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Veröffentlicht am 25.07.2022

Ein verhängnisvolles Gutachten und seine Folgen

Tiergarten Blues
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„Tiergarten Blues“ von Bettina Kerwien ist der mittlerweile 36. Band der Serie „Es geschah in Berlin“, wo beginnend im Jahr 1910 anhand von fiktiven Kriminalfällen die Geschichte der Stadt Berlin dokumentiert ...

„Tiergarten Blues“ von Bettina Kerwien ist der mittlerweile 36. Band der Serie „Es geschah in Berlin“, wo beginnend im Jahr 1910 anhand von fiktiven Kriminalfällen die Geschichte der Stadt Berlin dokumentiert wird. Als Verfasser der Bücher agieren verschiedenen Autor*innen. Drei davon stammen von Bettina Kerwien; nach „Tot im Teufelssee“ war dies mein zweites Buch von ihr.

Worum geht es?
Rund um das historische Ereignis, den Einsturz des Daches der Kongresshalle im West-Berliner Tiergarten rankt sich diesmal der Mordfall, in dem Kommissar Kappe und sein Team zu ermitteln haben. Bei dem Opfer handelt es sich um einen amerikanischen Staatsbürger, weshalb sich Kappe mit dem Kommandanten des Amerikanischen Sektors arrangieren muss. Dabei spielen Blues und Kappes neue Kollegin eine nicht unwesentliche Rolle.

Der Schreibstil ist flüssig, manche Dialoge spritzig und humorvoll. Die zur Dokumentation der historischen Fakten und Hintergründe nötigen Passagen fand ich informativ und interessant, aber nie zu ausufernd. Der gut dosiert eingesetzte Dialekt vermittelt das Berliner Flair, die Isolation durch die Mauer ist ebenso spürbar wie die Präsenz und der Einfluss der dort stationierten Amerikaner, generell wird ein anschauliches Bild des gegensätzlichen Berliner Lebens in Ost und West gezeichnet. Natürlich schimmert neben der politischen Situation auch Typisches der 80er Jahre durch, wie der Modegeschmack.

Der fiktive Mordfall und die historischen Fakten sind sehr harmonisch ineinander verwoben. Dadurch dass das Buch im Präsens geschrieben ist, fühlt man sich mitten im Geschehen, mitten in den Ermittlungen. Der Fall ist komplexer als es anfangs scheint, weit in der Vergangenheit liegende Ereignisse spielen mit hinein. Verwirrende Spuren, rätselhafte Aktionen, unerwartete Wendungen – gestalten die Handlung spannend, da macht Miträtseln Spass, ebenso wie das überraschende Ende.

Die Charaktere fand ich gut vorstellbar beschrieben, insbesondere das sympathische polizeiliche Team ist vielseitig typisiert, die neue Kollegin bringt Schwung in die Männertruppe.

Diese Krimireihe erweitert meine Kenntnisse zur deutsche Geschichte, insbesondere der Stadt Berlin. Vieles ist für mich als Österreicherin nie wirklich präsent gewesen. Die Kombination Fakten, Wissensvermittlung und spannender Kriminalfall ist wieder ausgezeichnet gelungen. Eine interessante Reihe, ein lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 21.07.2022

Liebe, Geld und Macht

Der Banker
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„Der Banker“ von Siegfried Schneider stellt einen gelungenen Auftakt zu einer neuen Krimiserie dar.

Worum geht es?
Chefinspektor Farner ist nach Meran zurückgekehrt, nachdem er längere Zeit im Ausland ...

„Der Banker“ von Siegfried Schneider stellt einen gelungenen Auftakt zu einer neuen Krimiserie dar.

Worum geht es?
Chefinspektor Farner ist nach Meran zurückgekehrt, nachdem er längere Zeit im Ausland gearbeitet hatte. Kaum hat er seinen Dienst angetreten, ereignet sich nicht nur ein zweifelhafter Selbstmord, sondern auch ein namhafter Meraner Banker wird ermordet aufgefunden. Zu allem Überfluss muss er in diesen Fällen mit den Carabinieri zusammenarbeiten, insbesondere mit Terranostra, jenem Schulkollegen, mit dem ihn gegenseitige Abneigung verbindet.

