50er Jahre Italien. Die 16-jährige Ida lebt mit ihren Eltern in Tramonti. Ihr Vater Raffaele lehnt sie seit ihrer Geburt ab, weil sie nicht der gewünschte Sohn ist und lässt es die Familie mit seinen Alkoholexzessen sowie durch seine Prügeleien ständig spüren. Als er plant, Ida mit einem älteren Mann zu verheiraten, verhilft Mutter Maria Grazia Ida zur Flucht, indem sie sie zu Verwandten schickt und diese um Hilfe für ihre Tochter bittet. Schon bald findet Ida eine Anstellung als Köchin im Hotel Villa Amalfi und macht sich dort recht schnell unentbehrlich, was den Eigentümern nicht entgeht, die sich blind auf sie verlassen, aber bei Kollegen auch Neid entfacht. Als der Reiseleiter Ranierei ihren Weg kreuzt, ist es für Ida die große Liebe, aber leider hat sich auch Guendalina, die Tochter der Hoteleigentümer, in denselben Mann verguckt…
Guilia Romanelli hat mit „Träume über dem Meer“ den Auftaktband ihrer Villa-Amalfi-Saga vorgelegt, der den Leser nicht nur an einen der schönsten Orte Italiens entführt, sondern auch das Sommerfeeling und Flair der damaligen Zeit zurückbringt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser in die 50er Jahre zurückreisen, um dort Ida und ihre Familie kennenzulernen. Die Zustände innerhalb der Familie sind für Ida schon sehr schwierig, denn ihre Mutter kann dem gewalttätigen Ehemann selbst nichts entgegenbringen, und alle müssen unter den Ausbrüchen von Raffaele leiden. Umso erstaunlicher ist es, dass Maria Grazia über ihren Schatten springt und Ida vor einer Zwangsehe rettet, indem sie sie zu ihren Verwandten schickt und Ida so ermöglicht, ihren eigenen Weg zu finden. Die schönen Landschaftsbeschreibungen verzaubern den Leser während der Lektüre ebenso wie Ida, und während man per Kopfkino an der Amalfiküste entlangstreift und das zauberhafte Hotel in Augenschein nimmt, wächst einem Ida mit ihrer frischen und unbekümmerten Art immer mehr ans Herz. Auch das italienische Dolce Vita wird schön durch die Geschichte getragen, auch wenn es damals arbeitsreiche Zeiten für Ida waren. Aber die Leichtigkeit und die italienische Gastfreundschaft ist immer wieder gut zu spüren, so dass man Sehnsucht nach einem Urlaub dort bekommt. Etwas unglaubwürdig ist dagegen leider, dass sich wie durch Zauberhand fast wie von selbst die Problemstellungen auflösen. Zudem bleiben einige Dinge am Ende des Romans offen, was den Leser praktisch dazu zwingt, auch den nächsten Teil zu lesen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und nehmen mit ihren menschlichen Ecken und Kanten den Leser schnell in ihre Mitte, der ihnen nur zu gerne folgt. Ida hatte in ihrer Familie wenig zu lachen, umso schöner ist ihre Entwicklung zu beobachten, als sie endlich auf eigenen Beinen steht. Sie lebt regelrecht auf, ist warmherzig, freundlich, immer hilfsbereit und offen. Mutter Maria Grazia ist eine schwache Frau, die sich gegen ihren Ehemann Raffaele nicht zu wehren weiß. Raffaele ist noch in alten Denkmustern gefangen, zudem macht ihn der Alkohol aggressiv und reizbar. Hotelbesitzer Vittoria und Ehefrau Annalisa sind freundliche Menschen, die ihr Personal sehr anständig behandeln. Tochter Guendalina ist eine verwöhnte und eifersüchtige Zicke, die immer ihren Willen haben muss und dafür über Leichen geht.
„Träume über dem Meer“ ist eine unterhaltsame Reise ins Italien der vergangenen 50er Jahre, der neben einer Familiengeschichte auch mit einer starken Protagonistin aufwarten kann. Neben dem italienischen Flair finden sich auch Liebe und Intrigen wieder, die einigen Unterhaltungswert bieten und dem Leser so eine schöne Auszeit vom Alltag bescheren. Verdiente Leseempfehlung!