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Veröffentlicht am 22.07.2022

Hommage an das Marionettentheater

Herzfaden
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Ein Mädchen besucht seinen Vater am Wochenende in Augsburg. Bei einem Besuch in der Augsburger Puppenkiste entdeckt sie eine Tür und findet sich plötzlich in einem Raum mit lauter Marionetten wieder, die ...

Ein Mädchen besucht seinen Vater am Wochenende in Augsburg. Bei einem Besuch in der Augsburger Puppenkiste entdeckt sie eine Tür und findet sich plötzlich in einem Raum mit lauter Marionetten wieder, die zum Leben erwachen. Als inmitten der Puppen auch noch Hatü, oder Hannelore, die Tochter des Begründers Walter Oehmichen auftaucht, vermischen sich Zeit und Raum. Gegenwart und Vergangenheit treffen aufeinander, werden lebendig und zusammen mit dem kleinen Mädchen wird der Leser in die Zeit der Gründung des bekanntesten deutschen Marionettentheaters entführt.

Die Augsburger Puppenkiste wird während des Zweiten Weltkriegs ins Leben gerufen, inmitten von Zensur, Luftangriffen, Tod und Grauen. Die Familie Oehmichen glaubt an die Bedeutung der Kultur und des Theaters, ist regelrecht beseelt von ihr, spielt erst im eigenen Wohnzimmer und lässt sich auch durch den Verlust und die Zerstörung von Material und Spielstätte nicht unterkriegen oder aufhalten.

Thomas Hettche hat mit “Herzfaden” ein Stück deutscher Theater- und Kulturgeschichte zum Leben erweckt. Der Roman ist eine Hommage an die Kunst des Puppenspielens, eine Hommage auch an all jene Menschen, die gegen widrige Umstände kämpfen, um Kultur zu ermöglichen und um die Vielfalt der Kultur zu bewahren. Der Roman geht zurück bis an die Anfänge und ermöglicht so einen Blick in die Geschichte des Erfolgstheaters, das die meisten Leser wohl hauptsächlich mit den Fernsehausstrahlungen in Verbindung bringen.

Der Roman ist ein großes Vergnügen, ist lehrreich und unterhaltend zugleich. Er entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann.
Erschienen ist das Buch nun bei btb im Taschenbuchformat und all diejenigen Leser, die es noch nicht im Regal stehen haben, sollten endlich dazu greifen. Es lohnt sich!

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Veröffentlicht am 22.07.2022

Die kleinen Helden in unserer Erde

Das Buch des Regenwurms. Eine Entdeckungsreise durch unsere Erde
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Was wisst ihr über Regenwürmer? Wenig? Dann geht es euch wahrscheinlich wie den meisten Menschen. Sogar die Forschung hat erst in den letzten Jahrzehnten begonnen, sich mit Regenwürmern zu beschäftigen ...

Was wisst ihr über Regenwürmer? Wenig? Dann geht es euch wahrscheinlich wie den meisten Menschen. Sogar die Forschung hat erst in den letzten Jahrzehnten begonnen, sich mit Regenwürmern zu beschäftigen und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie wichtig sie für uns sind.

Dabei würde nicht nur unsere Landwirtschaft ohne Regenwürmer zusammenbrechen, wir hätten beispielsweise auch mehr Überschwemmungen. Denn Regenwürmer pflügen unsere Böden ständig um, machen sie so durchlässiger für Wasser, nährstoffreicher und auch fruchtbarer. In der Zukunft werden sie außerdem auch eine Rolle in der Medizin und Ernährung spielen. In der Kosmetik tun sie es jetzt schon, da ihr Schleim für Anti-Falten-Produkte genutzt wird.

Sally Coulthards Buch macht seinen Lesern bewusst, wie essentiell diese kleinen Tiere für uns sind und füllt zahlreiche Wissenslücken. Denn wer von uns weiß schon, ob Regenwürmer sehen können? Ob sie Freunde haben oder Häuser bauen? Oder ob sie wirklich überleben können, wenn man sie in der Mitte trennt?

