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Veröffentlicht am 15.07.2022

Entschleunigung

Achtsam morden
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Mit einem guten Examen wird man Anwalt und irgendwann Partner. Das jedenfalls war der Karriereplan von Björn Diemel. Jetzt ist er nach zehn Jahren immer noch angestellter Anwalt mit einem Mandanten, den ...


Mit einem guten Examen wird man Anwalt und irgendwann Partner. Das jedenfalls war der Karriereplan von Björn Diemel. Jetzt ist er nach zehn Jahren immer noch angestellter Anwalt mit einem Mandanten, den eigentlich keiner will. Zu allem Überfluss stellt ihm seine Frau auch noch ein Ultimatum. Wenn er nicht an diesem Achtsamkeitskurs teilnimmt, wird er seine Tochter nicht mehr sehen. Der Mafiaboss Dragan steckt mal wieder in der Klemme, er wurde gefilmt, wie er ein Mitglied einer anderen mafiösen Vereinigung tötet. Björn muss ihm helfen. Dass er gerade ein Wochenende mit seiner Tochter begonnen hat, ist kein Hinderungsgrund.

Mit seinem Debütroman stellt der Autor eine besondere Art von Mörder vor. Denn Anwalt Björn Diemel soll und will eigentlich seine Ehe retten, will ein entspanntes Wochenende mit seiner Tochter verbringen und unversehens hat er einen Mandanten an der Backe, der sich selbst des Mordes überführt hat. Doch Diemel hat ja den Weg der Achtsamkeit gelernt und so setzt er Prioritäten. Seine Tochter ist einfach wichtiger als ein windiger Gangster, der sowohl Anwalt als auch dessen Kind bedroht. Das Ergebnis dieser Achtsamkeitsübung besteht in einem toten Verbrecher, der von der Bildfläche verschwinden muss.

Wenn man sich erstmal in die ungewöhnliche Kombination aus Achtsamkeit und Verbrechen hineingelesen hat, ist die Lektüre dieses Thrillers sehr amüsant. Der Anwalt Björn Diemel gibt dabei eine sympathische Vaterfigur, wenn man auch manchmal denkt, ein integer hätte auch was. Doch wie er sich mit seiner neuen Rolle als Mörder zurechtfindet und findig Lösungen für jedes Problem präsentiert, ist sehr erfrischend zu lesen. Einfach mal etwas anderes genießen, einen Roman, der mit den hergebrachten Vorstellungen spielt und einen anderen Ansatz aufzeigt. Nebenbei kann man noch ein paar Übungen der Achtsamkeit durchführen. Vielleicht kehrt man auch gerne zu einem normalen Krimi zurück, aber missen möchte man die Erfahrung dieses etwas anderen Thrillers auf keinen Fall.

Veröffentlicht am 14.07.2022

Grundatz

Richter morden besser
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Einen idealistischen Richter, der Karriere macht, gibt es nicht. Davon kann Siggi Buckmann ein Lied singen. Er ist ist mit über fünfzig noch einfacher Richter am Amtsgericht. Neben den Urteilen, die er ...

Einen idealistischen Richter, der Karriere macht, gibt es nicht. Davon kann Siggi Buckmann ein Lied singen. Er ist ist mit über fünfzig noch einfacher Richter am Amtsgericht. Neben den Urteilen, die er spricht und die oftmals vorm Landgericht abgeschwächt werden, stellt er Listen über die Kollegen auf, welche so vorhersehbar handeln wie nur was. Doch dann stirbt der Junkie Fredi an einer falschen Dosierung. Buckmann ist wirklich betroffen. Er kannte Fredi, der nach einem Schicksalsschlag abgestürzt ist, schon ewig. Und Fredi hat Buckmanns Tochter mal aus einer üblen Klemme geholfen. So etwas vergisst der Richter Siggi Buckmann nicht.

Es würde nicht wundern, wenn aus diesem Romandebüt eine Reihe würde. Das Leben des Amtsrichters Siggi Buckmann verläuft eigentlich in ruhigen Bahnen. Er spricht seine Urteile, er weiß, wie es läuft, und er hat sich damit arrangiert. Seine Ehe ist im Guten auseinander gegangen und er hat zwei tolle Töchter, die studieren. Über das System macht er sich manchmal lustig, aber er lebt damit. Bis Fredi einfach so zu Tode kommt, der dritte Junkie in kurzer Zeit. Ein guter Mensch. Buckmann veranlasst, dass in dem Fall ermittelt wird. Doch irgendwie scheint nicht gewollt zu sein, dass die Verantwortlichen an Fredis Versterben zur Rechenschaft gezogen werden.

