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Veröffentlicht am 15.10.2022

Befeuert die alten Debatten

Freiheitsgeld
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„Ach, man merkt, Sie sind noch jung. Die Jugend will immer die Welt aus den Angeln heben. Aber die Zeiten, in denen man die Welt verändern konnte, die sind schon lange vorbei. Heute ist die ganze Welt ...

„Ach, man merkt, Sie sind noch jung. Die Jugend will immer die Welt aus den Angeln heben. Aber die Zeiten, in denen man die Welt verändern konnte, die sind schon lange vorbei. Heute ist die ganze Welt eine Maschine, die sich selber am Laufen hält, und wir sind alle nur kleine Rädchen darin, die von Glück sagen können, wenn sie eine einigermaßen sinnvolle Funktion haben und sich nicht nur zur Zierde drehen.“ (28%)

Deutschland im Jahr 2063: Es gibt seit einigen Jahrzehnten das sogenannte Freiheitsgeld, das jeder Bürger ab Beginn seiner Volljährigkeit bezieht. Bedingungslos. Dadurch hat sich die gesamte Gesellschaftsordnung geändert. Das Bildungssystem ist grundlegend anders; denn das Streben eines jeden ist nicht mehr, einen gut bezahlten Job zu finden. Die Frauen scheinen gleichberechtigter. Und auch die Klimakatastrophe wurde abgewendet, durch Maßnahmen wie eine großflächige Bepflanzung mit Bäumen und eine vegetarische Ernährungsweise.

Und doch ist vieles immer noch so, wie es „immer“ schon war.

Eschbach lässt ist in seiner Geschichte vor allem Probleme auftauchen, die den klassischen Argumenten gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen entsprechen: Die Menschen werden faul. Die Kriminalität steigt. Die Reichen setzen sich ab und machen krumme, elitäre Dinger. Und sowieso: Den Menschen mit mehr Geld geht es natürlich besser. Die Schere zwischen Reich und Arm scheint noch größer zu werden.

Ganz logisch ist das alles nicht. Es werden viele (durchaus wichtige!) Themen angerissen, aber nicht zu Ende geführt. Und dann ist alles vermeintlich neue Denken in diesem Buch dann doch wieder durchwirkt vom Denken einen weißen alten Mannes.

Ich mag die Bücher von Andreas Eschbach. Sie sind eigentlich immer gute, spannende Unterhaltung. Sein neuster Roman deckt dann auch noch ein so wichtiges Thema ab, für das ich mich sehr interessiere. Aber gerade dieses große Thema ist dem Autoren entglitten. Da scheint er zu viel auf einmal gewollt zu haben.
So verspielt er die Chance, einen wichtige Beitrag zu den Problemen unserer Zeit zu leisten. Im Gegenteil befeuert er noch die alten Debatten und rutscht ins Konservative ab.

Das ist so schade und es tut mir richtig Leid, dass ich ausgerechnet diesem Buch keine gute Bewertung geben kann.

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Veröffentlicht am 18.07.2022

Enttäuschend

Susanna
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„Da war dieses Mädchen. Ich wünschte, ich hätte sie gekannt.“

Dieses Mädchen heißt Susanna und das Leben führt sie schon als kleines Kind aus Basel heraus nach Amerika. Dort wird sie zur mittelmäßig begabten ...

„Da war dieses Mädchen. Ich wünschte, ich hätte sie gekannt.“

Dieses Mädchen heißt Susanna und das Leben führt sie schon als kleines Kind aus Basel heraus nach Amerika. Dort wird sie zur mittelmäßig begabten und mit der aufkommenden Fotografie konkurrierenden Porträtmalerin. Eines ihrer bekanntesten Bilder malt sie von Sitting Bull.

Susanna ist vielleicht besser bekannt unter dem Namen Caroline Weldon. Denn Alex Capus‘ neuster Roman beruht auf einer wahren Geschichte.

Und Caroline Weldons Geschichte ist tatsächlich recht interessant.1 Allerdings erzählt Capus sie sehr gemächlich und es entsteht der Eindruck, dass Susanna ein routiniertes und unaufgeregtes Leben führte. Die maßgeblichen Wendepunkte darin werden durch nahestehende Personen herbeigeführt. Und sie selbst zeigt keinerlei Regungen.

Hinzu kommt die etwas seltsame Erzählperspektive, denn der Erzähler tritt aus der Geschichte heraus, kommentiert und fasst große Abschnitte der realen Geschichte mal eben - aus heutiger Sicht - zusammen. Der affektierte Erzähler, der sich einer kitschigen Sprache bedient, und die passive Protagonistin ergeben ein Bild von Caroline Weldon, das sehr uncharmant ist. Eine arrogante, gefühllose Frau in einem eher langweiligen Leben.

Wie, um die Geschichte aufzupeppen, werden ab und zu grausame und blutige Passagen eingestreut. Diese unnötigen und ekeligen Szenen habe ich überblättert.

Ich habe schon sehr gute Bücher von Alex Capus gelesen. Und ich hatte Lust, die Lebensgeschichte von Caroline Weldon kennen zu lernen.

