Cover-Bild Dämmerstunde
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17,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Europa Verlage
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 30.06.2022
  • ISBN: 9783958903067
Hwang Sok-yong

Dämmerstunde

Andreas Schirmer (Übersetzer)

Am Rand der südkoreanischen Megacity Seoul wächst Minu in einem von Bandenkriminalität beherrschten Armutsviertel auf. Er kann studieren, arbeitet sich hoch und bringt es als Architekt mit eigener Baufirma zu Ansehen und Wohlstand. Eines Tages erhält er eine Nachricht von seiner Jugendliebe, und auf einmal erwachen alte Erinnerungen. Als er den Ort seiner Kindheit aufsucht, findet er aber keinerlei Spuren der Vergangenheit mehr. Seine Geschichte kreuzt sich mit der einer jungen Frau. Uhi will ihren Traum, sich als Theaterregisseurin durchzusetzen, nicht aufgeben. Mit Nachtschichten in einem 24-Stunden-Nahversorger kann sie kaum die Miete stemmen, doch sie verfolgt ihr Ziel, während Minu den Versäumnissen in seinem Leben nachgrübelt.
"Dämmerstunde" bildet eine tiefgründige Ergänzung zu "Vertraute Welt", diesem märchenhaften Roman, der auf der großen Mülldeponie am Rand von Seoul spielt. Hier wie dort geht es um die unterschwellige Wirkung einer fast ausgetilgten Welt auf die modernen Verhältnisse in einem Land, in dem beim Streben nach wirtschaftlicher Entwicklung wenig Rücksicht auf Verluste genommen wurde.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.07.2022

Everything falls into place

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Am Ende passt alles zusammen. Über 11 unterschiedlich lange Kapitel erzählen abwechselnd ein älterer Mann (ein Architekt, schon gegen Mitte 60) und eine junge Frau (Ende 20). Es dauert eine Weile, bis ...

Am Ende passt alles zusammen. Über 11 unterschiedlich lange Kapitel erzählen abwechselnd ein älterer Mann (ein Architekt, schon gegen Mitte 60) und eine junge Frau (Ende 20). Es dauert eine Weile, bis wir erahnen können, was die beiden verbindet. Letztlich ist das eine dritte Erzählerin. Spannend ist besonders, wie diese dritte Erzählerin so manches aus anderem Blickwinkel erzählt bzw. der Leser dieser Erzählung (der ältere Mann) seinerzeit wieder die Geschichte aus seiner Sicht Revue passieren lässt. Die Erzählungen der beiden Hauptfiguren sind punkto Erzählzeit über ein halbes Jahr verteilt und bestehen teils aus Rückblicken. Stark und saftig sind besonders die Episoden aus den späten 60er und frühen 70 Jahren, aber vieles bildet einfach das Südkorea der Gegenwart ab. Am Ende sind wir Zeugen eines sozusagen im unmittelbaren Hier und Jetzt stattfindenden Geschehens. Auch Dramatisches und eigentlich recht Ungeheuerliches wird nüchtern rekapituliert, was seine eigene Wirkung hat. Kein Lesefutter, aber dafür eine sprachlich reife Literatur, die ein aufmerksames Lesen lohnt und nachwirkt.

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Veröffentlicht am 18.07.2022

Herausfordernd nüchtern, mit wertvollen Einblicken

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„Dämmerstunde“ von Hwang Sok-Yong ist ein ruhiger, melancholischer Roman, der die Hoffnungen, Träume und tiefgreifenden Erkenntnisse innerhalb einer Gesellschaft erforscht, welche ihre sozialschwachen ...