Wenn man auch nur irgendetwas mit rechtlichen Dingen zu tun hat, weiß man, dass der Grundsatz immer auch eine Ausnahme beinhaltet. Und so fragt man sich nach dem Lesen des Klappentextes, warum und wie der Amtsrichter Buckmann dazu kommt, den Grundsatz zu überdenken. Ist es wirklich nur der plötzliche und unnötige Tod von Fredi, den der Richter über die Jahre gehegt und gepflegt hat, wenn er ihn schon nicht von der Sucht befreien konnte. Oder hat da vielleicht ein Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht? Man mag ja im System zurecht kommen, aber man muss es nicht mögen. Und mit über Fünfzig neigt sich das Arbeitsleben dem Ende zu, da kann man schon mal etwas unleidlich werden. Dann sucht man sich eine ganz andere Tätigkeit, ein Hobby oder man beginnt, die Grundsätze zu überdenken. Es ist nicht ganz klar, ob man die Verwaltungsstrukturen kennen muss, um den Reiz des Buches genießen zu können. Ist dies jedoch der Fall, wird man so manches mal zustimmend schmunzeln. Und wenn es ans Eingemachte geht, wird einem das Lachen auch mal im Halse stecken bleiben. So oder so wird man mit diesem etwas ironisch sarkastischen Kriminalroman sehr gut unterhalten.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Auf der Alm

Gefährliche Treue. Lorenz Lovis ermittelt
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sollte es eigentlich keine Sünde geben. Privatdetektiv, Bauer und ehemaliger Polizist Lorenz Lovis nimmt sich eine kleine Auszeit auf der Alm seines verstorbenen Onkels. Mit dabei sind seine drei jugendlichen ...

sollte es eigentlich keine Sünde geben. Privatdetektiv, Bauer und ehemaliger Polizist Lorenz Lovis nimmt sich eine kleine Auszeit auf der Alm seines verstorbenen Onkels. Mit dabei sind seine drei jugendlichen Hilfssheriffs. Gemeinsam mit ihnen soll er den Pilzdieb finden, der den Einheimischen das kostbare Gut vor der Nase wegschnappt. Verdächtig ist ein Italiener, der sich in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit schon mit etlichen der Südtiroler Dorfbewohner angelegt hat. Doch dann wird die Frau seines alten Schulfreunds, des Wieser Michl, tot aufgefunden. Zwischen den Eheleuten herrschte keine Zwietracht und doch wird Michl als Mordverdächtiger verhaftet.

Die Brixen Krimis um Lorenz Lovis gehen hiermit in die dritte Runde. Lorenz Lovis, den nur seine Freundin Angelika Lollo nennen darf, ist noch nicht ganz angekommen in seinem Leben als Bauer und Hoferbe. Seinen ehemaligen Chef vermisst er allerdings kein bisschen. Nur seinen Freund und Kollegen Scatolin würde er gerne häufiger sehen. Schwierig wird es beim Ermitteln, denn eigentlich darf Scatolin ihm keine Informationen geben, aber so manches sickert doch durch. Nur wenn Lovis mal wieder unter die Verdächtigen gerät, kann Scatolin ihm nicht helfen. Ihr damaliger gemeinsamer Vorgesetzter möchte Lovis nur allzu gerne was ans Zeug flicken. Und was, wenn es ihm gelingt?

Auch bei ihrem dritten Auftritt nutzen sich die Erlebnisse von Lorenz Lovis und seinem Team nicht ab. Die Jungs sind pfiffig und angemessen abenteuerlustig. Lorenz ist froh, dass seine Mitarbeiter bei der Bewirtschaftung des Hofes helfen. So hat er Zeit die Muße auf der Alm zu genießen, was ihm jedoch nicht lange vergönnt ist. Das Gerede um den Dieb nimmt kein Ende und die Dörfler möchten endlich wissen, wer der Übeltäter ist. Sollte der Pilzdieb etwa auch den Mord begangen haben? Nach einigen Momenten des Tappens im Dunklen wird es nach und nach richtig spannend. Wenn alle Verdächtigen nicht richtig verdächtig sind, nicht einmal Lorenz, frag man sich, wer noch übrig bleibt. Doch selbst wenn man eine Ahnung hat, ist das Treiben des liebenswerten Detektivteams so sympathisch beschrieben, dass man dennoch gefesselt weiterliest. Hinzu kommen noch die sehr anschaulichen Landschaftsbilder, die neugierig auf einen echten Besuch im schönen Südtirol machen.

Veröffentlicht am 29.06.2022

Ein Schmöker

Die Diplomatin
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Fred hat es geschafft. Sie ist die erste in der Familie, die studiert hat, Jura. Und sie hat noch etwas geschafft, sie ist Konsulin im diplomatischen Dienst. Mit knapp Fünfzig, eine steile Beamtenkarriere. ...

Fred hat es geschafft. Sie ist die erste in der Familie, die studiert hat, Jura. Und sie hat noch etwas geschafft, sie ist Konsulin im diplomatischen Dienst. Mit knapp Fünfzig, eine steile Beamtenkarriere. Ihr Einsatz in Montevideo ist so schön, dass es eher langweilig ist. Doch als eine deutsche Touristin stirbt, fühlt es sich wie ein Versagen an. Sieht das auch ihr Arbeitgeber so? Jedenfalls wird sie nach Istanbul versetzt. Das liegt jedenfalls mehr am Geschehen. Ein Fortschritt allerdings, der sich als trügerisch erweisen kann. Das muss Fred ziemlich schnell feststellen als sie versucht, einen türkischstämmigen jungen Mann mit deutschem Paß vor dem Gefängnis bewahren will.

