Die neun Leben des Paul Brenner
Kerl aus KoksMal eben noch dem Tod von der Schippe springen - das hat Paul Brenner nicht nur einmal erlebt, teils selbst verschuldet, teils durch unglückliche Umstände. Aber Paul ist zäh, hat einen enormen Lebenswillen ...
Mal eben noch dem Tod von der Schippe springen - das hat Paul Brenner nicht nur einmal erlebt, teils selbst verschuldet, teils durch unglückliche Umstände. Aber Paul ist zäh, hat einen enormen Lebenswillen und beißt sich immer wieder durch. Er ist ein Kämpfertyp, der es versteht, aus seinem Leben in jeder Situation das jeweils beste zu machen.
Dieser Roman mit biographischen Zügen wird erzählt von dem Schauspieler Michael Brandner, alias Paul Brenner. Wie es scheint, war sein Leben sehr abwechslungsreich und geprägt von ständigen Höhen und Tiefen.
Der kleine Paul wird von seiner ledigen Mutter in eine Pflegefamilie in Bayern gegeben, wo er sich wohlfühlt und naturverbunden lebt. Aber eines Tages holt ihn seine leibliche Mutter ins Ruhrgebiet, denn sie hat geheiratet und möchte Paul zu sich nehmen. Damit verändert sich Pauls Leben rasant, aber er findet Wege, um das neue Leben zu genießen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn ist geprägt von ständigen Vorwürfen und Forderungen. Seine Mutter fühlt sich im Pott fehl am Platze, sie hat was Besseres verdient, sagt sie. Sein Stiefvater Helmut ist für Paul ein guter Freund, der zu ihm hält, oftmals auch gegen die Mutter, so dass kein harmonisches Familienleben entstehen kann. Hinzu kommen neue Erfahrungen für den Jungen: er wird sehr krank und spürt Todesnähe.....
Diesen ersten Teil fand ich sehr atmosphärisch. Der Autor beschreibt glaubwürdig und ergreifend, wie es damals nach dem Krieg in den Familien zuging, er beschreibt die Armut, die Raumnot, die Tagesgestaltung. Ich habe diesen Part sehr gern gelesen und mich in einer anderen Welt gefühlt.
Der Umbruch kam für mich, als Paul mit ein paar Freunden in einem alten Opel nach Großbritannien fährt, um Urlaub zu machen. Er gerät in einen regelrechten Freiheitsrausch und bricht die Fachoberschule ab. Es folgen zahlreiche Jobs, viele Liebschaften, Drogenerfahrungen und diverse Wohnungswechsel. Ab hier bleibt alles an der Oberfläche, vieles wird nur angedeutet, es gibt keinen Tiefgang mehr, z.B. wird ein Kumpel aus der Psychiatrie zurückgeholt, aber wie? Man hat das Gefühl, einen Ausflug in eine übersteigerte Fantasie zu machen. Während mich Pauls Leben als Kind und Teenager sehr berührte und spannend war, kamen nun langatmige Passagen, geprägt von einem Paul, der sich einer übertriebenen Selbstdarstellung ausliefert und keine Grenzen kennt. Besonders sein Umgang mit Frauen hat mir nicht gefallen.
Der lebendige Schreibstil mit humorvollen und ironischen Elementen hat mich besonders im ersten Teil sehr angesprochen, z.B. die Szene der Musterung. Leider hat sich diese Lebendigkeit im zweiten Teil verändert. Dieser Part erschien mir hektisch, wie Pauls Leben in diesen Jahren.
Dem ersten Teil hätte ich ohne Zögern fünf Sterne zuerkannt. In Anbetracht des deutlich schwächeren zweiten Teils vergebe ich nun vier. Denn interessant ist das Buch alles in allem auf jeden Fall.