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  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 112
  • Ersterscheinung: 25.07.2022
  • ISBN: 9783446273795
Hanna Bervoets

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Roman
Rainer Kersten (Übersetzer)

Wer oder was bestimmt unsere Weltanschauung? Hanna Bervoets erzählt von den Abgründen des virtuellen Raums. „Ein fein komponierter, psychologisch scharfsinniger und subtiler Roman einer seelischen Entblößung.“ (Ian McEwan)

Mindestens 500 Beiträge pro Tag, maximal 7 Minuten Pause, beim Gang aufs Klo läuft die Stoppuhr – die Arbeitsbedingungen bei HEXA sind hart. Aber Kayleigh gefällt der neue Job, das Gehalt ist gut, und die schrecklich verstörenden Bilder, die sie für die Plattform prüfen muss, behandelt sie mit professioneller Distanz. Als sie sich in ihre Kollegin Sigrid verliebt, scheint ihr Glück vollkommen. Bis ihre Kollegen plötzlich zusammenbrechen oder Verschwörungstheorien anhängen, und Sigrid sich immer mehr distanziert. Ist Kayleigh dem Job als Einzige gewachsen? Oder merkt sie nur nicht, wie auch ihr moralischer Kompass sich auf gefährliche Weise zu verschieben beginnt?
"Dieser Beitrag wurde entfernt" ist ein faszinierender, aufwühlender Roman darüber, wer oder was bestimmt, wie wir die Welt sehen, in der wir heute leben.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.09.2022

Schöne Scheinwelt

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Wie sehr uns die Welt von Social Media beeinflusst, können wir uns als Konsumenten oft nur schwer vorstellen. Dass es denjenigen, die als Filter zwischen uns und den Produzenten unzähliger kleiner Filmchen ...

Wie sehr uns die Welt von Social Media beeinflusst, können wir uns als Konsumenten oft nur schwer vorstellen. Dass es denjenigen, die als Filter zwischen uns und den Produzenten unzähliger kleiner Filmchen und Beiträge stehen, umso schwerer fällt, sich von diesem Einfluss frei zu halten, zeigt Hanna Bervoets in ihrem kleinen, unscheinbaren Buch sehr eindrücklich.

Kayleigh arbeitet als Moderatorin einer Onlineplattform, die unangemessene Beiträge anhand fest vorgegebener Regeln bewerten und gegebenenfalls aussortieren soll. Wie sehr sich diese strengen Vorgaben nach und nach in ihren Alltag einschleichen bemerkt sie anfangs gar nicht, bis es zu spät ist.

Ich liebe kurze Texte und Bücher, weil sie die Essenz stark komprimiert einfangen. Genau das ist auch hier hervorragend gelungen. Die Geschichte liest sich unheimlich intensiv, jeder Satz sitzt und trifft ins Schwarze.

Natürlich bleibt für eine gründliche Figurenentwicklung nicht viel Zeit, trotzdem ist der Autorin mit Kayleigh eine sehr plastische, die Story tragende Protagonistin gelungen, die viele Grauschattierungen in sich vereint. Sie ist definitiv keine Heldin, als Antiheldin würde ich sie aber auch nicht bezeichnen.

Insgesamt bietet die Geschichte einen wundervollen Einblick hinter die Kulissen der schönen Scheinwelt von Online-Videoplattformen und blickt sehr tief in die menschlichen Abgründe, die das Netz mit seinen sehr fluiden Regeln und Grenzen täglich ausweitet und bestärkt.

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Porträt der Arbeitswelt im digitalen Zeitalter

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Dieser Beitrag wurde entfernt. Das ist ein Satz, dem jeder von uns im Internet schon begegnet ist. Aber wissen wir auch, was dahinter steht und wer da was entfernt hat?

Ich bin den „digitalen Aufräumarbeitern“ ...

Dieser Beitrag wurde entfernt. Das ist ein Satz, dem jeder von uns im Internet schon begegnet ist. Aber wissen wir auch, was dahinter steht und wer da was entfernt hat?

Ich bin den „digitalen Aufräumarbeitern“ zum ersten Mal in Form eines Theaterstücks begegnet, das gezeigt hat, was es mit einem Menschen macht, wenn er tagtäglich in die Abgründe des Internets starren muss. Um diese Art der Arbeit wird natürlich ein Mantel des Schweigens gehüllt. Denn das, was darunter zum Vorschein kommt, ist so unmenschlich, dass es nur fassungslos machen kann.

Hanna Bervoets bricht dieses Schweigen in ihrem neuen Roman. Ihre Protagonistin arbeitet für eine Firma, die Beiträge für eine große Plattform prüft. Mindestens fünfhundert Beiträge müssen pro Tag gesichtet werden, Pausen gibt es im Grunde keine und wenn die Genauigkeitsrate eines Mitarbeiters unter 90% Prozent liegt, steigt der Druck auf ihn. Doch diese Arbeitsbedingungen sind nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist der Content, die Videos von Kindern und Teenagern, die sich selbst verletzten, die Tiere, die getötet werden und die ganze Bandbreite der Verschwörungstheorien.

