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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.07.2022

Beeindruckend und erschütternd

Dein Schweigen, Vater
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Inwieweit werden Kinder von den Traumata ihrer Eltern beeinflusst? Die Geschichte von Uli und Marie, die der Vergangenheit ihres, niemals über sie redenden, verstorbenen Vaters Paul auf den Grund gehen ...

Inwieweit werden Kinder von den Traumata ihrer Eltern beeinflusst? Die Geschichte von Uli und Marie, die der Vergangenheit ihres, niemals über sie redenden, verstorbenen Vaters Paul auf den Grund gehen wollen, zeigt eindringlich, wie sehr historische Ereignisse ganze Generationen beeinflussen - selbst wenn oder gerade weil man nicht über sie spricht.
Paul erlebt den 'Todesmarsch von Brünn' als Junge mit, bei dem 27.000 Deutsche aus dem tschechischen Brünn am 31. Mai 1945 in wilder Vertreibung bis über die niederösterreichische Grenze gejagt werden. Über dieses einschneidende Ereignis kann er als Überlebender nicht reden, doch beeinflusst es sein ganzes Leben und das Leben der Generation danach. Nach dem Tod des Vater gehen die Kinder Marie und Uli auf Spurensuche und vollziehen den Marsch von Brünn aus, in Teilen, selbst nach.
Die Autorin schafft es atmosphärisch dicht die Angst, Wut, Verzweiflung erfahrbar zu machen, die nicht nur der Vater gefühlt hat, sondern die auch im Kopf der Kinder, speziell bei Marie vorhanden ist. Man hat phasenweise das Gefühl, als würden die Toten wieder lebendig werden.
Sehr emotional war für mich der letzte Teil des Buches, in dem es ein völlig unerwartetes 'Wiedersehen' aus der Vergangenheit gibt und dort wird einiges geklärt. Erst zum Ende habe ich erfahren, dass die Autorin hier auf Erfahrungen der eigenen Familiengeschichte zurückgreift, was es im Nachgang noch realistischer werden lässt. Das Buch ist schwere Kost - definitiv. Doch es ist unbedingt sehr lesenswert. Ein wirkliches Highlight für mich.

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Veröffentlicht am 28.07.2022

Klasse Anfang eines Zweiteilers

Das Tor zur Welt: Träume
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Ava de Buur, die als Kind von ihren Eltern, welche nach Amerika auswandern wollen, bei Moorbauern in Pflege gegeben wird, zieht es nach dem Tod der Pflegeeltern nach Amerika um ihre Familie zu suchen. ...

Ava de Buur, die als Kind von ihren Eltern, welche nach Amerika auswandern wollen, bei Moorbauern in Pflege gegeben wird, zieht es nach dem Tod der Pflegeeltern nach Amerika um ihre Familie zu suchen. Um sich dafür das Geld zu verdienen verdingt sie sich in Hamburg als Fabrikarbeiterin, Dienstmädchen und arbeitet auch in der Hamburger Auswandererstadt. Dort lernt sie die reiche, verzogene Claire kennen, welche dort soziale Stunden ableisten muss. So unterschiedlich auch die Herkunft der beiden Frauen ist, eins ist doch gleich - um die Zeit 1911 - haben Frauen wenig Rechte, werden von Männern dominiert und versucht klein zu halten. Die beiden reagieren darauf auf ihre eigene Weise. Umrahmt wird die Hauptgeschichte von Episoden aus der Vergangenheit anno 1883.
Die Autorin schildert historisch gut recherchiert, die Zustände der damaligen Zeit überaus plastisch und beschönigt nichts. Die Armut und das Leid der Menschen wird genauso erfahrbar, wie der überbordende Reichtum der anderen Hälfte der Gesellschaft. Augenscheinlich freunden sich Ava und Claire an, doch als wahre Freundschaft würde ich es nicht von beiden Seiten aus sehen. Die Figuren sind schön gezeichnet und für den Leser als Persönlichkeiten erkennbar. Ava war mir aber immer sympathischer und ehrlicher in ihren Handlungen als Claire, mit der ich nicht warm werden konnte und am Ende des Buches dachte: recht geschieht ihr, was ihr geschieht. Leider endet die Geschichte mit einem 'bösen' Cliffhanger - also muss ich unbedingt den, im Oktober erscheinenden zweiten Teil lesen.
Das Cover ist schön gestaltet und passt gut zu der Geschichte. Toll auch, dass hinten im Buch noch Fotos aus der damaligen Zeit als Anhänge eingefügt sind.
Mein Fazit: unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 23.07.2022

Beeindruckend gewaltig und leider auch historisch belegt

Denk ich an Kiew
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Was für ein bewegendes Buch! Ich musste mich wirklich zwingen, es aus der Hand zu legen, sonst hätte ich es nicht verdauen können und in einer Nacht gelesen, egal wie spät es auch immer wäre. Die Geschichte ...

