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Veröffentlicht am 01.06.2024

Niveauvoll, dicht erzählt und falsch gewichtet

Der Rabengott
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„Geschichten sind gefährlich für jemanden wie mich. Denn was ich sage, muss wahr sein, oder es wird wahr gemacht. Und falls es nicht wahr gemacht werden kann (…) muss ich einen Preis dafür zahlen.“ ...

„Geschichten sind gefährlich für jemanden wie mich. Denn was ich sage, muss wahr sein, oder es wird wahr gemacht. Und falls es nicht wahr gemacht werden kann (…) muss ich einen Preis dafür zahlen.“ Rabengott ist ein dichtes und anderes Werk, man spürt die Kunstfertigkeit der Autorin hinter jedem Satz - sowohl in der Anlage der Charaktere, als auch in der Geschichte selbst. Liebe ich das Buch - nein, ich denke nicht. Es ist andersartig, sticht aus der Masse hervor - mit seiner Vielzahl an Göttern und streitbaren Menschen. Als Mawat, der rechtmäßige Erbe des Statthalters, mit seinem Adjutanten Eolo nachhause zurückkehrt, findet er die Position schon besetzt vor - durch seinen Onkel. Er ist außer sich vor Zorn. Währenddessen erkundet Eolo den Turm des Raben - und dann haben wir noch einen ganz anderen Erzähler, der sein eigenes Spiel spielt. Zunächst war ich gebannt, von den ersten Seiten - ganz so wie es Leckie wohl auch beabsichtigt hatte. Man kommt nicht umhin, die Ansprache und den göttlichen, allwissenden Erzähler zu bemerken - den anderen Spieler, der sein eigenes Spiel spielt. Er hat Eolo zu seinem ganz eigenen Protagonisten auserkoren - und zeigt das auch immer wieder mit der (ungewöhnlichen) Du-Ansprache. Zum Teil ist es faszinierend - habe ich doch bisher wenige Bücher erlebt, die so durchgehend diese Ansprache verwenden. Eolo war auch mein Lieblingscharakter - treu und findig- Mawat hingegen hatte extremere Charaktereigenschaften. Sein Zorn und seine Verbohrtheit standen ihm oft im Weg. Nichts desto trotz habe ich diesen Erzählstrang wirklich gern gelesen. Dann gibt es noch den „göttlichen“ Erzählstrang - im wahrsten Sinne des Wortes. Durch den göttlichen Erzählstrang zeigt die Autorin viel Liebe zur Darstellung von kulturellen und religiösen Besonderheiten und sowie kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Definitionen von Freundschaft und Vertrauen, von Heimat und Fremde sind anders und spannend. Gleichzeitig versucht Ann Leckie diese doch eher erzählende Plotlinie mit Leben zu füllen durch eine ganz spezielle Freundin (die ich wirklich gelungen fand!) - mich persönlich konnte dieser Strang jedoch nicht so sehr abholen wie die Geschichte mit dem leichten Mysterytouch von Eolo und Mawat. Und da liegt mein persönliches Problem, das „Rabengott“ und ich miteinander hatten. Die Gewichtung war für mich eher kompliziert. Kaum hatte ich mich Eolo angeschlossen und war bereit mit Eolo neue Geheimnisse aufzudecken, erzählte und der Gott schon wieder eine Geschichte, ein Gleichniss und katapultierte mich mit seiner breiten Art zu erzählen wieder aus dem Spannungsverlauf heraus. Mit der Zeit war das ermüdend, trotz der eigentlich sehr dichten, niveauvollen Art zu schreiben. Wäre die Waage mehr zur aktuellen Handlung hin geneigt gewesen, hätte mir das Buch wohl insgesamt mehr zugesagt. Ein niveauvolles, dicht geschriebenes Werk, das durch seine ungewöhnliche Perspektive heraus sticht, mich jedoch nicht ganz abholen konnte.

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Veröffentlicht am 18.07.2022

Verschenktes Potential

How to kill your family
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Was wünscht sich Grace - jung, hübsch, klug - mehr als alles andere? Nein, es ist weder die Tasche von Prada im Schaufenster von Macys noch den sexy Typen in ihrem Bett auf der anderen Seite der Londoner ...

Was wünscht sich Grace - jung, hübsch, klug - mehr als alles andere? Nein, es ist weder die Tasche von Prada im Schaufenster von Macys noch den sexy Typen in ihrem Bett auf der anderen Seite der Londoner Straße. Grace wünscht sich nur eine Sache - und das ist die Rache an ihrem Vater, der ein höchst erfolgreiches Unternehmen leitet und in der High Society logiert - und der Grace’ Dasein immer ignoriert hat. Schließlich ist es ja das Problem ihrer Mutter, wenn sie nicht acht gibt bei der Affäre und schwanger wird. Damit haben weder Simon, noch seine Ehefrau oder ein anderes Familienmitglied etwas zu tun.

