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Veröffentlicht am 04.02.2024

Wenn der Partner sich plötzlich verändert... Ein mitreißender Roman über eine psychische Krankheit

Ich bin nicht da
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Kurzmeinung: 
Mit "Ich bin nicht da" hat Lize Spit einen großartigen, emotionalen und mitreißenden Roman über Liebe, Freundschaft und psychische Krankheit geschaffen. Absolute Leseempfehlung. 

Meine Meinung: 
Nach ...

Kurzmeinung: 
Mit "Ich bin nicht da" hat Lize Spit einen großartigen, emotionalen und mitreißenden Roman über Liebe, Freundschaft und psychische Krankheit geschaffen. Absolute Leseempfehlung. 

Meine Meinung: 
Nach dem mir "Und es schmilzt", der Debütroman der Autorin, damals so gut gefallen hat, war ich natürlich sehr gespannt auf ihren neuen Roman. Ich muss zugeben, der Umfang des Buches hat mich zunächst ein bisschen abgeschreckt (ist keine leichte Strandlektüre^^). Aber auch das Thema des Buches hat mich sehr interessiert und so hat meine Neugier überwogen und für mich war ganz schnell klar: ich muss dieses Buch lesen. 

Und omg, war das eine gute Entscheidung! Dieses Buch hat es wirklich in sich. Es hat mich gepackt, geschüttelt, nicht mehr losgelassen und ich habe es quasi wie im Rausch durchgelesen. 

In dem Buch geht es um Leo und Simon. Sie sind schon lange zusammen und kennen sich in und auswendig. Simon kann Leo zum Lachen bringen und Leo kennt jeden Fussel in Simons Bauchnabel. Die beiden haben eine gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Geschichten und Insider. Und sie teilen in gewisser Weise auch ein Schicksal, den beide haben ihre Mütter verloren und haben insgesamt nicht sehr viele Menschen in ihrem Leben, denen sie nahe stehen. Aber sie haben einander. 

Die Beziehung der beiden wird sehr schön und sehr intim mit vielen Details und Anekdoten geschildert, die die beiden Figuren sehr plastisch erscheinen lassen.  
Doch plötzlich wird alles anders. Eines nachts kommt Simon spät nach Hause, ohne sich abzumelden. Und er kommt tätowiert, redet wie ein Wasserfall und scheint insgesamt nicht mehr er selbst. Was zunächst nur als kleine Veränderungen erscheinen – Simon schläft immer weniger, isst weniger, hat neue Freunde und wird gereizter – spitzt sich immer weiter zu und wird zunehmend dramatisch. Bis schließlich alles droht, in einer Katastrophe zu enden. 

Das Buch wird auf mehreren Zeitebenen erzählt. Einmal gibt es einen Countdown, bei dem in der jeweiligen Kapitelüberschrift die Minuten bis zur Katastrophe runtergezählt werden (zu Beginn mit "Noch elf Minuten"). Und dann gibt es verschiedene Rückblicke, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass alles auf eine Katastrophe zusteuert, wie sich Leos und Simons Leben langsam verändert. 

Und das war tatsächlich auch das, was mir beim Lesen am meisten unter die Haut gegangen ist. Wenn der Mensch, mit dem du zusammenlebst plötzlich nicht mehr der ist, in den du dich verliebt hast. 
Simon verändert sich. Zuerst langsam und allmählich, dann immer stärker. Und Leo bleibt passiv. Sorgt sich zwar immer stärker, aber greift nicht ein, bleibt hilflos. Das fängt gut das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit ein, dass ich auch von vielen Angehörigen mit psychischen Erkrankungen kenne. Gleichzeitig hat es mich beim Lesen aber auch wahnsinnig gemacht. Ich hätte sie an mehreren Stellen am liebsten ordentlich durchgeschüttelt und sie zum Eingreifen animiert.  
Aber die Passivität passt auch zur Figur der Leo, zu ihrer Vergangenheit und schlechten Erfahrungen. Sie ist schreckhaft und neigt zum Katastrophisieren. Das besonders sie in diese Hilflosigkeit aus Grübeln und Erstarren hineinfällt, ist für mich als Leserin gut nachvollziehbar. 

Auch Simons Entwicklung zu verfolgen ist natürlich unglaublich spannend. Es hat bei mir Sorge und teilweise auch Angst, aber vor allem Mitgefühl hervorgerufen. Durch meine Arbeit als Psychologin habe ich schon einige Menschen mit Simons Störungsbild kennengelernt und finde, die Autorin hat es literarisch gut eingefangen und gibt einen interessanten Einblick in die Symptomatik der bipolaren Störung. Ich fand hier die Perspektive gut gewählt, die Entwicklungen aus Leos Sicht, also aus Sicht einer Bezugsperson, zu schildern. Das ist nah, wirkt aber trotzdem authentisch und man kann eine gewisse Distanz behalten und es wirkt auch glaubhafter. 

Fazit:
Mit "Ich bin nicht da" hat Lize Spit einen echten Pageturner zu einem schwierigen Thema geschrieben. Es geht um psychische Krankheiten und darum, wie sie eine Beziehung und das ganze Leben aus dem Gleichgewicht bringen können. 

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Veröffentlicht am 11.07.2023

Erschreckend realistische Dystopie zum Thema Klimakrise

Der Anfang von morgen
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Kurzmeinung:

Mit "Der Anfang von Morgen" hat Jens Liljestrand einen dystopischen Roman über die Klimakrise geschaffen, der sich erschreckend aktuell anfühlt. Vier verschiedene, allesamt nicht gerade ...

