Ein tiefer Blick in die heutige Gesellschaft Südkoreas
Bak Minu und Dschong Uhi, die beiden so unterschiedlichen Charaktere, leben und arbeiten in Südkoreas Megacity Seoul. Eine Stadt der Gegensätze. Während die einen am Rande stehen, bis zur Erschöpfung arbeiten ...
Bak Minu und Dschong Uhi, die beiden so unterschiedlichen Charaktere, leben und arbeiten in Südkoreas Megacity Seoul. Eine Stadt der Gegensätze. Während die einen am Rande stehen, bis zur Erschöpfung arbeiten und doch nie viel haben werden, haben die anderen keinerlei Existenzsorgen.
Gleich mal begegnen wir Minu, dem erfolgreichen Architekten. In den Slums aufgewachsen, kennt er den täglichen Kampf ums Überleben nur zu gut. Sein Blick zurück zeigt anschaulich, wie es damals war, als er noch unter denen in den Armutsvierteln lebte, immer wieder abgelöst von den heutigen Bildern, von seinem einsamen Leben. Die Familie ist weg, er hatte sowieso keine Zeit für sie, die Arbeit stand stets im Vordergrund. Gefühle werden nicht gezeigt, man lächelt über alles hinweg.
Dem Theater gehört Uhis ganze Leidenschaft, auch wenn sie ihren Lebensunterhalt anderweitig bestreiten muss. Bis zur Erschöpfung malocht sie sich von Job zu Job, ihre Wohnung ist eher eine heruntergekommene Schlafstätte.
Hwang Sok-yong zeichnet anhand dieser beiden Charaktere ein nüchternes Bild der koreanischen Gesellschaft. Am Ende seines arbeitsreichen Lebens erkennt Minu, was er hätte anders, was er hätte besser machen können. "...Ich war ja doch auch ein anderer geworden, mein Horizont war ein anderer und damit auch mein Gefühlshaushalt..." Auch die Ausbeutung derer, die sich am Rande der Gesellschaft befinden, ist stets präsent und mit Uhi sehr anschaulich geschildert. Ihre Rechte stehen lediglich auf dem Papier, Arbeitsvertrag hin oder her. Wer nicht spurt, kann gehen. Der Nächste wartet schon.
Der Autor setzte sich schon früh für die Rechte der Arbeiter ein, war aktiv in der Demokratiebewegung, seine Werke erzählen davon. „Vertraute Welt“ habe ich von ihm gelesen, ich habe hineingeblickt in diese Welt der Gegensätze. Das Hineinfinden in seine „Dämmerstunde“ hat schon etwas gedauert, an die nüchterne und sprunghafte Erzählweise musste ich mich erst gewöhnen. Dranbleiben lohnt sich, vieles erschließt sich nach und nach, die Zusammenhänge werden sichtbar. Die anfangs so unnahbaren Figuren werden zugänglicher, der Erzählstil bleibt zwar kühl und doch begreift man deren Tun, nimmt an deren Leben teil.
„Dämmerstunde“ ist kein Buch, das man nebenbei liest. Die schnell wechselnden Zeitebenen fordern volle Aufmerksamkeit, es ist ein intensiver Blick ins heutige Südkorea, in eine für uns so fremde Welt.