Grace erzählt den Roman aus der Ich-Perspektive auf zwei Zeitebenen in einer höchst amüsanten Sprache. Man könnte meinen, sie würde sarkastische Anekdoten zwischen einem schaumigen Latte mit Freundinnen tratschen. Doch weit gefehlt, Grace hockt in einem Gefängnis, für einen Mord, den sie nicht begangen hat - und erzählt dem werten Leser detailliert von Morden, die sie auf jeden Fall begangen hat - nämlich die an Simons Familie, den sie einem nach dem anderen um die Ecke gebracht hat.

Der Plot hat mich sehr gereizt. Das Motiv - Rache - findet man ja in vielen Romanen, aber selten aus der Perspektive der Täterin (ich habe es jedenfalls selten aus ihrer Perspektive gelesen). Also auf ins fröhliche Morden! Die ersten zwei, drei Morde habe ich mit Vergnügen gelesen (nicht so wie ihr denkt!), dann aber wurde mir die Aneinanderreihung zu viel. Die Varianten, wie das Mädchen jemanden um die Ecke bringt, waren zwar einfallsreich, aber mir hat die emotionale Tiefe gefehlt. Grace, obwohl ich die ganze Zeit in ihrem Kopf war, blieb mir unnahbar, beinahe nüchtern, wie sie über die Morde schrieb. Beinahe hatte ich das Gefühl, sie schreibt über einen Zahnarztbesuch. Mir fehlten die Abgründe, die sie mit Sicherheit durchlaufen haben muss, damit sie beschließt, eine ganze Blutlinie auszulöschen. Eine Begründung, warum sie die Rache will, wurde zwar gegeben. Aber ich habe es nie richtig gefühlt. Die Emotionen blieben immer wohl dosiert an der Oberfläche. Ich habe Grace selten als berührt empfunden. Oder als sympathisch. Schade! Ich hätte so gerne mit ihr gefühlt, mit ihr gezittert, oder hätte ihren Zorn gespürt. Irgendetwas empfunden. Aber diese Ebene übermittelte die Autorin mir leider nur unzureichend.

Lachen musste ich über die überaus sarkastisch gewählte Sprache. Der Wortwitz, der gern in besonders dunklen Ecken lauerte, traf mich oft überraschend unvorbereitet und entlockte mir ein Grinsen. An Mut und Witz mangelt es unserer Protagonistin nicht, das könnt ihr mir glauben! Sie manövriert im Laufe der Mordgeschichte durch so manche skurrile Situation.

Was soll ich sagen nach der Reihe von Morden, die mich nur mäßig schockiert haben? Der Plot war richtig gut, die Sprache triefte vor Sarkasmus und das Buch hatte die emotionale Tiefe einer flachen Pfütze. 3,5 Sterne gibt es von mir.

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Veröffentlicht am 31.10.2019

Rauchig

Kingdoms of Smoke – Die Verschwörung von Brigant
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Kingdom of Smoke von Sally Green

Brigand ist ein kriegerisches Königreich, in dem sich Prinzessin Catherine auf eine Ehe mit dem Prinzen von Pitoria vorbereitet. Obwohl sie sich zu einem Angehörigen ...

Kingdom of Smoke von Sally Green

Brigand ist ein kriegerisches Königreich, in dem sich Prinzessin Catherine auf eine Ehe mit dem Prinzen von Pitoria vorbereitet. Obwohl sie sich zu einem Angehörigen ihrer Leibgarde hingezogen fühlt. In Calidor schmiedet der Diener March Rachepläne, während der der Kaufmannssohn Elydon nach größerem strebt und ein flinkes Händchen hat. Auf den nördlichen Ebenen wiederrum jagt Tash nach Dämonenrauch, der neben seiner betäubenden Wirkung auch noch andere interessante Eigenschaften aufweist. Intrigen und Allianzen binden die Leben der Personen aneinander …

Kingdom of Smoke war ein Jugendbuch, dem ich sehr entgegen gefiebert habe. Hierbei handelt es sich um den ersten Band einer Reihe, die vom DTV-Verlag veröffentlicht wird. Zunächst einmal war ich unglaublich fasziniert von der wertigen Aufmachung des Buches. Eine Karte im Schmutzumschlag, hübsche Kennzeichnungen für die Sichtweisen der einzelnen Protagonisten und ein Glossar zur Übersicht hinten im Buch. So gerüstet kann doch eigentlich einigen Abenteuern nichts mehr im Wege stehen!

