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Veröffentlicht am 15.09.2016

Aufstehen, wenn andere den Kopf einziehen

Der Hexenschöffe
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Rheinbach, 1636: Hermann Löher hat alles, was man sich so wünschen kann. Eine liebevolle Ehefrau, gelungene Kinder, ein gutgehendes Geschäft, den angesehenen Posten eines Schöffen. Doch Letzteres scheint ...

Rheinbach, 1636: Hermann Löher hat alles, was man sich so wünschen kann. Eine liebevolle Ehefrau, gelungene Kinder, ein gutgehendes Geschäft, den angesehenen Posten eines Schöffen. Doch Letzteres scheint ihn jetzt ganz tief runterzuziehen in den Sumpf aus Verleumdung, willkürlicher Anklage, grausamer Folter und Tod. Denn in Rheinbach werden wieder Hexen verbrannt. Und Löher kann nicht mehr einfach nur zusehen und den Kopf einziehen, auch wenn er damit sich selbst und seine Familie gefährdet.

Dieses Buch macht nachdenklich. Dieses Buch macht wütend. Dieses Buch macht betroffen. Dieses Buch macht aber auch große Lesefreude. Ich ziehe meinen Hut vor der Autorin, dass sie es geschafft hat, dieses Thema so gekonnt umzusetzen. Hermann Löher war eine reale Person, ein Großteil des Geschehens im Buch ist tatsächlich so passiert. Im hohen Alter hat er seine Erlebnisse in der Anklageschrift „Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage Der Frommen Unschültigen“ verarbeitet, ein Werk, das auch heute noch nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat. Schier stellt jedem Kapitel einen kurzen Abschnitt aus dieser Schrift voran, sodass sich der Leser ein Bild von Löhers Werk machen kann. Auch sonst merkt man dem Buch jede Stunde der ausführlichen Recherche an, egal ob es sich um die Hexenprozesse selbst oder das Brauchtum aus der Rheinbacher Gegend handelt. Das macht das Buch so authentisch und lebensnah. Manchem Leser werden die Folterszenen und Verhöre zu grausam sein, denn die Autorin beschönigt nichts, aber auch gar nichts. So manches Detail des üblichen Prozederes war mir unbekannt und hat mich fassungslos und angewidert zurückgelassen. Aber genauso ist es hundertfach passiert, auch wenn man da heute nur noch den Kopf schütteln kann über so viel menschenverachtendes Tun.

Aber auch die fiktive Seite der Geschichte hat zum Mitfiebern eingeladen, denn das Leben der Familie Löher wird sehr bunt und realistisch geschildert. Die Charaktere, die dieses Buch bevölkern sind sehr gut gelungen. Ob es der reale Hexenkommissar Dr. Möden ist, der gerade durch seine absolut kalte und berechnende Art, die er hinter einem fiesen Lächeln versteckt, noch beängstigender wird. Oder die fiktive Figur der Margarete, die dem Leser langsam, aber sicher ans Herz wächst. Alle sind sehr plastisch gezeichnet und sorgen zusammen mit dem sehr flüssigen Erzählstil dafür, dass man das Buch erst zur Seite legen kann, wenn man die letzte Zeile gelesen hat.

Fazit: ein ausgezeichneter historischer Roman über die Hexenverbrennungen. Keine leichte Kost, aber absolut zu empfehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Bitte mehr davon Mr Callaghan!

Blutiger Winter
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Bischtek, Kirgisistan, tiefster Winter: der frisch verwitwete Akyl Borubaew ist Inspektor bei der Mordkommission. Er ermittelt um den unfassbar grausamen Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Diese wurde ...

Bischtek, Kirgisistan, tiefster Winter: der frisch verwitwete Akyl Borubaew ist Inspektor bei der Mordkommission. Er ermittelt um den unfassbar grausamen Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Diese wurde nicht nur brutal aufgeschlitzt, sondern ihr wurde zudem ein ungeborenes Kind in den Uterus gelegt. Doch in Kirgisistan mangelt es an allem und jedem und so werden die üblichen Ermittlungen durch mangelnde technische Ausrüstung erschwert; oder dadurch, dass Beweismaterial auf der Stelle „verschwindet“ um für ein paar Som verkauft zu werden; oder durch Akyls Vorgesetzte, die wie alle anderen auch genau wissen, dass man vor den Mächtigen im Land kuschen muss, weil man sonst gnadenlos untergeht.