Aber es drängt sich beim Lesen des Romans schon die Frage auf, warum Capus uns die Geschichte dieser Frau erzählen wollte? Er zeichnet kein freundliches Bild von ihr. Und erzählt hat er auch schon deutlich besser.

Schade.

1Nachzulesen zum Beispiel bei Wikipedia.

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Veröffentlicht am 30.03.2017

Wie ein Bestseller entsteht

Das geheime Leben des Monsieur Pick
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Er [der Roman] ist in ein neues Zeitalter aufgebrochen. Der Text an sich zählt überhaupt nicht mehr. Man braucht nur einen einzigen guten Gedanken herauszustellen. Einen Gedanken, der die Diskussion schürt.

Die ...

Er [der Roman] ist in ein neues Zeitalter aufgebrochen. Der Text an sich zählt überhaupt nicht mehr. Man braucht nur einen einzigen guten Gedanken herauszustellen. Einen Gedanken, der die Diskussion schürt.

Die ambitionierte Lektorin Delphine macht mit ihrem Mann, dem erfolglosen Schriftsteller Frederic, Urlaub bei ihren Eltern im bretonischen Finistère. Dort gibt es eine Bibliothek, in der unveröffentlichte - weil von Verlagen abgelehnte -Manuskripte gesammelt werden. Die beiden stöbern in dieser Sammlung und entdecken ein Manuskript vom ortsansässigen und kürzlich verstorbenen Pizzabäcker Henri Pick. Delphine ist begeistert und setzt alles daran, dieses Manuskript posthum zu veröffentlichen.
Ihr Engagement und die Entdeckungsstory sowie der geheimnisvolle Autor (der Zeit seines Lebens niemals auch nur ein Buch gelesen, geschweige denn mehr als eine Einkaufsliste geschrieben haben soll) führen zu einem regelrechten Hype um das Buch des Pizzabäckers.

Foenkinos beschreibt in "Das geheime Leben des Monsieur Pick" den Weg, den ein Roman geht, bis er beim Leser landet - oder eben nicht, weil er nur eines von vielen Manuskripten ist, das unveröffentlicht bleibt.
Durch den Schriftsteller Frederic erfahren wir ein wenig vom Schaffensprozess des Schreibens. Und auch davon, wie es ist, wenn der eigene Roman zwar veröffentlicht wird (weil die Lektorin sich in den Autoren verliebt), aber zu keiner Bekanntheit gelangt.
Das unveröffentlichte Manuskript Picks, dessen sich Delphine ebenfalls annimmt, beschreitet einen anderen Weg: Den des Ruhms. Denn sein Hintergrund, seine Entstehung, seine Ablehnung, sein Entdecken, sein Autor und dessen literaturfernes, sehr bodenständiges Leben... faszinieren.
Darüber vergisst man schon mal, worum es in dem Pick'schen Roman überhaupt geht...

Foenkinos "sprengt den Rahmen des Romans". Und ich bin in dieses faszinierend klingende Buch leider nicht reingekommen! Für mich ein plätschernder, öder, nichtssagender (oder zumindest nicht viel sagender) Roman. Vollgestopft mit langweiligen, charakterlosen Figuren, die ihre ermüdend klischeehaften Lebensgeschichten erzählen und dann wieder verschwinden.

Wir sehr ich mit gewünscht hätte, dass mir dieses Buch gefällt! Die Grundidee ist genial. Und ich bin mir sicher, dass es humorvoll gemeint ist; dass man es anders lesen kann. Aber ich habe das einfach nicht geschafft.

Vom Ende sollte man natürlich nichts verraten, aber wenn es jemandem geht wie mir - dass er die Lektüre als schleppend empfindet, dann möchte ich den Tipp geben das Buch bloß nicht zu Ende zu lesen! Ich habe mich vom Ende so vorgeführt gefühlt!

P.S.: Die Lesung des Romans konnte mich begeistern:

https://www.lovelybooks.de/autor/David-Foenkinos/Das-geheime-Leben-des-Monsieur-Pick-1363492886-w/leserunde/1434396942/1440549709

Veröffentlicht am 17.03.2017

Erziehungsratgeber?

Erziehen ohne auszurasten
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"Sie brüllte ihre Kinder wie so oft furchtbar an, doch diesmal hörte der Handwerker, der gerade im Haus war, mit... Sheila schämte sich entsetzlich, denn sie liebt ihre Kinder doch von Herzen."

Sheila ...

"Sie brüllte ihre Kinder wie so oft furchtbar an, doch diesmal hörte der Handwerker, der gerade im Haus war, mit... Sheila schämte sich entsetzlich, denn sie liebt ihre Kinder doch von Herzen."

Sheila McCraith ist Mutter von vier Kindern. Wenn diese etwas wollen oder machen, das ihre Mutter nicht will, schreit sie. Entweder brüllt sie ihre Kinder "nur" mit Worten an oder sie schreit mit hochrotem Kopf ... ? Wer dasselbe Problem hat, kann ihren Ratgeber lesen und sich mit Hilfe eines sinnbildlichen Nashorns in dreißig Tagen heilen.