Es handelt sich um einen typischen Whodunit-Krimi, der mit zahlreichen Spuren und Verdächtigen aufzuwarten hat. Der Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern verfügt zudem über lockere, humorvolle Dialoge. Das Südtiroler Flair schimmert nicht nur durch diverse Meraner Lokalitäten durch, sondern auch durch italienische Sätze und Ausdrücke, wobei ich mir gewünscht hätte, im Glossar entsprechende Übersetzungen zu finden.

Die Ermittlungen der Polizei laufen sechs Tage, vom 24. bis 29. September 2009. Die Kapitel sind mit Tag und Monat übertitelt, allerdings ohne Jahreszahl. Letztere assoziierte ich aufgrund einiger im Text erwähnter Events (Maradonna in Meran, Sieger im Meraner Pferderennen).

Die beiden Fälle – Selbstmord und Mord – scheinen zunächst nichts miteinander zu tun zu haben, doch Stück für Stück wird in mühevoller polizeilicher Kleinarbeit Beweismaterial gefunden, entwirren sich die verworrenen Fäden. Überraschende Wendungen und unerwartete Erkenntnisse halten die Spannung ebenso aufrecht wie diverse gefährliche Situationen, in die die Ermittler geraten.

Chefinspektor Farner als zentrale Figur erscheint als sympathischer Mensch, der harmonisch mit seinem Team agiert. Das Privatleben wird vorerst nur gestreift. Die schwelende Aversion lösen Terranostra und er einigermaßen professionell. Da es sich um den ersten Band der Serie handelt, gehe ich davon aus, dass sich sämtliche Charaktere erst richtig entwickeln werden. Fürs erste sind alle vorstellbar, aber noch nicht sehr eingehend beschrieben.

Für mich war „Der Banker“ ein Krimi, wie ich ihn besonders gerne mag: spannend, aber ohne grausiges Blutvergießen und man konnte ausgezeichnet miträtseln. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

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Veröffentlicht am 15.07.2022

Einmal Polizist, immer Polizist - Vierziger kann’s nicht lassen

In der Fremde
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„In der Fremde“ von Joseph Lemark ist der vierte Band der Kriminalroman-Reihe mit dem ehemaligen Kriminalbeamten Major Josef Vierziger, den es im Ruhestand nach Italien verschlagen hat.

Worum geht es?
Vierziger ...

„In der Fremde“ von Joseph Lemark ist der vierte Band der Kriminalroman-Reihe mit dem ehemaligen Kriminalbeamten Major Josef Vierziger, den es im Ruhestand nach Italien verschlagen hat.

Worum geht es?
Vierziger hat sich in Apulien, in der Nähe von Bari, niedergelassen, in einem kleinen Häuschen, lebt zurückgezogen, genießt das italienische Leben, die kulinarischen Köstlichkeiten des Landes, die Ruhe und Beschaulichkeit. Bis sich eines Tages ein schwer verletzter Afrikaner zu ihm flüchtet. Je mehr sich Vierziger mit dem Flüchtlingslager, aus dem dieser kommt, befasst, desto mehr wird er als Störfaktor seitens der dortigen Mafia empfunden. Und die ist ein gefährlicher und mächtiger Gegner.

Mir war Vierziger schon vertraut - aus Band 3 „Kollateralschaden“, seinem letzten Fall vor seiner Pensionierung. Der Roman ist problemlos ohne Kenntnis der Vorgeschichten verständlich; soweit es erforderlich erscheint, gibt es kurze erklärende Hinweise auf frühere Ereignisse.

Der Schreibstil ist flüssig. Die detaillierten Landschaftsbeschreibungen, Stimmungsbilder sowie das Miterleben von Vierzigers Alltag vermitteln das italienische Ambiente sehr anschaulich, auch das Einstreuen italienischer Wortbrocken trägt hierzu maßgeblich bei. Letzteres schätze ich an und für sich sehr, doch war es mir des Guten fast zu viel. Das häufige Blättern zum Glossar störte meinen Lesefluss schon etwas. Die Kapitel sind angenehm kurz, lediglich durchnummeriert, ohne Orts- oder Zeitangaben. Die Handlung des 2021 erschienen Romans spielt in der Gegenwart, Corona bleibt unerwähnt.