Zu Kirgisistan wusste ich bisher wenig bis gar nichts, umso mehr war ich auf diesen für einen Thriller doch etwas ungewöhnlichen Schauplatz gespannt. Callaghan geht gut auf die Zustände im Land ein, das artet jedoch nie in eine Belehrung über gesellschaftliche bzw. politische Strukturen aus, sondern fügt sich sehr gut ins Gesamtbild, sodass der Fall doch immer im Vordergrund steht. Akyl selbst ist mir sehr sympathisch, einerseits fühlt man mit ihm mit, hat er doch gerade die Liebe seines Lebens verloren. Andererseits merkt man schnell, dass auch Akyl kein Engel ist, im harten Alltag seines Jobs kommt man einfach nicht weiter, wenn man sich immer an die Spielregeln hält. Da wird bestochen und gedroht, Gefallen werden eingefordert und so manch zwielichtiger Geselle für die Ermittlungen eingespannt. Und doch weiß man instinktiv Akyls Weg ist der einzig mögliche um wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit zu erfahren; gerade sein herrlich schwarzer Galgenhumor nimmt dem Geschehen öfter auch mal die Schärfe.

Callaghans Art zu erzählen finde ich klasse. Er nimmt nie ein Blatt vor den Mund, teilweise ist der Ton sehr rau und derb (empfindlichere Leser seien hiermit gewarnt), dann hält er wieder kurz inne und zeigt sich dem Leser von seiner feinfühligen, poetischen Seite. Diese Mischung hat mir extrem gut gefallen und passt hervorragend zu der dichten, drückenden Atmosphäre, die er gekonnt aufbaut.

Minimal gestört hat mich die ständige und allgegenwärtige Erwähnung von Akyls Frau. Verständlich, da er sich ja noch in der Trauerphase befinden soll, trotzdem sehr penetrant und manchmal nervig. Auch die Auflösung gegen Ende hätte für meinen Geschmack einen Ticken ausführlicher sein können, denn der Fall ist doch vielschichtiger als er zunächst vermuten lässt.

Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, an sich ist „Blutiger Winter“ sehr gut gelungen und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall mit Akyl.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zeitenwandel

Der Palast der Meere
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England, 1560. Isaac of Waringham ist entsetzt: sein Bruder Francis eröffnet ihm, dass wohl ER der nächste Earl werden soll, da der eigene Sohn eher nicht in Frage kommt. Doch ein Leben mit so viel Verantwortung ...

England, 1560. Isaac of Waringham ist entsetzt: sein Bruder Francis eröffnet ihm, dass wohl ER der nächste Earl werden soll, da der eigene Sohn eher nicht in Frage kommt. Doch ein Leben mit so viel Verantwortung ist nichts für Isaac und so sucht er sein Heil in der Flucht. Er landet auf einem Schiff, und entdeckt, dass die Welt noch viel mehr zu bieten hat als das kleine idyllische Kent.

Ganz anders da seine Halbschwester Eleanor. Seite an Seite ist sie mit Königin Elisabeth aufgewachsen, hat mit ihr die schwierige Kindheit verbracht, die dunkelsten Stunden durchlebt. Jetzt steht sie ihr mit Rat und Tat zur Seite, ist ihr „Auge“ am Hof, eine der engsten Vertrauten und Weggefährten.

Endlich wieder Waringham! Über den Mönchskopf wandern, den Rosengarten bewundern, im Gestüt herumstrolchen. Doch diesmal befinden wir uns oft weit weg von altbekannten Gefilden; zu Anfang etwas ungewohnt, doch dann umso packender, wenn man sich einmal „eingewöhnt“ hat. Ein Waringhamband, der anders ist als seine Vorgänger.

Die Geschehnisse um El und Isaac könnten unterschiedlicher nicht sein, sodass man zwischenzeitlich fast das Gefühl hat zwei Bücher gleichzeitig zu lesen. Das ist einerseits sehr spannend, abwechslungsreich und informativ, andererseits kommen so manche Aspekte etwas kurz. Eben weil zwei so unterschiedliche Lebenswege zwischen zwei Buchdeckel passen müssen. Obwohl El der Königin so nahe steht, hatte ich so zuweilen das Gefühl, dass die politischen Entscheidungen Elisabeths an mir vorbei gingen. Oder zumindest hätte ich mir manches einfach ausführlicher erzählt gewünscht, wie etwa die Geschehnisse um Maria Stewart. Isaacs Weg fand ich recht abenteuerlich, ab und an jedoch etwas uninteressant. Die großen Freibeuterromane waren noch nie so meins.

Die Charaktere – allen voran natürlich die der beiden Hauptfiguren - sind (wie immer möchte ich fast sagen) sehr schön herausgearbeitet, selbst die kleinsten Nebenrollen sind mit viel Leben gefüllt. Man trifft auf allerlei historische Personen, denen mit Anekdoten und Anekdötchen wunderbar Leben eingehaucht wird. Das Elisabethanische Zeitalter ist auch ein Zeitalter des Aufbruchs, man merkt wie klein die Welt auf einmal geworden ist. Gablé versteht es sehr gut, diese Aufbruchsstimmung rüberzubringen, die Renaissance ist definitiv auch in Waringham angekommen.

Die Autorin erzählt auf gewohnt hohem Niveau, geschichtliche Fakten sind ansprechend verpackt, Zusammenhänge verständlich erklärt, die fiktive Handlung sehr schön entwickelt. Mir hat bei diesem Buch einfach das berühmte Tüpfelchen auf dem I gefehlt. Und vielleicht ein Schuss mehr Waringham.