Die Autorin selbst brauchte ein Jahr. Sie hat sich vorgenommen, 365 Tage am Stück nicht zu schreien. Aus diesem Feldversuch heraus hat sie die "Orange Rhino Challenge" entwickelt. Besagtes auf 30 Tage verkürzte Projekt, das dem Leser zum selben Ergebnis verhelfen soll. Für jeden Tag hat sie Maßnahmen und Tipps zusammengestellt, die der gestressten Mutter helfen sollen, ruhig zu bleiben, statt durch die Decke zu gehen und die Kinder verbal anzugreifen. Außerdem gibt sie dem Leser eine "Schreiskala" an die Hand - vom orangen bis zum grauen Nashorn -, die beim Einordnen einer Situation helfen soll.

Sheila McCraith bedient sich einiger Achtsamkeitsmethoden. Diese Methoden und Tipps sind durchaus vetwertbar, um Stress zu reduzieren. (Allerdings gibt es da Ratgeber zum Thema Achtsamkeit, die mehr Basics vermitteln können.)

Das Layout und die Struktur des Buches sind toll! Es ist wirklich hübsch und übersichtlich aufbereitet. Auch gefallen mir einige der Fremdzitate, die die Kapitel zieren.

Ich möchte nicht unfair sein. Immerhin habe ich mich um ein Rezensionsexemplar beworben, obwohl mich der Titel von Anfang an stutzig gemacht hat. Ich bin gerade auf der Suche nach Erziehungsratgebern, die zu uns und unseren Werten passen. In diesem Zuge wollte ich auch "Erziehen ohne auszurasten" eine Chance geben. Allerdings passt es definitiv nicht in unsere momentane Lebenssituation. Unser Sohn ist noch kein Jahr alt, bei uns hat sich noch kein Schreiteufelskreis eingeschossen und ich denke, es ist auch besser mit einer verständnisvollen Erziehung anzusetzen, BEVOR man sich in diesem Teufelskreis wiederfindet.

Für mich ist das hier ein typisch amerikanischer Ratgeber. Vom Schreibstil her und auf Grund der "Jeder kann es schaffen, wenn er nur dieses Buch kauft!"-Mentalität. Auch die Einstellung gegenüber Kindern, wie sie in diesem Buch dargestellt wird, scheint mir in Amerika noch viel mehr so zu sein als bei uns. Da werden Kinder eher als Tyrannen betrachtet, die in ihre Schranken gewiesen werden müssen (= Erziehung). Statt als kleine Menschen mit ihrem eigenen Charakter und ihren natürlichen Bedürfnissen, auf die man auch liebe- und verständnisvoller reagieren könnte.

Da mir dieses Buch so gegen die eigenen Werte gerichtet scheint, würde ich es eigentlich mit nur einem Pflichtstern bewerten. Die netten Zitate und verwertbaren Tipps sowie die Tatsache, dass ich mich um ein Rezensionsexemplar beworben hatte, verschaffen dem Buch einen Bonusstern.

Veröffentlicht am 06.06.2017

Viele Figuren, diverse Zeitebenen, ein Kragen, kein roter Faden

Aimées geheimer Wunsch
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Maggie und Tim. Und Michael und Rachel.
Mit Pearl und Stella.
Aimée und Bernard und Gaston.
Francesca, Ulrika, Kate, „der Maler“, Archer, Louisa, Belle, Christian…

Viele Figuren, diverse Zeitebenen, ein ...

Maggie und Tim. Und Michael und Rachel.
Mit Pearl und Stella.
Aimée und Bernard und Gaston.
Francesca, Ulrika, Kate, „der Maler“, Archer, Louisa, Belle, Christian…

Viele Figuren, diverse Zeitebenen, ein Diadem - Entschuldigung! - Kragen, kein roter Faden.
So lässt sich der Inhalt von „Aimées geheimer Wunsch“ zusammenfassen.

Ausgehend von der jungen Halbwaise Aimée, die in eine unglückliche und lieblose Beziehung zwangsverheiratet wird und ihren gesamten Frust in einen üppigen Hochzeitskragen stickt, nehmen die Geschichten ihren Lauf. Dem Kragen scheint etwas Unheilvolles anzuhaften, das jede seiner Trägerinnen überkommt.
Am Ende sind doch alle irgendwie glücklich - oder auch nicht. Manches bleibt offen, vieles ist überflüssig.

Dieser Roman hätte gerade einmal Inhalt für einen dünnen Groschenroman aufzuweisen - und da noch nicht einmal einen besonders innovativen. Bestünde die Story nicht aus etlichen Erzählsträngen, könnte man fast sagen, dass sie vorhersehbar ist. So endet sie im völligen Chaos und die tapfere Leserin muss sich schon arg konzentrieren, um am Ball zu bleiben. Daran verliert sie allerdings eh schnell den Spaß, denn der Roman ist banal, belanglos und unglaublich laaangweilig.
Die Sprache ist auf einem Niveau, das jede halbwegs ambitionierte Hobbyschreibkraft mühelos erreichen kann.

Was ist noch enthalten? Liebe, Kitsch, potentielle Ehebrüche, ’n bisschen was Mystisches.
Und damit ist leider alles gesagt.