Auf den ersten Blick scheint alles klar umrissen, Vierzigers Alltag ist überschaubar, Routine. Doch je mehr er nachforscht, desto komplexer entpuppt sich die Handlung, offenbart sich das weit gefächerte Spektrum an Kriminalität in Italien, das Netzwerk der Mafia, deren Machenschaften Drogen- und Menschenhandel, Schutzgelderpressung u.v.a.m. umfassen. Die Spannung steigert sich von Kapitel zu Kapitel,
Perspektivenwechsel zu den Tätern, zu den brutalen Verbrechen, beleben die Handlung, bieten Stoff zum Miträtseln. Vierziger bewegt sich auf gefährlichem Terrain. Seine Recherchen sind riskant, Zwischenfälle mit drastischen Folgen sind unausweichlich, aber sie führen auch zum Ziel, zur Lösung aller letztlich irgendwie zusammenhängenden Fälle. Mit Überraschungseffekt.

Es ist der Charakter von Josef Vierziger, der für mich diese Reihe so sympathisch macht. Er wirkt so menschlich, geerdet, hilfsbereit und vom Drang, das Böse, wenn schon nicht auszurotten, so wenigstens einzubremsen, beseelt. Ohne Rücksicht auf sich selbst. Einmal Polizist, immer Polizist. Er kann über Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Illegales nicht hinwegsehen, als ging es ihn das nichts an. Er ist kein Superheld, aber ein routinierter Ermittler. Vielleicht ein wenig zu risikobereit, fast leichtsinnig in seinen Aktionen. Er verfügt über eine gewissen Anziehungskraft auf Frauen, ist aber kein Draufgänger, eher ein Romantiker. Noch dazu kann er ausgezeichnet kochen, da würde man gerne mit am Tisch sitzen. Auf jeden Fall macht das Lesen dieses Buches Appetit. Die übrigen Personen sind ebenfalls gut vorstellbar gezeichnet.

Mir hat dieser kriminelle Ausflug ins Bella Italia sehr gut gefallen. Joseph Lemark zeigt Italien von einer Seite, mit der man als bloßer Urlauber nicht konfrontiert wird. Auch wenn die dunkle Seite im Roman vorzuherrschen scheint, spürt man – betrachtet man Land und Leute mit den Augen Josef Vierzigers - die Schönheit Italiens und eine gewisse Leichtigkeit des Seins. Man bekommt Sehnsucht nach Sonne, Sand und Meer. Ich fand das gut ausgewogen. Ich freue mich schon auf Vierzigers nächsten Fall: Band 5 „Vermisst“.

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Veröffentlicht am 11.07.2022

Ein Wolf im Schafspelz

Diabolischer Engel
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„Diabolischer Engel“ von Petra K. Gungl ist ein Spannungsroman, trotz Tötungsdelikt kein typischer Kriminalroman; Mystik und historisches Ambiente spielen mit hinein.

Worum geht es?
Agnes nimmt an einem ...

„Diabolischer Engel“ von Petra K. Gungl ist ein Spannungsroman, trotz Tötungsdelikt kein typischer Kriminalroman; Mystik und historisches Ambiente spielen mit hinein.

Worum geht es?
Agnes nimmt an einem Meditationsseminar in Reichenau an der Rax teil. Starke Unwetter führen zu Murenabgängen, sodass der Ort für Tage von der Außenwelt abgeschnitten ist. Als ein Mitglied der Gruppe stirbt, wird bald klar, dass ein Mörder unter ihnen weilt. Agnes‘ Gefühlswelt wird noch zusätzlich durch die unerwartete Anwesenheit ihres Ex-Freunds, ihrer großen Liebe, durcheinander gerüttelt. Hat ihre Liebe doch noch eine Chance?

Obwohl es sich bei „Diabolischer Engel“ um den dritten Band einer Trilogie handelt, hatte ich kein Problem, in die Geschichte hineinzufinden. Die Andeutungen auf die Vorgängerbände haben mich aber neugierig gemacht. Ich will „Diabolische List“ und „Diabolisches Spiel“ unbedingt nachlesen. Am optimalsten ist, die drei Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, besticht insbesondere durch sehr anschauliche, eindrucksvolle Stimmungsbilder und eingehende Beschreibungen, sowohl von Naturerscheinungen als auch des Seminarablaufes, der verschiedenen Charaktere und Spannungen zwischen den Teilnehmern, sowie der Atmosphäre im historischen Part. Die Kapitel sind kurz gehalten, geben auch einen chronologischen Überblick.