Die ersten Seiten flogen an mir vorbei. Wir lernen Catherine, die Prinzessin von Brigand und Tash kennen und erleben schon das erste dämonenrauchige Abenteuer mit der kleinen Diebin, in dem auch schon ein paar Hinweise auf die Eigenschaften des Dämonenrauches gegeben werden. Perfekt, dachte ich. Aus dem Dämonenrauch wird sicherlich noch etwas Bombastisches! Doch dazu später mehr.

Beim Einstieg unterstützte mich auch Greens einfach, klare Sprache. Diese ließ sich gut lesen und aus dem Buchstaben und Worten erhoben sich Schlösser und Städte – Green kann Atmosphäre schaffen, das muss man ihr lassen. Auch der Grundplot kristallisierte sich solide heraus und war ziemlich verheissungsvoll. Kurzum, ich fühlte mich nach dem ersten Seiten in Brigand und Pretoria ziemlich heimisch und freute mich auf weitere 400 Seiten mit den Charakteren.

Doch irgendwann bereitete mir das Tempo die ersten Schwierigkeiten. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass eine Szene mehr als detailliert beschrieben wurde, während an anderer Stelle die Zeit wie die Steine von einer Klippe großklumpig abbrach und ohne groß behandelt zu werden im Nirwana verschwand. Schade! Doch daran hätte ich mich wohl nicht groß gestört, hätte die Autorin die Spannung hochgehalten und den Plot ein wenig geheimnisvoller ausgearbeitet. So empfand ich jedoch kaum Spannung, da die Spannung, die mühsam aufgebaut wurde, wenige Seiten später schon wieder aufgelöst wurde, anstatt sie zu steigern. Ein neuer Aspekt der Handlung wird angesprochen, ausgearbeitet und kurz darauf schon ausgeführt, ohne das eigentliche Potential zu nutzen.

Die unterschiedlichen Point of Views wechselten in jedem Kapitel, was angenehm und erfrischend war, da hinter jeder Seite ein neues Gesicht auf mich wartete. Besonders mochte ich jedoch den Prinzen von Pretoria, da er das Herz am rechten Fleck hat und recht scharfsinnig gestaltet wurde. Ich empfand ihn als angenehm (er war auch der einzige, über den ich im Buch schmunzeln musste). Catherine, die Prinzessin von Brigand, ist sehr behütet aufgewachsen und das merkt man ihr auch an, doch auch sie macht eine große Entwicklung durch. Tash, die Dämonenrauch fängt, fand ich noch erfrischend und herrlich stur.

Trotzdem kamen mir manche Plotstrukturen recht naiv vor. Natürlich, Kingdom of Smoke wird als Jugendbuch deklariert, aber ich finde, die Autorin hat in dem Buch das ein oder andere Wagnis umschifft und mit Liebe (sei sie nun verboten oder nicht) aufgefüllt. Auch der Rauch wurde eher als Mittel zum Zweck verstanden. Da ist noch viel Potential nach oben. Vielleicht wird das Thema ja im nächsten Band ausführlicher behandelt?

Mich konnte das Buch leider nicht in seiner Gänze überzeugen. Trotzdem. Der Grundplot war ziemlich gut angelegt, der Dämonenrauch bietet noch Potential für die Fortsetzung und auch die Autorin hat ein Händchen für eine gute Bildsprache. Lest hinein und macht euch selbst ein Bild vom Dämonenrauch.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Gute Ansätze

Die Töchter von Ilian
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Jenny-Mai Nuyen – Die Töchter von Illian

Ein Becher, eine Flöte, ein Spiegel und eine Sternenscheibe. Die Vier magischen Artefakte bestimmen das Schicksal einer ganzen Welt. Werden sie verschenkt, steigert ...

Jenny-Mai Nuyen – Die Töchter von Illian

Ein Becher, eine Flöte, ein Spiegel und eine Sternenscheibe. Die Vier magischen Artefakte bestimmen das Schicksal einer ganzen Welt. Werden sie verschenkt, steigert das ihre Macht. Werden sie behalten, schwächt die Macht ab. Doch die Artefakte sind verschollen. Die junge Zwergin Walgreta, die von den weisen Frauen abgelehnt wurde, und der Elf Fayanu wollen diese Artefakte nun wieder entdecken und begeben sich aus dem Grund gemeinsam auf die Suche.