Was für ein bewegendes Buch! Ich musste mich wirklich zwingen, es aus der Hand zu legen, sonst hätte ich es nicht verdauen können und in einer Nacht gelesen, egal wie spät es auch immer wäre. Die Geschichte erzeugt so einen Sog, dass es sehr schwierig ist, sich dem zu entziehen.
Die Geschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt: zum einen in den 1930- ziger Jahren in der Ukraine unter stalinistischem Terror - hier erlebt der Leser die Geschichte von Katja, Alina und ihrer Familie mit einigen Höhen und vielen Tiefen - und der zweiten Strang spielt in Amerika in den 2000- sender Jahre - Cassie und ihre Tochter Birdie, die erste gefühlsverarmt, weil ihr Mann gestorben ist und ihre Tochter (Birdie) seit dem Tod des Vaters verstummt, müssen / wollen Cassies Großmutter helfen, die immer mehr verwirrt ist, in ukrainischer Schrift Zettel schreibt, Vorräte hütet, sich vielleicht selbst gefährdet und allein nicht mehr in ihrem Zuhause zurechtkommt.
Auch wenn die Ukraine jetzt aktueller ist als alles, doch was zu Josef Wissarionowitsch Dschughasschwilis Zeiten geschehen ist - der Holodomor - ist Geschichte und schlimme Geschichte. Das Verhungern von Zehntausenden wird in dem Buch beschrieben, so dass ich mich nicht entziehen konnte. Alles wirkt noch Generationen weiter, die Angst vor - ja vor was? - hier findet jede/r Leser eine eigene Antwort. Und ich mag mir nicht ausdenken, wie aktuell solche Geschichten heute wieder sind, was die Ukraine und Russland betrifft.
Berührt hat mich auch das Vorwort der Autorin, die die Idee zum Buch hatte, bevor Putin in die Krim einfiel, dann Jahre brauchte, es zu schreiben und dann plötzlich die Geschichte sie überholte, der Krieg aktuell wurde, als das Buch fertig war. Was für eine Ironie, immer zu spät zu sein. Es ist für mich ein Highlight des Jahres und bewegend, traurig, gewaltig, herausfordernd, mutmachend und sowas von lesenswert!

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Veröffentlicht am 13.07.2022

Faszinierender historischer Roman!

Gotteshand und Teufelsbiss
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Mal wieder ein tolles Buch von Christine Ambrosius - sehr gut recherchiert und aus einer lang vergangenen Zeit. Dieses Mal aus dem Jahre 1691 aus der Kurstadt Dresden - eine Zeit der Hexenverfolgungen, ...

Mal wieder ein tolles Buch von Christine Ambrosius - sehr gut recherchiert und aus einer lang vergangenen Zeit. Dieses Mal aus dem Jahre 1691 aus der Kurstadt Dresden - eine Zeit der Hexenverfolgungen, Kräuterfrauen, fanatischen Priester und höfischen Intrigen. Hier prallen detailreich beschrieben und gut recherchiert zwei Welten - die der einfachen Leute und die des Hofes um den Kurfürsten Johann Georg III. aufeinander. Ein Dramatis Personae am Anfang des Buches gibt genau Auskunft über die historischen und die für die Geschichte unerlässlichen fiktiven Personen.
Das, was eigentlich eine (Liebes-) Geschichte zwischen der Kräutersammlerin Lena und dem Arzt Martin hätte sein können weitet sich aus zu einem Historienkrimi feinster Art und ganz 'nebenbei' ist es auch eine einfühlsame Geschichte über die Emanzipation von Frauen - Lena sowie ihre Mutter Sabina - in einer Zeit, in welcher solches Ansinnen im schlimmsten Fall auf dem Scheiterhaufen enden konnte.
Christine Ambrosius hat mir einmal mehr sehr spannende, nachdenkliche, traurige und vergnügliche Lesestunden beschert. Ein Buch mit einer klaren Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 08.07.2022

Absolutes Highlight

Winterschwestern
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Das zweite Buch, welches ich von der Autorin gelesen habe - das erste 'Die vier Winde' über die Zeit der amerikanischen Dust Bowl, war schon interessant. Dies Buch hat mich allerdings total fasziniert. ...

Das zweite Buch, welches ich von der Autorin gelesen habe - das erste 'Die vier Winde' über die Zeit der amerikanischen Dust Bowl, war schon interessant. Dies Buch hat mich allerdings total fasziniert. Das Cover ist ähnlich dem des ersten Buches und es hat Wiedererkennungswert. Eigentlich dachte ich ein Buch über eine Familie zu lesen, die sich über den Tod des Vaters wiederfindet, doch das ist nur ein Aspekt - ob er gelingt ist lange nicht klar. Also zum Inhalt: als der Vater im Sterben liegt nimmt er den Schwestern Meredith und Nina das Versprechen ab, sich von ihrer Mutter, die für sie nie eine Mutter war, ein bestimmtes Märchen erzählen zu lassen. Allein das ist schon seltsam, doch es reizte mich, zu lesen, was dabei herauskommt. Doch je weiter die Geschichte fortschritt, ahnte ich, dass es kein Märchen im eigentlichen Sinne sein konnte - ein Märchen, das immer mehr sich auf Leningrad bezog, was sollte das sein? Nur ganz nebenbei, haben natürlich auch die Schwestern ihr eigenes 'Privatleben' das immer mal wieder in die Hauptgeschichte hineingrätscht.
Nach und nach entwickelt sich die Geschichte, die die Mutter erzählt zu etwas, was am Ende sehr gut recherchiert ist, ich niemals so erwartet hätte und mich mehrfach zu Tränen gerührt hat. Historisch gesehen hätte und hat es bestimmt auch tausendfach, genauso geschehen ist. Die Auflösung und das Ende sind einfach überwältigend für mich gewesen und haben mich mit allen Charakteren versöhnt. Ein Highlight diese Jahres für mich, auch wenn es definitiv nicht einfach zu verdauen ist.

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