„Dämmerstunde“ von Hwang Sok-Yong ist ein ruhiger, melancholischer Roman, der die Hoffnungen, Träume und tiefgreifenden Erkenntnisse innerhalb einer Gesellschaft erforscht, welche ihre sozialschwachen Mitglieder rücksichtslos unter Wirtschaftswachstum und Modernisierung zu begraben pflegt. Hwang Sok-Yong ist ein außergewöhnlicher Geschichtenerzähler und erschafft hier ein hervorragendes und generationsübergreifendes Bild der sozialen Strukturen in der Megametropole Seoul.
Erzählt wird die Geschichte aus zwei wechselnden Perspektiven. Zum einen lernen wir die junge Theaterregisseurin Uhi kennen, die sich mit ihren ausbeuterischen Jobs gerade so über Wasser halten kann. Ihr Leben führt sie täglich an den Rand der Resignation, aber sie hat einen Traum, den sie mit eiserner Entschlossenheit verfolgt.
Und dann gibt es noch Bak Minu, der trotz aller Widrigkeiten alles und noch mehr erreicht hat, das er wollte. Doch der alternde Architekt findet Anlass auf sein Leben und seine Entscheidungen zurückzublicken, seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in einem neuen Licht zu sehen und beginnt schließlich zu hinterfragen, ob der Preis für seine erfolgreiche Karriere nicht doch zu hoch gewesen ist.
Es sind zwei vollkommen unterschiedliche Lebenswege; zwei Personen, die sich unter normalen Umständen wohl nie begegnet wären. Aber die Begegnung mit einer alten Liebe und einer neuen Freundin führen diese beiden Wege auf überraschende Weise zusammen.
„Dämmerstunde“ war mein erster Roman von Hwang Sok-Yong und ich habe ihn als anspruchsvolle, aber auch sehr einnehmende Lektüre empfunden. Je länger ich über den Inhalt und das Gelesene nachdachte, umso mehr gefiel er mir.
In seiner Erzählweise ist das Buch sehr direkt und fast schon herausfordernd Nüchtern. Das hat es mir gerade zu Anfang etwas erschwert, Zugang zu den Figuren und der Erzählung zu bekommen. Der Schreibstil unterscheidet sich doch sehr von westlicher Literatur und für jemanden, der wenig bis kaum Literatur aus dem Asiatischen Raum liest, kann dieses Ungewohnte schnell zur Hürde werden. Lässt man sich aber möglichst unvoreingenommen auf diesen schnörkellosen und geradlinigen Schreibstil ein, fällt es sehr leicht, sich von den Worten davontragen zu lassen. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich ins Buch hineingefunden habe, wurde dann aber von der Atmosphäre und Entwicklung irgendwann gepackt.
Der Autor lässt sich Zeit mit seinen Figuren, baut ihre Welt und ihren Werdegänge in hingebungsvoller Ausführlichkeit aus und auch wenn ich zu den Charakteren keine wirklich emotionale Bindung aufbauen konnte, haben mich ihre Lebensgeschichten sehr berührt und mitfühlen lassen. Eingangs war es etwas schwer, die vielen Namen einzelner Figuren auseinander- und dabei den Überblick zu behalten, aber auch das Problem hat sich mit der Zeit gelegt.

Am meisten und wohl auch am nachhaltigsten hat mich aber die subtile Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Missständen innerhalb der Südkoreanischen Gesellschaft beeindruckt. „Dämmerstunde“ erzählt die Geschichten individueller Figuren und zeichnet damit ein eindringliches und äußerst realistisches Bild einer ganzen Gesellschaft. In seinem Nachwort schreibt der Autor: „(...) Reue und Scham einer ganzen Gesellschaft: Beides prägt uns. Ist man aber mittendrin im Geschehen, ist einem nie ausreichend bewusst, wie eng das Individuelle und das Gesamtgesellschaftliche immer schon zusammengehören.“ Man muss eine Menge zwischen den Zeilen des Romans lesen, um zu begreifen, wie sehr er von diesem Gedanken durchdrungen ist. Mir hat sehr gefallen, dass das ein Buch ist, welches einem nicht auf Anhieb all seine Geheimnisse verrät, sondern einem als Leser auch einiges an Überlegungen abverlangt.
Generell würde ich sagen, dass „Dämmerstunde“ vielleicht nicht Jedermanns Buch ist und ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit von seinen Lesern verlangt. Wer allerdings wieder einmal Lust auf eine anspruchsvollere Lektüre hat, sollte an dieser definitiv nicht vorbeigehen. Mir hat das Buch gut gefallen und ich kann es daher auch guten Gewissens empfehlen.