Das vorliegende Buch ist ein Einzelband aus der Feder von Jenny-Mai Nuyen. Ich kenne ihre Bücher nun schon seit vielen Jahren und habe jedes mit Genuss gelesen. Aus diesem Grund war mein Anspruch an diesen Roman – ihr erster bei Fischer-Tor – besonders hoch.
Die ersten Seiten versprachen ein grandioses Leseerlebnis – voller Magie und tiefen Charakteren, die zu begeistern wissen. Ich liebe Jennys feingliedrige Sprache, mit der sie Welten um den Leser webt, wie ein Spinnennetz. Ich war von den ersten Kapiteln vollkommen gefangen, erzählt sie doch wundervoll farbenprächtig von Walgreta und ihrer Rückreise zu den Zwergen.
Dass sich hinter Walgreta eine vielschichtige Persönlichkeit verbirgt, erfährt der Leser erst ein wenig später. Sie muss sich erst entblättern, was ich persönlich ziemlich gut finde. Walgreta ist ein Charakter, den man nicht unbedingt lieben muss. Sie hat recht egoistische Motive, die dennoch verständlich sind – jedenfalls zu Beginn bin ich ihrem Weg gern gefolgt.
Durch den Elf Fayanu kommt der Love-Interesst von Walgreta ins Spiel. Fayanu hat schon eine durchaus Romanfüllende Vergangenheit hinter sich und ist dadurch gezeichnet – und hat dadurch auch nicht unbedingt die berste Meinung von seiner Rasse. Durch die heftige Liebesgeschichte, die sich zwischen Fayanu und Walgreta entspinnt, haben beide auch einen „Grund“ nach den Artefakten zu suchen. Jedoch sind beide bei ihrem Aufbruch noch recht naiv und unwissend. Der mir liebste Charakter war übrigens die Gans „Fledermaus“ – ich fand ihre sarkastischen gackernden Einwürfe so herrlich – ich wünschte, sie hätte in der Geschichte eine tragendere Rolle gespielt.
Wie es sich für ein High-Fantasy-Buch gehört, wurde eine große Welt entworfen. Einige Orte davon bereist und viele Schlachten geschlagen. Moment mal – gehört? Nun ja, da kann man geteilter Meinung sein. Ich zumindest hätte mich durchaus damit begnügt, tiefer in die unterschiedlichen Rassen einzutauchen und Walgreta und Fayanu auf ihrer Reise zu begleiten und den Gefahren zu trotzen. Denn ich hatte das Gefühl, da hatte Jenny beim Schreiben wirklich Spaß, das Spiel mit den Wörtern liegt ihr und ich habe vor allem ihre Beschreibungen sehr genossen. Die Schlachten hingegen (und ich mag gut angelegte Schlachten!) erschienen mir irgendwie zu leblos. Ich ertappte mich dabei, wie ich recht anteilnahmslos darüber hinweglas, besonders als sie irgendwann überhandnahmen. Schade! So mochte ich auch das Menschenvolk nicht besonders.

Jennys Ideen, die hinter diesem Roman stehen, sind wirklich grandios. Schenken, statt behalten oder stehlen oder erobern. Die Gender-Frage eines bestimmten Protagonisten. Das in einem Fantasy-Buch verarbeitet zu sehen, hat mein Herz erfreut.
Was mich wiederum gestört hat, waren die philosophischen Anklänge, die Jenny mit hat einfließen lasse. Philosophie finde ich in so weit gut, wenn sie auch richtig ausgearbeitet wird. Hier hatte ich aber das Gefühl, sie wird nur kurz berührt, um sie dann wieder fallen zu lassen.

Alles in allem ein Buch, das spaltet und mich hilflos mit der Bewertung zurücklässt. Die Grundstruktur des Buches war wunderbar, die Sprache so schön und melodisch wie ich sie von Jenny kenne, die Charakter widerborstig und eigen. Auch das mag ich sehr. Andererseits kam mir das Buch unausgereift an manchen Stellen vor und der Abschluss war mir einfach zu plötzlich. Auch einige Entwicklungen und Mittel fand ich persönlich nicht wirklich gut.
Ich vergebe 3,5 Sterne für „Die Töchter von Illian“.

Veröffentlicht am 25.10.2018

kriegerischer zweiter Teil

Die Chroniken von Azuhr - Die Weiße Königin
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Auf der Insel Cilia eskaliert der Konflikt zwischen der Liga der Stadtstaaten und den Herzögen des Schwertwaldes. Mit militärischer Übermacht rücken die Ligisten immer weiter vor und die Hoffnung der ...