Die Antworten zu diesen Fragen und vielen weiteren finden sich in Coulthards verständlichem, spannendem und vor allem wichtigem Buch. Es enthält im Übrigen Ideen und Anleitungen dazu, wie man den eigenen Garten regenwurmfreundlicher gestalten kann. Denn natürlich setzen die industrielle Landwirtschaft, Pestizide und Mikorplastik auch den Würmern in der Erde zu.

Deshalb: eine Empfehlung für alle mit und auch alle ohne Garten.

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Veröffentlicht am 22.07.2022

„Das Ich möchte Wurzeln schlagen“

heute graben
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Mario ist Totengräber, Schriftsteller und hängt seiner großen Liebe A. nach, die er im Zug kennenlernte. Er verarbeitet diese Liebe in Form eines Romans, schreibt nebenbei Notizbücher und legt in ihnen ...

Mario ist Totengräber, Schriftsteller und hängt seiner großen Liebe A. nach, die er im Zug kennenlernte. Er verarbeitet diese Liebe in Form eines Romans, schreibt nebenbei Notizbücher und legt in ihnen sein Innerstes offen. Ein Inneres, in dem viel vergraben ist: Vergangenes, Sehnsüchte, Verluste und eine Lungenkrankheit, die nun ausbricht und unter der auch Thomas Bernhard zu leiden hatte.

„Heute graben“ erzählt von Tod und Liebe, von Sehnsüchten und Vergänglichkeit, von Entfremdung und gleichzeitig von dem Wunsch nach Verwurzelung im eigenen Leben. Mario macht häufig den Eindruck, als wäre er in jeder Hinsicht auf der Suche, als würde ihm nichts Halt geben. Seine Dates und Bekanntschaften mit Frauen, die in alphabetischer Reihenfolge von A. bis Z. durchbenannt sind, sind zum Scheitern verurteilt. Er wird verlassen, zurückgewiesen und sogar das Schreiben, das einzige Mittel der Verarbeitung, scheint ihm zuweilen zu entgleiten. Auch sein eigener Körper wird ihm fremd, steht Thomas Bernhard fast schon näher als ihm selbst.

Es ist ein Entfremdungsnarrativ, das sich vor den Augen des Lesers auftut, eine Geschichte über Enttäuschungen und Scheitern. Gleichzeitig ist der Roman komisch, ironisch und driftet nie ins Düstere, ins depressive Dunkle ab, trotz dieser schweren Themen. Schlembach bewahrt eine Balance und scheut nicht davor zurück, auch die leichten Momente zu suchen. Sein Stil wechselt dabei, ist in den tagebuchartigen Einträgen mal fragmentarisch, dann wieder ausfüllender und länger.

Der Roman liest sich intensiv, ist eine wahre Entdeckung und hat viele Leser verdient!

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Veröffentlicht am 22.07.2022

Vergangenes oder die Angst vor der Zukunft

Zeitzuflucht
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In “Zeitzuflucht” entwirft der bulgarische Autor Georgi Gospodinov eine Zukunft, in der Menschen in einer Klinik für die Vergangenheit in alten Zeiten leben können. Was zunächst als geriatrische Einrichtung ...

In “Zeitzuflucht” entwirft der bulgarische Autor Georgi Gospodinov eine Zukunft, in der Menschen in einer Klinik für die Vergangenheit in alten Zeiten leben können. Was zunächst als geriatrische Einrichtung für Alzheimer- und Demenzkranke gedacht ist, die in der einzigen Zeit, an die sie sich noch zu erinnern vermögen, glücklich ihre letzten Lebensjahre verbringen sollen, wird schon bald so beliebt, dass sich auch gesunde Menschen in die Zimmer einmieten.

Und dann macht sich die Vergangenheit auf, ganz Europa zu erobern. Plötzlich wollen Menschen wieder an Schreibmaschinen schreiben, wollen, dass ihre Milch von Milchmännern gebracht wird, lesen Zeitungen, hören Radio, tragen Trachten und sprechen antiquiert. Der Höhepunkt der Zeitzuflucht wird erreicht, als es zu nationalen Abstimmungen kommt, in der jedes Land entscheiden soll, in welchem Jahrzehnt sie von nun an leben wollen.

