Liebe Daisy,
inmitten all der Dinge, die getan werden sollten, hat mich letztens ein Jugendbuch gefunden, das ich dir gerne vorstellen möchte: 18, pleite und planlos, aber immerhin sehen wir gut dabei aus von Bettina Brömme. Arena hat ja häufig Bücher mit gutem Zug, also wollte ich diesem hier unbedingt eine Chance geben.
Unsere Protagonistin ist Franziska, meistens Franzi genannt, gerade 18 geworden und kurz vor dem Abitur stehend. Damit einher geht natürlich die (sehr nachvollziehbare) Frage, was danach kommen soll. Die neuen sozialen Medien (das Buch ist erst 2017 erschienen und diesbezüglich sehr aktuell) machen ihr die Entscheidung auch nicht leichter - sie bieten vielmehr noch zusätzliche Möglichkeiten. Die „YouTube-Academie“ (du merkst schon, Denglisch, das ist was ganz Cooles.) zum Beispiel. Die möchte Franzi unbedingt besuchen, was aber nur mit einem bestehenden und einflussreichen YouTube Kanal möglich ist. Ohne groß darüber nachzudenken, verwendet sie also zahlreiche kleine Videoprojekte von sich und ihren Freundinnen, um einen solchen zu starten. Wären da nicht die bevormundenden Eltern und der Schwarm, die sie davon ablenken würden...
Du liest es vielleicht schon etwas raus: ich war nur bedingt beeindruckt von dem Umgang mit den Medien. Der steht häufiger kurz davor, reflektiert zu werden und ich wollte mich schon freuen, aber dann hat die Autorin immer in letzter Sekunde einen Rückzieher gemacht. Franzi denkt etwa darüber nach, ob es wirklich richtig ist, Videos von Leuten, die sie nicht um deren Einwilligung gebeten hat, online zu stellen; sie verwirft diesen Gedanken aber innerhalb von drei Absätzen wieder und macht es einfach. Ohne zu viel zu verraten: meine Hoffnung, dass da noch eine Moral zum hinterfragenden Umgang mit Medien kommt, hat sich leider nicht erfüllt. Sehr schade! Zusätzlich fand ich es unrealistisch, wie viel Zeit vor dem Abi Franzi für die Konzeption eines YouTube Kanals, das Drehen von Videos, Partymachen und Jungs Kennenlernen hat. Ich weiß noch, dass selbst die Partymäuse sich bei uns zusammengenommen und gelernt haben. War das bei dir anders?
Apropos, dafür, dass ich das Buch an sich ab 14 empfehlen würde, wird Alkoholkonsum sehr glorifiziert. Jeder wie er oder sie gerne möchte, aber in dem Buch trinken alle „coolen“ Figuren und es fehlt die sympathische Identifikationsfigur, die es nicht tut. Somit entsteht der Eindruck, dass man regelmäßig und viel trinken muss, um cool zu sein, was so nicht stimmt. Diesbezüglich würde ich das Buch also eher nicht für jüngere Leserinnen und Leser empfehlen.
Noch zu den Formalien: ich hab oben schon angedeutet, dass das Buch aus Franzis Perspektive geschrieben ist. Das ist ganz spannend, weil sie so richtig Teenie ist. Zumindest fühlt es sich so an; ob man mit 18 selbst so gedacht hat, kann ich nicht mehr sagen. Schade finde ich, dass sie sehr stark dem Bella-Klischee entspricht: sie fühlt sich selbst wie die grauste aller grauen Mäuse und kann gar nicht nachvollziehen, warum alle sie lieben bzw. warum man sich in sie verlieben könnte. Nebenbei ist sie natürlich noch der Innbegriff der Herzensgüte und immer für ihre Freundinnen da. Die Figur liest sich daher etwas gewollt, und bleibt aber trotzdem eindimensional. Das trifft leider auch (und sogar noch viel mehr) auf ihre drei Freundinnen zu. Du hast vielleicht gemerkt, dass ich die bisher kaum erwähnt habe. Das liegt daran, dass ich sie beim Lesen meistens nicht mal auseinanderhalten konnte und das, obwohl sie wirklich häufig vorkamen. Sie sind, bis auf jeweils ein bis zwei charakterliche Merkmale (eine von ihnen kann z.B.: nicht mit Geld umgehen, dafür bäckt sie gut), alle gleich geschrieben. Und ihre Ausdrucksart fühlte sich beim Lesen leider aufgesetzt und nervig an. Vielleicht bin ich zu alt. Oder es liegt daran, dass ich nicht aus Bayern komme und deshalb den Charme der vielen bayrischen Ausdrücke, die die Autorin verwendet, nicht ganz nachvollziehen kann. Vielleicht war es auch eine Mischung davon. So oder so, die Figurenkonzeption hat mich leider nicht überzeugt.
Aber auch abgesehen davon bin ich über einige Dinge gestolpert. Der Schreibstil liest sich an sich ganz locker flockig (herrlich ist sowas!), aber es finden sich leider einige Anschlussfehler, die mich immer wieder aus dem Lesefluss gebracht haben. Etwa, dass Franzi die Bank verlässt, zu telefonieren beginnt und, nachdem sie auflegt, die Bank wieder verlässt. Ich hab die Stelle (S.275/276) drei Mal gelesen, bis ich mir sicher war, dass ich es richtig verstanden hatte.
Zudem fand ich es schade, dass die Autorin einiges behauptet hat, anstatt es zu zeigen: sie macht es zum Beispiel überdeutlich, dass Franzi es nicht schafft, drei normale Sätze mit ihrem Schwarm zu sprechen (was an sich sehr nachvollziehbar ist). Dann nähern sie sich doch an und führen ein normales Gespräch (S. 117). Das bekommt man aber nie zu lesen, weil es einfach nur behauptet wird. Dabei hätte ich die Entwicklung der Figur bzw. ihrer Beziehungen zu einander gerne mitbekommen.
Alles in Allem muss ich sagen, dass ich sehr zwiegespalten bin. Das Buch hatte einen guten Schwung und hat es geschafft, viele Themen abzudecken, die Jugendliche von heute wohl beschäftigten. Mein größter Kritikpunkt bleibt, dass es so wenig medienkritisch und die Figuren unzureichend entwickelt waren. Das hat den Spaß leider doch etwas rausgenommen und lässt mich keine klare Empfehlung aussprechen.
Deine Daffy