarten verglichen werden, analysiert.
Mord, Gift, Frauenhandel und skrupellose Zuhälter, militante Frauen, sowie eine alte Fehde beherrschen diesen zweiten Teil. Das Finale ist an Dramatik kaum zu überbieten und gipfelt in einem Showdown, der fast an heute Actionsthriller erinnert.

Fazit:
Auch der zweite Band um die Hafenärztin Anne Fitzpatrick lässt es nicht an Spannung mangeln. Neben den Morden und anderen kriminellen Machenschaften steht auch wieder die Frauenbewegung im Vordergrund. Atmosphärisch dicht und dem Zeitgeist hervorragend angepasst, ist diese Reihe wirklich gelungen. Ich freue mich schon auf den finalen Band im November.

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Veröffentlicht am 14.07.2022

Frauenpower mit Tiefgang und subtiler Ironie

Eine Frage der Chemie
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Der Roman von Bonnie Garmus ist endlich wieder einmal etwas ganz anderes, als der Einheitsbrei, der oftmals in den Buchhandlungen aufliegt. Chemie - ein Thema, das viele weniger anspricht...doch hier stimmt ...

Der Roman von Bonnie Garmus ist endlich wieder einmal etwas ganz anderes, als der Einheitsbrei, der oftmals in den Buchhandlungen aufliegt. Chemie - ein Thema, das viele weniger anspricht...doch hier stimmt ganz einfach die Chemie!

In "Eine Frage der Chemie" befinden wir uns in den späten 50iger und frühen 60iger Jahre in den Vereingten Staaten. Elisabeth Zott hat ihr Chemiestudium mit Auszeichnung beendet, doch der Doktortitel bleibt ihr verwehrt. Die Männer sind der Ansicht, dass Frauen an den Herd oder höchstens hinter die Schreibmaschine im Vorzimmer gehören, aber nicht als Wissenschaftlerin arbeiten sollen. Doch Elisabeth ist damit nicht zufrieden und auch nicht auf den Mund gefallen. Ihr Fachgebiet ist die Abiogenese (Mechanismen, die die Entstehung von Lebenwesen aus anorganischen und organischen Stoffen aufgrund naturwissenschaflitcher Hypothesen erklären). Ihre Arbeit wird jedoch nicht ernstgenommen und statt einen Arbeitsplatz als Chemikerin, bekommt sie im Forschungsinstitut Hasting den der Laborassistentin - obwohl sie viel klüger als ihre männlichen Kollegen ist. Immer wieder ist Elisabeth den Intrigen und Übergriffen ihrer männlichen Kollegen ausgesetzt. Einzig der für den Nobelpreis vorgeschlagene Chemiker Calvon Evans erkennt ihre Fähigkeiten. Die Chemie zwischen den beiden Außenseitern stimmt perfekt und die beiden Wissenschaftler werden ein Paar. Doch das Glück endet jäh und Elisabeth muss sich als Alleinerzieherin durchs Leben schlagen....

Bonnie Garmus hat einen ganz besonderen Erzählstil. Ihre subtile Ironie mochte ich sehr. Der Roman ist eine gelungene Mischung aus schwarzem Humor und Tiefgang. Dazu kommt etwas märchenhaftes und skurrilles. Das große Thema ist aber die Diskriminierung der Frauen. Trotzdem ist es kein Emanzenroman.
Elisabeth kämpft gegen diese Benachteiligung und gibt den Frauen durch ihre TV-Präsenz in "Essen um sechs" Mut und Selbstvertrauen. Dabei greift sie zu Mittel, die sie kennt: chemische Reaktionen. Kochen ist für Elisabeth eine dieser Reaktionen, denn Chemie bedeutet Veränderung der Zustände. Durch die Blume fordert Elisabeth ihre Geschlechtsgenossinnen auf ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich musste mich immer wieder selbst fragen, wie weit die Emanzipation in diesen siebzig Jahren fortgeschritten ist und sehe leider noch immer so einige Parallelen zu damals. Wenn man sich in der Weltgeschichte umsieht, hat man sogar das Gefühl, dass sich vieles wieder rückwärts bewegt....

Elisabeth Zott ist eine Realistin und Atheistin. Sie will nicht verstehen, warum es Frauen nicht möglich gemacht wird, in denselben Berufen wie Männer zu arbeiten oder sich bestimmten Rollenbildern unterzuordnen. Sie stellt Strukturen und Machtverhältnisse in Frage. Sie ist eine ungewöhnliche, starke und inspirierende Frau, die jedoch auch manchmal etwas eigenartig wirkt. Sie lässt sich nicht unterkriegen und verliert nie den Mut für ihre Ideale zu kämpfen.
Ganz besonders habe ich aber Halbsieben ins Herz geschlossen - der etwas andere vierbeinige Begleiter.
Einige Handlungen sollte man vielleicht nicht wirklich hinterfragen, wie die etwas andere Kochshow, die Elisabeth Erfolg bringt. Hierzulande hätte diese wohl keinen großen Erfolg gehabt..... Auch die Beziehung zu Halbsieben oder ihrer hochbegabten Tochter Mad(eleine) fand ich oftmals fragwürdig. Vieles ist überzeichnet und wirkt skurrill.
Einige kleine Längen im Mittelteil werden durch den insgesamt charmanten Schreibstil wieder schnell vergessen.....Ich empfehle "Eine Frage der Chemie" sehr gerne weiter.


Fazit:
Ein etwas anderer Roman mit einer starken und inspirierenden Protagonistin. Die Geschichte hat Tiefgang, beinhaltet aber auch eine subtile Ironie, die man selten findet. Märchenhafte oder überzeichnete Passagen werden durch den ganz besonderen Erzählstil der Autorin und dem Thema Gleichberechtigung abgeschwächt. Ich empfehle diese vielschichtige Geschichte gerne weiter!

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