Ein wenig erinnert diese Diplomatin an die TV-Diplomatin. Auch sie mischt sich ein, hat Ideale und eine gewisse Vorstellung vom diplomatischen Dienst. Allerdings kommt Fred nicht umhin zu merken, dass sich ihre Vorstellungen nicht immer in der Wirklichkeit widerspiegeln. Schon bei dem Vorfall in Montevideo, wo sie sich etwas unglücklich anstellt, spürt sie einen kleinen Knacks. Richtig auf die Probe gestellt werden ihre diplomatischen Fähigkeiten, die sie am liebsten manchmal für deutliche Worte über Bord werfen würde, jedoch in Istanbul, wo die Politik entscheidet, wer als Terrorist angesehen wird.

Ein Schmöker, sagt Elke Heidenreich. Und das ist natürlich ein Grund, das Buch sofort in die Hand zu nehmen, welches einem gerade bei der Bücherei zwischen die Finger geraten ist. Auch wenn man sich unter einem Schmöker vielleicht etwas anderes vorstellt, ist dieser Roman doch sehr spannend. Für einen Schmöker mangelt es ein wenig an Leichtigkeit und undiplomatischer Krimihandlung. Dafür bekommt man einen interessanten Einblick in den diplomatischen Dienst und einen Eindruck von den kafkaesken Verhältnissen in einem gewissen Land, wenn es darum geht, unliebsame Menschen weg zu sperren. Natürlich entscheiden dann nicht Tatsachen über den Status, sondern der politische Wille. Dass die Diplomatin beginnt, an ihrem Beruf zu zweifeln, ist irgendwie kein Wunder. Ein Stück möglicher Wirklichkeit mal aus einer ganz anderen Perspektive. Man kann gut nachvollziehen, dass das Buch Elke Heidenreich gefallen hat.

Veröffentlicht am 26.06.2022

Die Unendlichkeit

Ein Versprechen aus dunkler Zeit
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Nun ist John Rebus schon eine Weile in Pension. Wegen seiner Lungenerkrankung hat er die Gelegenheit wahrgenommen, ins Erdgeschoss zu ziehen. Etwas, worauf er wirklich keine Lust hatte, aber wenn im selben ...

Nun ist John Rebus schon eine Weile in Pension. Wegen seiner Lungenerkrankung hat er die Gelegenheit wahrgenommen, ins Erdgeschoss zu ziehen. Etwas, worauf er wirklich keine Lust hatte, aber wenn im selben Haus eine bequemere Wohnung frei wird, muss man einfach zuschlagen. Als sich seine Tochter aus dem Norden meldet und berichtet, dass ihr Lebensgefährte verschwunden ist, stehen noch die ganzen Kisten rum. Natürlich fährt Rebus trotzdem sofort los, um zu helfen. In Edinburgh ist einer der jungen reichen Schönen tot aufgefunden worden, wobei sich die Ermittlungen in diesem Mord als brisant erweisen eben wegen der Verbindungen des Verstorbenen als brisant erweisen könnten.

In seinem 23. Fall um John Rebus hat der Autor seine Protagonisten Rebus und Malcolm Fox erneut zusammengeführt. Das Verschwinden von Samanthas Lebensgefährten macht John schon zu schaffen. Die Beziehung zu seiner Tochter ist eh nicht die Einfachste und Rebus ist klar, wenn etwas Schlimmeres passiert sein sollte, wird Sam die erste Verdächtige. In Edinburgh bricht Siobhan Clarke derweil ihren Urlaub ab, in dem sie Rebus beim Umzug helfen wollte. Der Mord an dem reichen jungen Mann ist einfach zu mysteriös und warum hat die vorgesetzte Behörde Malcolm Fox geschickt, um die Nachforschungen zu unterstützen?

Zum Glück erklärt der Autor genug, damit man den Fall auch ohne Vorkenntnis der kompletten Rehei verstehen kann. Dennoch ist es günstig, wenn man sich wenigstens ein wenig in Rebus’ Welt auskennt. Zwar entwickelt sich der Fall etwas langsam, was möglicherweise eher ein Markenzeichen als ein Manko ist, aber die Zusammenhänge sind so geschickt verwickelt, dass man immer neugierig bleibt. Die Sorge um seine Tochter, ist Rebus anzumerken. Dass die Beiden darüber in Streit geraten, kein Wunder. Dennoch bleibt Rebus der Ermittler, der die Wahrheit sucht, auch wenn er tatsächlich Angst vor dem Ergebnis hat. Da haben Clarke und Fox, die sich gegenseitig belauern, mehr Distanz. Doch gerade Clarkes gradlinige Untersuchung führt immer wieder zu entscheidenden Entdeckungen. Ian Rankin steht für sorgfältig ausgearbeitete intelligente Kriminalromane, die gerne wiedergelesen werden können.