Der Protagonistin des Romans scheint die Arbeit jedoch nichts auszumachen. Während ihre Kollegen psychisch immer mehr leiden und nicht zuletzt beginnen, den Verschwörungstheorien selbst Glauben zu schenken, bleibt Kayleigh scheinbar unbeeindruckt. Oder?

Bervoets Roman ist ein Porträt der Arbeitswelt im digitalen Zeitalter und stellt dabei diejenigen in den Mittelpunkt, die nicht im Silicon Valley arbeiten, die nicht vom Boom des Internets und des Digitalen profitieren, sondern die ganz im Gegenteil in deren Schatten stehen und die Drecksarbeit machen müssen. Dieses Thema ist so wichtig, dass das Buch meines Erachtens nach ruhig hätte länger sein können. Aber auch so bietet es einen starken und eindrücklichen Ausgangspunkt für weitere Gedanken und hoffentlich für eine gesellschaftliche Debatte.

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Veröffentlicht am 20.07.2022

Bedrückend Realistisch

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Kayleigh entführt uns in diesem Roman in die Abgründe der Menschheit. In Briefform schildert sie ihre Erlebnisse und die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bei HEXA. Das Buch liest sich sprachlich sehr ...

Kayleigh entführt uns in diesem Roman in die Abgründe der Menschheit. In Briefform schildert sie ihre Erlebnisse und die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bei HEXA. Das Buch liest sich sprachlich sehr leicht und ich habe schnell das Gefühl gehabt, die Protagonistin zu verstehen. Allerdings ist man durch die Erzählperspektive davon abhängig, was die Protagonistin mit uns teilen will.

Die Handlung fand ich auf eine bedrückende Art sehr realistisch, aber auch ziemlich verwirrend. Ähnliche Jobs gibt es heutzutage ja tatsächlich. Da stellt sich mir ganz schnell die Frage, was so ein Job mit einem macht. Wie viel kann ein Mensch verkraften? Was passiert, wenn verstörende Bilder zum Alltag gehören? Wer ist überhaupt noch objektiv? Was passiert, wenn man diese Wertesysteme übernimmt? Was wiegt stärker, die Verantwortung zu reflektieren, oder Selbstschutz?

Der Spannungsbogen konnte mich sofort packen und ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Die Handlung macht Sinn und entwickelt sich natürlich, aber ich habe selbst erst gemerkt in welche Richtung sich die Stimmung entwickelt, als es eigentlich bereits zu spät war.

Das Buch hat mich gepackt, aber eine Triggerwarnung ist eigentlich ein Muss und man hätte dem Buch auch ruhig noch ein paar Seiten mehr gönnen können.

„Dieser Beitrag wurde entfernt“ ist ein spannendes Buch über Grenzüberschreitungen und das Outsourcen von traumatisierenden Bildern, bei dem mich das „nicht schockierende“ am meisten schockiert hat. Ich habe das Buch schnell gelesen, aber lange nicht verarbeitet.

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Veröffentlicht am 17.07.2022

Ungewöhnlich

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Das Buch behandelt ein Thema, über das ich bisher noch nie nachgedacht habe. Wer ist das eigentlich, der die Posts auf unseren unzähligen Plattformen kontrolliert und nach welchen Richtlinien? Und was ...

Das Buch behandelt ein Thema, über das ich bisher noch nie nachgedacht habe. Wer ist das eigentlich, der die Posts auf unseren unzähligen Plattformen kontrolliert und nach welchen Richtlinien? Und was macht das mit einem?

Die Umsetzung fand ich spannend und ungewöhnlich gemacht. Es war vielleicht nicht unbedingt, das was ich erwartet habe – aber gelohnt hat es sich trotzdem.

Ich hätte mir aber durchaus mehr Seiten gewünscht. Das dünne Büchlein war ruck zuck durchgelesen und am Ende war ich leider nicht schlauer als vorher. Aus der Thematik hätte man noch so viel mehr machen können. Zudem mir der Schreibstil von Hanna Bervoets außerordentlich gut gefallen hat.

Vielleicht noch kurz zum Cover. Optisch wirklich schön – nur finde ich es absolut nichtssagend. Schade, dass die Verlage aktuell so in Pastellfarben schwelgen. Leider sagt so ein Cover so gar nichts über ein Buch aus.

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Dieses Buch wird nicht entfernt

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Müssen anstößige Beiträge auch aus Bücherforen entfernt werden? Wahrscheinlich nicht. Hier gibt es hoffentlich keine Gewalt gegen andere und sich selbst, Missbrauch, Tierquälerei und und und. Aber in Sozialen ...

