Der Schrecken des Holodomor berührend erzählt
Denk ich an Kiew„Denk ich an Kiew“ ist eine emotional berührende Geschichte. Die Art und Weise, wie die Autorin die Erinnerungen ihrer Familie, Fakten und Fiktion miteinander vermischt hat, ist gut gelungen und sorgt ...
„Denk ich an Kiew“ ist eine emotional berührende Geschichte. Die Art und Weise, wie die Autorin die Erinnerungen ihrer Familie, Fakten und Fiktion miteinander vermischt hat, ist gut gelungen und sorgt für eine bewegende Lektüre. Der Roman wird durch zwei sich abwechselnden Zeitebenen erzählt, Katjas in der Vergangenheit und Cassies in der Gegenwart.
Seit Cassies Mann vor 14 Monaten bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, kämpfen ihre fünfjährige Tochter Birdie und sie darum, ihre Trauer loszulassen. Als Cassies Großmutter Bobby anfängt, unter Gedächtnisproblemen zu leiden, entscheidet Cassies Mutter, dass es das Beste für Cassie und Birdie wäre, zu Bobby mit ins Haus zu ziehen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Hier entdeckt Cassie ein auf Ukrainisch geschriebenes Tagebuch, das einige Geheimnisse der Vergangenheit zu enthalten scheint.
Die sechzehnjährige Katja hat im Leben viel vor. Sie ist Teil einer glücklichen Familie und wohnt nicht weit von ihrer Jugendliebe Pavlo entfernt. Doch als Stalins Aktivisten in ihr Dorf kommen und fordern, dass sich alle der Initiative der kollektiven Landwirtschaft anschließen, sieht die Zukunft düster aus und soll noch schlimmer kommen.
Es gibt viele Parallelen zwischen der vergangenen und der gegenwärtigen Zeitachse, wie z. B. dem Umgang mit Trauer und der Suche nach Liebe nach einem Verlust. Die Geschichten funktionieren gut synchron. Jedoch fiel die Handlung rund um Cassie im Vergleich zu der mit Katja schwächer aus, sie war zwar interessant, aber es fehlte für mich etwas an Tiefe und Emotionalität. Im Gegensatz dazu war Katjas Geschichte besonders wegen der brutalen Darstellung der Realitäten des ukrainischen Lebens unter Stalins Kollektivierungsschema teils sehr düster und bedrückend zu lesen, sie ist aber auch voll von Stärke, Mut und Hoffnung.
Alles in allem ist „Denk ich an Kiew“ von Erin Litteken ein toll geschriebener und bewegender historischer Roman mit einer zu Herz gehenden Geschichte, die auf der menschengemachten Hungersnot (Holodomor) in der Ukraine basiert, die von der Sowjetunion verursacht wurde und fast 4 Millionen unschuldige Todesopfer forderte. Besonders die fiktive Geschichte der Großmutter, die als junge Erwachsene durch den Holodomor ging, war besonders bewegend und tragisch. Es ist eine Geschichte über Stärke und Tapferkeit, und die Darstellung ihres Traumas fühlte sich sehr real an.