Fazit: ohne Zweifel wieder ein hervorragendes Buch. Auch Band 5 kann sich also sehen lassen. (4,5/5 Sternen)

Veröffentlicht am 15.09.2016

Tide, Tat und Tod

Tide, Tat und Tod
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Franz Xaver Stegmayer, seines Zeichens (un-)erfolgreicher Krimiautor, wird von seinem Verleger aus dem gemütlichen Bayern ins fremde Dithmarschen verfrachtet. Dort soll er unter den Nordlichtern Recherche ...

Franz Xaver Stegmayer, seines Zeichens (un-)erfolgreicher Krimiautor, wird von seinem Verleger aus dem gemütlichen Bayern ins fremde Dithmarschen verfrachtet. Dort soll er unter den Nordlichtern Recherche betreiben um später einen Regionalkrimi schreiben zu können. Davon hält Stegmayer nun nicht so wirklich viel und schreibt seinem Verleger einen wahrhaft stegmayerischen Brief von epischer Länge.

Dieses kleine, feine Buch hat meine Lachmuskeln wirklich strapaziert. Obwohl es zu fast 90% nur aus Stegmayers Brief besteht, wird es nie einseitig oder langweilig. Dies liegt einerseits an Stegmayers Art. Etwas grummelig, natürlich von seinem schriftstellerischen Talent überzeugt und natürlich unendlich genervt von den unhöflichen Nordlichtern („ Der gemeine Friese kriegt doch sein Maul nur zum Schnaufen auf“) zieht er durchs beschauliche Dithmarschen auf der Suche nach DER Story. Stegmayer ist dem Autor ausgezeichnet gelungen, man sieht ihn förmlich vor sich wie er mit seinen Wochentagssocken durchs Watt patscht und dabei über die mangelnde Anerkennung seines grandiosen schriftstellerischen Werkes schimpft. „Tide, Tat und Tod“ lebt also einerseits von seiner tollen Hauptfigur. Auf der anderen Seite hat sich Bernd Mannhardt etwas sehr Gewitztes einfallen lassen. Stegmayers Brief wird durch Fußnoten ergänzt. Hier meldet sich z.B. der Verleger oder auch das Lektorat zu Wort. Da Stegmayer auch ordentlich bayrisch spricht, brauchts in manchen Situationen auch einen Übersetzer. Aber auch Figuren, über die Stegmayer in seinem Brief spricht, kommen zu Wort; denn wenn Stegmayer eines kann, dann ist es die Wahrheit - naja, nennen wir es – den eigenen Bedürfnissen anpassen. Sei es also die Lokalreporterin, in deren Interview er sich verhalten hat wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Oder die Besitzerin eines kleinen Souvenirlädchens, wo Stegmayer dann wirklich wie der Elefant alles niedergewalzt hat. Sie kommen alle zu Wort und dürfen mal ordentlich Dampf ablassen und die Situation richtig stellen. All diesen Kommentaren und Fußnoten ist ein beißender Spott, eine ordentliche Portion Ironie und Sarkasmus zu eigen. Kabbeleien zwischen Verleger und Lektor etwa sorgen für weitere Lachkrämpfe beim Leser.

Fazit: eine hervorragend gelungene Persiflage. Einziger Kritikpunkt meinerseits: zu kurz ; )

Veröffentlicht am 15.09.2016

Klassiker für Jung und Alt

Der Kleine Prinz
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„Bitte… zeichne mir ein Schaf!“

Das sind die ersten Worte, die der namenlose Erzähler vom kleinen Prinzen hört. Nach einer Bruchlandung kämpft der Erzähler in der Wüste gegen die Zeit, denn er muss sein ...

„Bitte… zeichne mir ein Schaf!“

Das sind die ersten Worte, die der namenlose Erzähler vom kleinen Prinzen hört. Nach einer Bruchlandung kämpft der Erzähler in der Wüste gegen die Zeit, denn er muss sein Flugzeug wieder flott machen, bevor die Wasservorräte ausgehen. Aus der Zeit gefallen scheint der kleine Prinz. Auch er ist auf der Erde gestrandet, nach seiner wahrhaft fantastischen Reise durch den Weltraum.

Dieses Buch ist wohl inzwischen ein wahrhafter Klassiker, den jeder mal gelesen haben sollte. Auch wenn bestimmte Sätze heutzutage schon fast totzitiert werden (man denke an den berühmten Satz des Fuchses), finde ich es doch immer wieder schön in diese märchenhafte Erzählung einzutauchen. Vom Stil her ist das Buch für Alt und Jung geeignet, die wunderbaren, farbenfrohen Zeichnungen machen mindestens genauso viel Freude wie die herzerwärmende Geschichte. Ein Buch über Sehnsucht und Freundschaft, Einsamkeit und Hoffnung. Zeitlos schön.