Dadurch, dass Agnes über eine besondere Gabe verfügt, Visionen hat, ergibt sich neben den Ereignissen während des Seminars noch eine zweite Handlungsebene. Nämlich Agnes‘ Albträume, in denen sie einen ähnlich gelagerten Mordfall, der sich im 19. Jahrhundert im nahen Schloss Hinterleiten ereignet hat, durchlebt. Daraus ergeben sich auch Parallelen zur Gegenwart. Der Wechsel zwischen historischer und aktueller Mördersuche belebt den Handlungsablauf und gibt zudem doppelt die Möglichkeit des Miträtselns. Verdächtige Personen gibt es da und dort reichlich.

Vom Prolog bis zum dramatischen Showdown wird die Spannung ständig am Köcheln gehalten - durch unerwartete Ereignisse, Zwischenfälle, unheimliche Momente und gefährliche Situationen, in die die Protagonisten geraten.

Es ist eine bunt gewürfelte Teilnehmerschar. Ihre grundverschiedenen Charaktere sind exzellent dargestellt. Stärken und Schwächen sind erkennbar, sowie die gesamte Skala der menschlichen Gefühle: Sympathien, Abneigungen, Divergenzen, Ängste, Neidgefühle und Eifersucht, aber auch Zuneigung, Vertrauen, Empathie und aufheiternder Humor.

Es war für mich reinstes Lesevergnügen, gab es doch alles, was ich an spannender Literatur so schätze: einen lebendigen Erzählstil, eine abwechslungsreiche fesselnde Handlung, Action und Gefahrenmomente, sympathische Protagonisten mit spürbaren Gefühlen und das Ganze garniert mit Liebe und einem Schuss Humor. Last but not least habe ich auch mein Wissen erweitert. Denn mit Meditation habe ich mich bislang noch nie beschäftigt, ich gewann etwas Einblick in die Atmosphäre solcher Veranstaltungen und habe allerlei Fachausdrücke aufgeschnappt.

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Veröffentlicht am 08.07.2022

Blumenpracht hat Tod gebracht

Böse Blumen
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Das Buch „Böse Blumen“ von Klaudia Blasl beinhaltet zwölf giftige Pflanzenkrimis, die sich als ebenso amüsant erwiesen wie die Kriminalromane dieser Autorin (z.B. „Kernölkrieg“ und „Gärten, Gift und tote ...

Das Buch „Böse Blumen“ von Klaudia Blasl beinhaltet zwölf giftige Pflanzenkrimis, die sich als ebenso amüsant erwiesen wie die Kriminalromane dieser Autorin (z.B. „Kernölkrieg“ und „Gärten, Gift und tote Männer“).

Blumen sind ja eigentlich nicht böse, finde ich. Böse sind die Menschen, die sie zum Morden missbrauchen. Das Unterhaltsame an diesen Krimis ist, dass all diese perfiden Ideen für perfekte Morde meist ganz anders enden als beabsichtigt. Nicht selten erweist sich die Tat als Bumerang und der Täter wird zum Opfer. Und als Leser genießt man das voller Schadenfreude.

Zudem ist der Schreibstil der Autorin nicht nur flüssig, sondern von originellen Wortschöpfungen, köstlichen Dialogen und urigen Typen geprägt, was mir immer wieder nicht nur ein Schmunzeln sondern Lachen entlockte.

Die Giftmorde basieren auf fundierten Kenntnissen der Pflanzenwelt. Klaudia Blasl ist DIE Giftpflanzen-Expertin unter den Krimiautor*innen (für fachlich Interessierte wäre ihr Buch „111 tödliche Pflanzen, die man kennen muss“ zu empfehlen). Somit ist diese Lektüre nicht nur vergnüglich, sondern auch lehrreich – ich meine nun nicht als Mordanleitung, sondern als Warnung vor Verwechslungen oder Unachtsamkeit. Es wird nämlich nach jeder Geschichte die entsprechende todbringende Pflanze ausführlich beschrieben, ihr Aussehen, Geruch und Inhaltsstoffe, aber auch historische Anwendungen medizinischer und mörderischer Art.

Mit Bedauern habe ich das Buch zur Seite gelegt, viel zu schnell sind die Seiten dahingeflogen. Aber eines tröstet mich: es gibt noch einen weiteren Band („Noch mehr böse Blumen“).

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