Auf der Insel Cilia eskaliert der Konflikt zwischen der Liga der Stadtstaaten und den Herzögen des Schwertwaldes. Mit militärischer Übermacht rücken die Ligisten immer weiter vor und die Hoffnung der Waldbewohner liegt auf einer alten Sage, nach der die weiße Königin ihnen in höchster Not zu Hilfe eilen wird. Milan Tormeno versucht sich aus den kriegerischen Auseinandersetzungen heraus zu halten, doch überall auf der Insel erwachen Märengestalten zum Leben, und nur Milan kann sie bekämpfen.

Das vorliegende Buch stellt den zweiten Band der Trilogie: „Die Chroniken von Azuhr“ da. Der dritte erscheint voraussichtlich im nächsten Jahr. Ich ging mit großen Erwartungen an diesem Folgeband heran, hatte mich der erste doch wirklich zu begeistern vermocht, vor allen Dingen durch seine Balance zwischen heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen und der Entwicklung der Charaktere, die mir besonders wichtig ist.

Die ersten Seiten irritierten mich zunächst, ging es doch nicht um den Protagonisten des ersten Bandes, auf den ich eigentlich gehofft hatte. Nein der (Mammut)Prolog setzt 18 Jahre vor den Ereignissen auf Cilia ein und erzählt zunächst die Geschichte einer recht grausamen Schlacht. Erst am Ende klärt sich, warum die Schilderung so wichtig war. Für mich selbst war dieser Prolog einfach zu lang, zu ausschweifend. Ich wurde ein bisschen aus der Geschichte geworfen und empfand nur langsam Zuneigung zum General und den Karrenrittern – was für mich eigentlich den Ausschlag zu einer guten Geschichte setzt.
Aus diesem Grund war ich mehr als glücklich, als ich endlich wieder Milan auf den Seiten begrüßen durfte. Der junge Mann hatte sich durch die Tode aus dem ersten Band verändert. Er ist härter geworden und immer wieder drängte sich mir der Vergleich mit seinem Vater Nandus Tormeno auf, dem Erzpriester. Die beiden werden sich immer ähnlicher. Milan macht zudem in der Geschichte eine wahnsinnige Entwicklung durch. Zum Glück hat er mit Rainulf einen Gefährten an seiner Seite, der ihn erdet. Milan zieht nämlich durch die Lande und erzählt Mären, in der Hoffnung Felicia wieder auferstehen zu lassen.
Doch man sollte vorsichtig mit seinen Worten umgehen, da man nicht weiß, was davon Realität werden könnte – was für mich eigentlich die Quintessenz des Buches war. Denn überall sprossen Märengestalten aus dem Boden. Die Magie, die Hennen in den Roman gesteckt hat, ist wundervoll und Milans Erzählungen habe ich wirklich genossen, denn sie erschaffen eine vielschichtige Realität, und ich wusste nie, was im nächsten Moment wahr werden würde und was Fantasie bleiben würde. Den Aspekt habe ich wirklich am Buch geliebt.
Auch andere Charaktere haben sich weiter entwickelt und sind gereift (was natürlich nicht bedeutet, dass sie bis zum Schluss überleben müssen. Dafür ist Bernhard Hennen zu unberechenbar).

Die Spannung blieb durchgehend erhalten, vor allen Dingen durch die zahlreichen Schlacht- und Actionszenen, mit denen der Autor immer wieder Spannungsspitzen setzt. Mir persönlich waren es ein bisschen zu viele Schlachten und ein bisschen zu viel Gewimmel. Ich musste das ein oder andere Mal erst sortieren, wer zu wem gehört und wer gegen wen kämpft. Eigentlich schade, da die Kämpfe wirklich spektakulär waren. Für mich gab es „Die weiße Königin“ immer wieder Höhepunkte, an deren Spitzen ich mir Hoffnung machte, dass das Buch jetzt genauso weiter geht, das ich genauso gebannt bin, wie von dieser einen Szene. Aber es gab auch immer wieder Szenen, bei denen ich geneigt war, sie zu überfliegen. Vielleicht lag es auch daran, dass Hennen mit so vielen Perspektiven jongliert hat. Ich weiß es um ehrlich zu sein nicht genau.

Ich bin selbst irritiert, dass mich dieser Band nicht so zu begeistern vermochte, wie der erste. Vielleicht auch ein bisschen frustriert von mir selbst. Ich wollte das Buch mögen. So bekommt es von mir leider nur 3,5 Sterne – ich bin trotzdem sehr gespannt auf den dritten Teil!