Profilbild von westeraccum

westeraccum

Lesejury Star
offline

westeraccum ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit westeraccum über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.08.2023

Sehr vielfältig

Gewässer im Ziplock
0

Margarita lebt mit ihrem Vater zusammen in Berlin. Der Vater ist jüdischer Kantor, die Mutter hat die Familie verlassen, als das Kind drei Jahre alt war. Nun ist Margarita 15 und fährt in den Sommerferien ...

Margarita lebt mit ihrem Vater zusammen in Berlin. Der Vater ist jüdischer Kantor, die Mutter hat die Familie verlassen, als das Kind drei Jahre alt war. Nun ist Margarita 15 und fährt in den Sommerferien nach Chicago zu ihren Großeltern mütterlicherseits. Dort fühlt sie sich als Teenager nicht mehr wohl und so wird sie weitergereicht zu ihrer Mutter, die ein Auslandssemester in Jerusalem verbringt. Und dort geht dann alles schief.

Das Buch ist eine Mischung aus Coming-of-age-Roman, Familiengeschichte und Roadmovie. Dadurch wird es sehr abwechslungsreich und manchmal auch spannend. Margarita steckt voll in dem Ablösungsprozess von ihren Eltern, wobei die Mutter keine gute Rolle spielt. Sie ist gegenüber ihrem Kind sehr nachlässig, "vergisst" sie am Flughafen abzuholen, es findet kaum Kommunikation zwischen den beiden statt und dadurch gibt es Missverständnisse, die eine Lawine in Gang setzen. Aber auch das Verhältnis zu dem religiösen Vater ist nicht unbelastet. In der Familie gibt es Konflikte auf allen Ebenen, zwischen Eltern, Kindern und Geschwistern und sie werden nicht ausgesprochen, sondern totgeschwiegen. Dazu kommen die Belastungen der älteren Generation in Bezug auf die Shoah.

Ich war überrascht, dass das Buch ein Erstling ist, denn es ist hervorragend geschrieben, sehr sensibel und in einem sehr differenzierten Stil. Ich habe ganz nebenbei viel über das Judentum gelernt, auch über die Sicht der Israelis auf Deutschland.

Das Buch ist ein Roman für ältere Jugendliche, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen, zuerst aber würde ich es Erwachsenen jeden Alters empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.06.2023

Sehr spannend

Der Feind
0

In diesem Buch bekam ich erstmals Informationen über die "Incel"-Szene, also über Männer, die sich von Frauen abgelehnt fühlen, aber dafür nicht die Schuld bei sich selbst suchen, sondern bei den Frauen ...

In diesem Buch bekam ich erstmals Informationen über die "Incel"-Szene, also über Männer, die sich von Frauen abgelehnt fühlen, aber dafür nicht die Schuld bei sich selbst suchen, sondern bei den Frauen und sich in Fantasien ergehen, wie sie das, was ihnen vermeintlich zusteht, mit Gewalt holen können. Richtige Frauenhasser also!

Ein solcher Frauenhasser begeht in Bern einen Anschlag auf eine Frauendisco und tötet dabei mehrere Frauen und verletzt viele schwer. Während Polizeichef Sandro Bandini ermittelt, sucht auch seine Freundin, die Journalistin Milla Nova, nach dem Hintergrund der Tat und findet sich dabei in der Incel-Szene wieder. Hasserfüllte Posts in den asozialen Medien sind erschreckend und voller Gewaltfantasien, aber können diese Fantasien wirklich in die Realität umgesetzt werden? Auch der bizarre Mord an einem Mann sorgt für zusätzliche Aufregung und Ermittlungsdruck.

Das Buch ist eine echte Entdeckung, bisher hatte ich noch kein Buch von Christine Brand gelesen. Der Plot ist ungewöhnlich und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Die Hochspannung kann von Anfang bis Ende gehalten werden, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Mir haben auch die Hauptpersonen sehr gut gefallen, besonders Milla und der blinde Freund Nathaniel. Alle Personen sind vielschichtig und realistisch beschrieben.

Dazu kamen die zahlreichen Informationen über die Incel-Szene, die mich sehr erschreckt haben. Ich hätte einen solchen Frauenhass nicht für möglich gehalten. Aber im Nachwort wird dazu noch Einiges geschrieben und das hört sich sehr schlimm an. Wie "verrückt" im wahrsten Sinne des Wortes kann man sein?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.06.2023

Witzig und spannend

Ein mörderisches Paar. Das Versprechen
0

Ich bin ein großer Fan von Klaus-Peter Wolf, da muss ich mich einfach outen. Die vorigen Bücher habe ich alle gelesen, aber nun hatte ich Glück bei der Hörbuchrunde und das ist noch einmal eine ganz andere ...

Ich bin ein großer Fan von Klaus-Peter Wolf, da muss ich mich einfach outen. Die vorigen Bücher habe ich alle gelesen, aber nun hatte ich Glück bei der Hörbuchrunde und das ist noch einmal eine ganz andere Klasse.

