Überzeugend
LapvonaLapvona, ein mittelalterliches Fürstentum. Das ist der Ort, an dem Otessa Moshfeghs neuer Roman spielt. Villiam, der Fürst, thront in seinem Schloss über dem Dorf. Mithilfe des Pfarrers, Wachposten und ...
Lapvona, ein mittelalterliches Fürstentum. Das ist der Ort, an dem Otessa Moshfeghs neuer Roman spielt. Villiam, der Fürst, thront in seinem Schloss über dem Dorf. Mithilfe des Pfarrers, Wachposten und Räuberbanden hält er die Dorfbevölkerung unter Kontrolle, erstickt jede Unzufriedenheit im Keim und lässt die Menschen Hunger leiden und verdursten, wenn ihm danach ist.
"Furcht und Schrecken waren gut für die Moral, glaubte Villiam."
Marek ist der Sohn des Lammhirten Jude. Er wächst ohne Mutter auf, ist missgebildet, kindlich und naiv. Als er versehentlich den Sohn des Fürsten umbringt, verändert sich sein Leben schlagartig, denn er zieht ins Schloss und ersetzt dem Fürsten fortan den verlorenen Sohn.
Otessa Moshfeghs Roman kreist, wie man es von ihr gewohnt ist, um das Düstere, Dunkle und bisweilen auch Eklige. Doch er tut dies nicht um derer selbst willen. Er will nicht schockieren, nur um zu schockieren. Ganz im Gegenteil offenbart er durch diesen Fokus die Abgründe der Menschen. Machtverhältnisse, Tyrannei, die Funktionsweisen von Unterdrückung: All diese Themen machen den eigentlichen Kern des Romans aus.
Das gelingt besonders gut durch Mareks Weltenwechsel. Die erste Hälfte des Romans macht den Leser mit dem Leben im Dorf vertraut, die zweite nimmt ihn an Mareks Seite mit ins Schloss, also ganz nah heran an die Lächerlichkeit der Mächtigen. An Villiam, der von ständiger Langeweile geplagt wird und der sich von seiner Dienerschaft bespaßen lässt. Er verkörpert auf anschaulichste Weise eine Herrscherfigur, die den Bezug zur Realität nicht verloren, sondern ihn nie gehabt hat.
Moshfegh zeichnet ein groteskes Porträt der menschlichen Gesellschaft, das zwar im Mittelalter angesiedelt ist, sich aber nie weit weg anfühlt. Und das ist vielleicht das Erschreckende, aber gleichzeitig auch Grandiose an diesem Roman.
Zusätzlich überzeugt der Roman sprachlich, stilistisch und schafft es in gewohnter Moshfegh-Manier, den Lesenden in seine Welt zu ziehen. Deshalb gilt: Lapvona sollte man nicht, man muss es gelesen haben! 🐑