Müssen anstößige Beiträge auch aus Bücherforen entfernt werden? Wahrscheinlich nicht. Hier gibt es hoffentlich keine Gewalt gegen andere und sich selbst, Missbrauch, Tierquälerei und und und. Aber in Sozialen Netzwerken gibt es dies leider zuhauf und es braucht Menschen (sog. Content-Moderator:innen), die sich diese Kommentare, Bilder und Videos anschauen, um entscheiden zu können, ob ein Beitrag gelöscht wird oder nicht. Diese Menschen werden noch so lange benötigt, bis ein Algorithmus die mitunter heiklen Entscheidungen selbst treffen kann. Bis dahin, werden unzählige Arbeiter:innen traumatisiert sein.

Hanna Bervoets Roman beschäftigt sich mit genau diesen Menschen im Schatten der Sozialen Medien. Er stellt den Bericht einer ehemaligen Mitarbeiterin dar, die unter belastenden Bedingungen allerlei belastende Beiträge gesichtet hat, deren Kolleg:innen traumatisiert die Firma verlassen haben und welche nun eine Klage gegen den Konzern anstrengen. Kayleigh, besagte Ex-Mitarbeiterin, verweigert sich jedoch einer Beteiligung an der Klage. Warum, beschreibt sie in ihrem Bericht, der für den aufdringlichen Anwalt der Kläger gedacht ist. Eigentlich, um diesem zu erläutern, warum sie keinesfalls so traumatisiert ist, wie ihre ehemaligen Kolleg:innen. So lesen wir nun die 122seitige Schilderung Kayleighs mit großer Spannung und auch Anspannung, ob der beschriebenen Kettenreaktion, die die Aufnahme der Arbeitsstelle in der besagten Firma für Kayleighs Leben und das ihrer Nächsten hatte.

In diesem Buch geht es keinesfalls allein darum, Katastrophentourismus zu betreiben und möglichst viele abartige, verstörende und schreckliche Szenen des Internets und damit menschlicher Abgründe zu erforschen. Dieser Schrecken ist nur ein Nebenprodukt der Lektüre, sofern man bisher in seinem Leben um derartige Beiträge drum herumgekommen ist. Hauptsächlich geht es darum aufzudecken, unter welchen Bedingungen Menschen dafür sorgen müssen, damit die ahnungslosen Nutzer:innen diverser Plattformen ihr sorgenfreies Surferlebnis genießen können. Es geht um sog. sekundäre Traumatisierungen, dass diese nicht immer die bekannten Symptome von Alpträumen, Gereiztheit, Schlaflosigkeit etc. haben müssen, sondern sich auch ganz anders zeigen können. Und es geht um die Auswirkungen dieser sekundären Traumatisierungen auf die Betroffenen und deren Leben.

Sehr geschickt entwirft die Autorin hier einen Roman, der zwar mit wenigen Seiten und knappen Worten daherkommt, allerdings sehr präzise oben genannte Kettenreaktionen beschreibt. Die Idee das ganze als einen Brief an den Anwalt, mit welchem Kayleigh klarstellen will, dass sie keineswegs so traumatisiert ist, wie ihre Kolleg:innen, ist grundsätzlich sehr gut umgesetzt. Nur manchmal zwischendrin fragt man sich, ob eine Person tatsächlich so ausführlich auch private Ereignisse geschildert hätte, sodass das Ganze nicht mehr 100%ig authentisch in seiner Entstehungsgeschichte wirkt. Die Schilderungen als solches sind jedoch vollkommen authentisch und natürlich auch subjektiv, was sie noch authentischer wirken lässt. Denn daran liegt die Crux an dem Buch. Welche Wahrnehmung ist „die korrekte“, was ist hier wirklich passiert. Die Lesenden müssen sich selbst dazu ein Bild machen und auch um die Ecke denken können. Der Roman endet sehr abrupt, was zunächst unbefriedigend wirkt. Aber gerade das Ende macht sehr viel Sinn und führt zu einer noch tiefgreifenderen Beschäftigung mit diesem selten beleuchtetem Thema. Dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt, kann man den Quellenangaben des Anhangs entnehmen. Wichtig ist hier auch die Erklärung der Autorin: „Dieser Roman ist ein Werk der Fiktion, die Figuren und ihre Erlebnisse sind frei erfunden. Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit sind jedoch alles andere als zufällig.“

Bervoets möchte die Schattenseite der digitalen Welt von Social Media Firmen anprangern und vor allem aufrütteln. Das hat sie meines Erachtens mit ihrem Roman eindeutig geschafft. Eindringlich schreibt sie über ein Thema, was selten beleuchtet wird, und verdient dafür ein großes Publikum. Eine unkonventionelle, äußerst empfehlenswerte Lektüre. Somit wird dieses Buch keinesfalls aus meinem Bücherschrank entfernt, sondern wird dort definitiv verbleiben.

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