Da der Autor das Buchs selbst liest, bekommt man einen viel besseren Eindruck, denn Wolf kann einfach lesen! Das habe ich mehrfach bei den Live-Veranstaltungen erlebt, die kann ich nur empfehlen.

Der erste Band der neuen Dr.-Sommerfeldt-Reihe ist mal wieder ein typischer Wolf. Es gelingt ihm immer eine gute Mischung aus Spannung und Humor. Herrlich, wie die Ganoven bestraft werden, auch wenn ich Selbstjustiz ja eigentlich ablehne. Aber es ist halt ein fiktiver Roman und da darf man das. Köstlich sind auch die Personenbeschreibungen, die ich ja teilweise aus den anderen Büchern schon kenne.

Ich finde das Hörbuch sehr gelungen und werde mir sicher auch noch weitere Hörbücher kaufen. Besonders für die langen Fahrten nach Ostfriesland, das Land der Serienmörder!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.06.2023

Zukunftsvision?

Going Zero
0

Das klingt nach keiner guten Kombination: Die CIA und eine private Social-Media- Firma wollen zusammen einen Betatest für ein neuartiges Überwachungssystem durchführen. Zehn Probandinnen und Probanden ...

Das klingt nach keiner guten Kombination: Die CIA und eine private Social-Media- Firma wollen zusammen einen Betatest für ein neuartiges Überwachungssystem durchführen. Zehn Probandinnen und Probanden müssen es schaffen sich 30 Tage vor dem FUSION-System zu verbergen. Damit will der Unternehmer Cy Baxter die Welt sicherer und sich selbst noch reicher machen.
Die Bibliothekarin Kaitlyn Day wurde für das Projekt auserwählt und hat sich gut vorbereitet. Aber es warten einige Überraschungen...
Auf den ersten Blick erinnerte mich der Plot an "Das Millionenspiel" von Wolfgang Menge, das in den 1970er Jahren einen ähnlichen Ansatz verfolgte. Doch im digitalen Zeitalter ist es natürlich vielfach schwieriger unter dem Radar zu bleiben. Und Cy Baxter ist ein skrupelloser Egomane, der alles dafür tut, um sein System durchzusetzen. Die Ähnlichkeit mit lebenden Männern sit sicher nicht zufällig.
Ich finde es erschreckend, wie sehr wir schon heute überall sichtbar und gläsern sind. Das wird in dem Buch sehr klar herausgearbeitet und es zeigt eine Zukunft, die nicht weit entfernt, sondern so fast schon Realität ist. Man denke nur an China.
McCarten ist es nicht nur gelungen einen spannenden Krimi zu schreiben, sondern auch die Probleme des Überwachungsstaates sehr deutlich zu machen.
Unbedingt lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.07.2022

Melancholische Familiengeschichte

Beifang
0

Frank Zimmermann ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Dafür fährt er in seine alte Heimat Selm-Beifang am Nordrand des Ruhrgebiets, wo seine Eltern gerade ihr Haus verkauft haben und in eine Seniorenwohnung ...

Frank Zimmermann ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Dafür fährt er in seine alte Heimat Selm-Beifang am Nordrand des Ruhrgebiets, wo seine Eltern gerade ihr Haus verkauft haben und in eine Seniorenwohnung gezogen sind. Da Franks Vater wenig zu erzählen weiß über die Kindheit mit seinen 10 Geschwistern, der Enge einer 60-qm-Zechenwohnung und die gewalttätigen Eltern, sucht Frank nach und nach die Geschwister des Vaters auf, um von ihnen mehr zu erfahren. Dabei entfaltet sich ein Kaleidoskop von Lebensentwürfen. Alkoholkrank und bitter arm oder wohlhabend mit einem Porsche in der Garage - dazwischen gibt es in der Reihe der Geschwister alles. Aber alle haben unterschiedliche Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, die von Schlägen und Hunger geprägt war.
Martin Simons entwickelt in seinem Buch ganz langsam die Geschichte einer Familie, wie es sie nach dem 2. Weltkrieg häufig gab. Es gab Familien, die durch das Raster des Wirtschaftswunders fielen und als "asozial" galten, man hielt sich besser von ihnen fern. Die Hintergründe wollte man nicht wissen.
Mich hat das Buch sehr berührt, denn diese Jahre waren auch meine Kindheit. Die Väter, die beschädigt aus dem Krieg heimkehrten und sich orientieren mussten, die Frauen, die ihre Fähigkeiten nicht ausleben konnten, sondern zum Hausfrauendasein zwischen Küche, Kirche und Kindern verdammt waren, Lehrer, die schlugen, aber auch die schönen Familienzusammenkünfte, bei denen es hoch herging, das alles gehörte dazu.
Simons bringt das alles wunderbar sensibel auf den Punkt. Besonders hat mich der Schluss berührt, ein Mann mit elf Kindern stirbt ganz allein im Krankenhaus.
Ein sehr gutes Buch über die Realität in den 1950er Jahren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere