Cover-Bild RCE
26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 704
  • Ersterscheinung: 05.05.2022
  • ISBN: 9783462001648
Sibylle Berg

RCE

#RemoteCodeExecution. Roman

»Eine Pause im Irrsinn.

Noch eine Anstrengung, das Aussterben zu verhindern,

in einer seltsamen Entschlossenheit vereint.

Es ist der letzte Versuch.«

Sibylle Bergs neuer Roman setzt da an, wo »GRM« endet – in unserer neoliberalen Absurdität, in der der Einzelne machtlos scheint. Der Kapitalismus ist alternativlos geworden. Das beste aller Systeme hat wenigen zu absurdem Reichtum verholfen und sehr vielen ein menschenwürdiges Dasein genommen. Die Krise ist der Normalzustand, Ausbeutung heißt nicht mehr »Kolonialismus« sondern »Förderung strukturschwacher Länder«. Inflation, Seuchen, Kriege, Diktatoren, Naturkatastrophen, Müllberge. Und die Menschheit vereint nur noch in ihrer Todessehnsucht. Die Lage scheint ausweglos. Aber in einem abhörsicheren Container brennt noch Licht. Fünf Hacker programmieren die Weltrettung.

Manchmal gibt es diese historischen Momente, in denen Mauern eingerissen werden, Frauen studieren und wählen dürfen, Rassismus nur noch in einigen Köpfen existiert, Geschlechter keine Rolle mehr spielen, in denen verschwindet, was Menschen für hundert Jahre für ein Naturgesetz hielten. 

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2022

Scharfsichtiger Ausblick auf die Zukunft

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Sibylle Berg ist wütend. Und sie macht ihrem Ärger Luft. Das wissen alle, die GRM Brainfuck gelesen haben oder ihre Kolumnen im Spiegel kennen. Ich schätze ihre Kolummnen, ihren entlarvenden Blick auf ...

Sibylle Berg ist wütend. Und sie macht ihrem Ärger Luft. Das wissen alle, die

GRM Brainfuck gelesen haben oder ihre Kolumnen im Spiegel kennen. Ich schätze ihre Kolummnen, ihren entlarvenden Blick auf unsere gesellschaftliche Realität und den Zustand der Welt. Manchen mögen sie übertrieben vorkommen, zu pessimistisch sein, aber wenn man genau hinschaut, kann man ihnen weder den Wahrheitsgehalt noch die Relevanz absprechen.

Und auch ihr neuer Roman „RCE:

RemoteCodeExecution“ ist, wie bereits der Vorgänger „GRM. Brainfuck“, eine weitergedachte Gegenwartsanalyse, ein realistisches Szenario, das aufrütteln soll, denn mittlerweile sind einige Jahre vergangen, und der Zustand der Welt hat sich weiter verschlechtert. Der Neo-Kapitalismus trägt deutlich feudalistische Züge. Mittelschicht? Verarmt. Privater Grundbesitz? Nicht für „normale“ Menschen. Der Alltag? Deprimierend. Klimawandel, verödete Städte, Digitalisierung, umfassende Überwachung, die Politik hat ihren Einfluss verloren. Geld regiert die Welt und mit ihnen die Banken, Tech-Riesen, Großkonzerne und Oligarchen.

Kurzer Einschub mit Blick auf unsere reale Gegenwart: 2020 zeigt die Auswirkungen der Pandemie und die Richtung, in die die Entwicklung geht. Es gibt eine Schätzung der Weltbank, nach der dadurch mehr als 100 Millionen Menschen zusätzlich durch den Einbruch der Wirtschaft, Arbeitslosigkeit etc. absolut verarmt sind, während die ca. 2.700 Milliardäre weltweit ihr Vermögen um 60 Prozent gesteigert haben. Und durch den aktuellen Krieg wird es mit Sicherheit noch einmal einen größeren Zuwachs erfahren.

Ist eine Kehrtwende noch möglich? Zumindest versuchen wollen sie es, eine Gruppe von vernetzten IT-Nerds, die die Digitalisierung für ihre Zwecke nutzen wollen und vom Tessin aus weltweit Brigaden rekrutieren. Mit ferngesteuerten Zugriffen wollen sie in die Systeme der Herrschenden eindringen, den Stecker ziehen und einen Neustart erzwingen. Möge es gelingen.

Ist das fiktional? Eine Dystopie? Könnte man annehmen, aber das greift viel zu kurz. Es ist weit mehr als das. Frau Berg hat umfassend recherchiert, erschlägt den Leser fast schon mit den Fakten, die sie zutage gefördert hat und hier verarbeitet. Aber wenn man über den eigenen Tellerrand schaut, genauer hinsieht, weiterdenkt, scheint das Szenario, das sie hier kreiert, absolut realistisch und glaubwürdig. Eine Brandrede, die aufrütteln soll. Eine klug analysierende Bestandsaufnahme. Und gleichzeitig ein deprimierender Ausblick auf Veränderungen, die es zu verhindern gilt. Lesen!

Veröffentlicht am 23.07.2022

Die Lage

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Die Lage ist aussichtslos und die Stimmung ist ohne Hoffnung. Die wenigen Reichen werfen mit Phrasen um sich, um schließlich noch mehr Geld zu scheffeln und den weniger Begüterten einzureden, man tue schon ...

Die Lage ist aussichtslos und die Stimmung ist ohne Hoffnung. Die wenigen Reichen werfen mit Phrasen um sich, um schließlich noch mehr Geld zu scheffeln und den weniger Begüterten einzureden, man tue schon das Beste. Für die Gruppe von Freunden um Ben, die schon einmal versucht haben die Welt zu retten, mittelfristig allerdings gescheitert sind, ist es an der Zeit die Situation zu verändern. Doch können einige noch immer relativ junge Nerds die Welt verändern? Schließlich ist der Versuch schon einmal schief gegangen und die Menschen scheinen noch träger und desinteressierter geworden zu sein.

Entvölkerte Landschaften, zu wenige Arbeitsplätze, leere Regale, heruntergekommene Häuser oder gar keine Häuser, Ausbeutung in den raren Jobs, Europa eine Festung der Überalterung. Gruselig. Kein Wunder, dass die Reichen sich lieber mit dem Kapital, dem Shareholder-Value beschäftigen. Sie bleiben unter sich und ihre Lobbyisten blasen den Politikern, die auch lieber nichts mit der Welt da draußen zu tun haben wollen, schon die richtigen Sätze ein, die zu der richtigen Politik führen. Dann werden die Reichen noch reicher und die Armen noch abhängiger. Die Freunde haben sich das nun lange genug angeschaut, so langsam ist es Zeit, etwas zu unternehmen.

Seit GRM sind einige Jahre vergangen. Die Menschheit steckt weiter in einer Krise, wie kann es erstrebenswert sein, freiwillig das Leben aufzugeben? Kein Wunder, dass Ben sich an seine alten Freunde erinnert und sie gemeinsam einen Plan aufstellen, durch den sich alles ändern soll. Muss es schlimmer werden, damit es besser werden kann? Manchmal ist es so. Auch wenn die Form schon aus GRM bekannt ist, schafft es die Autorin wieder, ihre Leser zu fesseln. Die Beschreibung der überbordenden Macht der Algorithmen, der lenkbaren Individuen, die eigentlich keine individuellen Persönlichkeiten mehr sind, denn anstatt sich zu treffen, hängen sie lieber an ihren sozialen Geräten oder in ihren sozialen Netzen, wo sie am liebsten denen glauben, die unglaublichsten Geschichten erzählen. In so einer Welt möchte man nicht leben, man fragt sich allerdings, ob man nicht schon relativ nahe dran ist. Kann die Menschheit, die so hoffnungslos ist, bewegt werden, etwas zu ändern? Und mit welchen Mitteln? Auch wenn dieser Roman vielleicht nicht ganz den Esprit von GRM hat, so bearbeitet die Autorin diese spannende Frage mit packenden Worten. Wieder hält sie der Gesellschaft einen Spiegel vor. Schön, wenn dies zum Nachdenken anregte.