Mythos Mogadischu
GSG 9 – Terror im VisierAm Anfang stand das tragische Disaster der Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Spiele in München samt gescheiterter Befreiungsmission. In diesem Jahr wird nicht nur an die Opfer des ...
Am Anfang stand das tragische Disaster der Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Spiele in München samt gescheiterter Befreiungsmission. In diesem Jahr wird nicht nur an die Opfer des Terroranschlags vor 50 Jahren erinnert, es war auch, weit weniger öffentlich, die Geburtsstunde der GSG 9, die nach der Erkenntnis aufgebaut war, dass die deutsche Polizei mit einem Terroranschlag wie in München offenbar hoffnungslos überfordert war.
Der breiten Öffentlichkeit wurde die Spezialeinheit des damaligen Bundesgrenzschutz, die heute zur Bundespolizei gehört, wenige Jahre später im deutschen Herbst ein Begriff: Die Befreiung der Geiseln aus der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" auf dem Flughafen Mogadischu wurde zum Mythos: Die Männer der GSG 9 waren die Helden in einem Drama, an dessen glücklichen Ausgang keiner mehr zu hoffen wagte - und den es für den von einem RAF-Kommando entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer dann auch nicht mehr gab.
Der ARD-Journalist Michael Götschenberg hat für sein Buch "GSG 9 - Terror im Visier" mit Beteiligten an der damaligen Befreiungsaktion gesprochen, mit heutigen Kommandeuren und Mitgliedern der Einheit, die allesamt wie üblich anonym bleiben und nur mit ihrem Spitznamen zitiert werden. Als Experte zum Thema Sicherheit ist er schon lange dran an den Spezialeinheiten und das merkt man - im Guten und im weniger Guten.
Es gibt im Journalismus ja oft diese Abwägung - wie viel Nähe, wie viel Distanz zum Thema und den Akteuren der Recherche? Wie Vertrauen schaffen, ohen Komplize, Ally, Partei zu werden? Nähe kann Zugang schaffen, aber auch den eigenen Blick trüben. Das sorgt in diesem Buch für Licht und Schatten. Ja, Götschenberg kommt an Gesprächspartner heran, die den Kontakt mit Journalisten sonst tunlichst meiden, den Medien gegenüber eher misstrauisch sind. Er erfährt von denen, die dabei waren, wie es war in Mogadischu, in Bad Kleinen, bei den Vorbereitungen auf die dann in letzter Minute abgeblasene Befreiungsaktion des von somalischen Piraten gekaperten Schiffs "Hansa Stavanger". Das ist natürlich eine spannende Lektüre, gerade weil die Menschen hinter der Funktion sichtbar werden, ihre Meinungen und Motivationen.
Klar ist aber auch schon aufgrund der Schreibweise, dass hier einer ziemlich persönlich angetan ist von der GSG 9 und ihren Mitgliedern. Da werden die Korridore der Einheit zur "große Jungs WG", da wird die Faszination an dem schweren Gerät, den Waffen, den körperlichen Höchstleistungen deutlich spürbar. Da wird auch an mancher Stelle zu wenig hinterfragt - dass es bis heute keine Frauen gibt, wird mit Blick auf die unterschiedliche Physis erklärt, nur kurz heißt es mal, es handele sich überwiegend um eine Gruppe weißer Männer.Selbst dort, wo im Zusammenhang mit Extremismusverdacht in anderen Polizeieinheiten und dem Toten- und Elitekult im Zusammenhang mit dem Frankfurter SEK die Rede ist, gibt es keinen verschärften Blick auf die GSG 9 - obwohl bei den Beschreibungen des Standorts ebenfalls von Gedenkwänden mit Bildern der im Einsatz um Leben gekommenen Beamten die Rede war.
Das sind für mich die Schwachstellen des sicherlich sehr langwierig und aufwändig recherchierten Buchs. Auch wirkt der Aufriss der Herausforderungen beim Thema innere Sicherheit und die notwendige Werte- und Führungsdiskussion angesichts der diversen Polizeiskandale etwas aufgepfropft, als häten nur noch Buchseiten gefüllt werden müssen.