Was ist Vergangenheit? Was sind Erinnerungen? Und vor allem: Wie sicher sind sie und wie sehr kann man sich auf sie verlassen? Bis zu welchem Grad sind sie unsere eigenen und wie sehr werden sie von anderen beeinflusst? Auch: Wie schnell vergessen wir das, was wirklich war, idealisieren das Vergangene, verklären, blenden aus und schwelgen kritiklos?

All diesen Fragen widmet sich Gospodinov mit seinem Gedankenexperiment, das vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine plötzlich nicht mehr nur wie eine utopische Fantasie wirkt, sondern in gewisser Weise längst in die Realität eingedrungen ist.

Und deshalb erscheint es einem plötzlich kaum noch abwegig, wenn sich die Menschen in Bulgarien wieder mit “Genosse” ansprechen und wenn die Rückkehr zum Sozialismus so reibungslos verläuft, dass es wirkt, als wäre er nie weg gewesen.

Trotzdem bleibt der Humor und die Ironie, die die Geschichte ausmachen. Das Komisch-Absurde der ganzen Situation wird immer wieder auf die Spitze getrieben, zum Beispiel wenn der Erzähler eine Karte eines Großbulgariens sieht „von dem ich mich nicht erinnern konnte, wie genau es in dieser Form existiert hätte [...]. Fast ganz Europa war bulgarisch, plus zwei Stück, die von Asien abgeschnitten worden waren“.

Der Roman bricht mit dem Traum einer geordneten Vergangenheit, die Geborgenheit und Sicherheit bietet, weil in ihr die Zukunft bereits feststeht und sie nichts Unerwartetes bereit hält. Er ist klug, scharfsinnig und geistreich. Eine lohnende Lektüre!

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Veröffentlicht am 22.07.2022

Für alle Literaturliebhaber

Bei Regen in einem Teich schwimmen
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Wie funktionieren Geschichten eigentlich? Welche Erwartungen wecken sie im Leser und wie lenken sie die Wahrnehmung?

Diesen Fragen geht George Saunders in seinem neuen Buch “Bei Regen in einem Teich ...

Wie funktionieren Geschichten eigentlich? Welche Erwartungen wecken sie im Leser und wie lenken sie die Wahrnehmung?

Diesen Fragen geht George Saunders in seinem neuen Buch “Bei Regen in einem Teich schwimmen” nach, indem er sich intensiv sieben Kurzgeschichten der russischen Meister annimmt. Er kann dabei auf seinen Erfahrungen als Dozent an der Syracuse University aufbauen, wo er jahrelang Creative Writing unterrichtet hat. Wir als Leser haben nun die wunderbare Möglichkeit, in eines seiner Seminare reinzuschnuppern. Wir können unter Saunders Anleitung das entdecken, was Literatur ausmacht und tauchen tief in die Zeilen der von ihm ausgewählten Kurzgeschichten ein.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Buch jeden, der sich für Literatur interessiert, begeistern wird. Es ist klug und zeugt von einem tiefen Verständnis für die Gattung der Kurzgeschichten, der Saunders sich selbst als Autor gewidmet hat. Sein eigenes Können beweist er im Übrigen in seinen Erläuterungen, die seinen Humor und seinen meisterhaften Umgang mit Sprache widerspiegeln.

“Bei Regen in einem Teich schwimmen” ist ein Buch für alle leidenschaftlichen Leser, Fans von Kurzgeschichten und der russischen Literatur, für Nerds der Literaturwissenschaft und Close Reading-Liebhaber, für angehende Schriftsteller und Hobbyautoren. Und auch allen anderen, die sich in dieser Liste nicht wiederfinden, kann das Buch nur ans Herz gelegt werden! Es ist eine Bereicherung und ein riesiges Vergnügen.

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