Kurzmeinung:

Mit "Der Anfang von Morgen" hat Jens Liljestrand einen dystopischen Roman über die Klimakrise geschaffen, der sich erschreckend aktuell anfühlt. Vier verschiedene, allesamt nicht gerade sympatische Figuren führen uns durch diese rasant geschriebene und fesselnde Geshichte und zwingen uns Leserinnen, uns mit unserer eigenen Rolle in der Klimageschichte unseres Planeten auseinanderzusetzen. Trotz einiger Schwächen eine klare Leseempfehlung.


Meine Meinung:

Während ich "Der Anfang von Morgen" von Jens Liljestrand gelesen habe, lag über Deutschland und ganz Europa eine Hitzewelle, die einen erschreckenden "Hitzerekord" nach dem anderen mit sich brachte. In vielen Gebieten Nordeuropas herrschten verheerende Waldbrände und wegen extremer Dürre wurden in vielen Regionen Verordnungen zum Wassersparen erlassen.

Das eigentlich dystopische Setting des Roman fühlte sich also viel zu realistisch an, als ich mich in dem Roman vertiefte. Denn die Geschichte wirft uns mitten hinein in ein Schweden in Flammen. Große Waldbrände verwüsten große Teile des Landes und machen Tausende Menschen obdachlos und zu Klimaflüchtlingen im eigenen Land. So auch den ersten der vier Protagonisten, den dreifachen Familienvater Didrik, der mit seiner Familie auf der Flucht vor den Flammen ist. Dabei handelt er teils aus reinem Überlebensistinkt, teils aber auch aus Selbstdarstellung und Selstgerechtigkeit. Dieser erste Teil der Flucht liest sich rasant ist spannend und fesselnd.

Die zweite Protagonistin ist Influencerin Melissa, die in Stockholm in einer Luxuswohnung lebt und ihr Geld mit Werbung für Milch verdient. Auch ihr ist Selbstdarstellung nicht fremd. Während viele Menschen in Angst vor der Klimakatastrophe und den noch zu erwartenden Folgen leben, hat sie eine online Bewegung mit dem Hashtag

waehlefreude gegründet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich nicht von den vermeintlich katastrophisierenden Stimmen zum Klimawandel runterziehen zu lassen, sondern mit

goodvibesonly ihr Leben in vollen Zügen zu genießen.

Der dritte Protagonist ist André, Sohn einer schwedischen Tennislegende. Der Teenager stand Zeit seines Lebens im Schatten seines Vaters, wurde mit den erfoglreicheren älteren Geschwistern verglichen und hat schließlich resigniert und sich mit seinem vermeintlichen Mittelmaß abgefunden. Vom Geld des Vaters leben stand er nie auf eigenen Beinen und ist entsprechend schockiert und wütend, als er erfährt, dass Daddy ihm den Geldhahn abdrehen will.

Als viertes kommt Vilja, die Teenager-Tochter von Didrik zu Wort. Sie mausert sich angesichts der Katastrophe vom launischen Teenager mit großer Liebe zum Konsum zu der fast verantwortungsvollsten und erwachsensten handelnden Person des Romans. Sie zeigt sich kämpferisch, ist enttäuscht über das Versagen, die Tatenlosigkeit und Hilflosigkeit der Erwachsenen und wandelt ihre Angst in Tatendrang um. Sie nimmt die Dinge in die Hand, kümmert sich um ihre Mutter und um die Kinder im Flüchtlingslager, in dem sie und ihre Mutter gelandet sind. Mit Viljas Charakter konnte ich am meisten anfangen und fand sie am authentischsten und glaubhaftesten.

Die vier Charaktere sind eigentlich allesamt unsympathisch. Doch das hat mich beim Lesen nicht gestört. Vielmehr nutzt Liljestrand seine Figuren geschickt als Stilmittel, um die Leser
innen zu zwingen, zu reflektieren, wie viel von Didrik, Melissa und Co in uns selbst steckt und sich mit unliebsamen eigenen Anteilen auseinanderzusetzen und die Rolle, die wir alle in der aktuellen Klimakatastrophe spielen, zu reflektieren. Der Roman rüttelt wach, zeigt konsequent auf, auf welche Katastrophe wir im Rahmen des Klimanotstandes zusteuern. Und ohne ein radikales Umdenken und eine noch radikalere Verhaltensänderung wird die Zukunftsperspektive mehr als unbequem werden –so zumindest prophezeit es Liljestrand in seinem Roman, der sich doch erschreckend realistisch anfühlt. Trotz einiger Schwächen, wie der manchmal doch etwas unglaubwürigen Handlungen der Protagonistinnen oder einzelner Längen im Text, kann ich für diesen Roman eine klare Leseempfehlung aussprechen.




Fazit:

"Der Anfang von Morgen" von Jens Liljestrand ist ein dystopischer Roman über die Klimakatastrophe. Die vier Protagonist
innen sind eigentlich allesamt unsympathisch. Doch das hat mich beim Lesen nicht gestört. Vielmehr nutzt Liljestrand seine Figuren geschickt als Stilmittel, um die Leserinnen zu zwingen, zu reflektieren, wie viel von Didrik, Melissa und Co in uns selbst steckt und sich mit unliebsamen eigenen Anteilen auseinanderzusetzen und die Rolle, die wir alle in der aktuellen Klimakatastrophe spielen, zu reflektieren. Der Roman rüttelt wach, zeigt konsequent auf, auf welche Katastrophe wir im Rahmen des Klimanotstandes zusteuern. Und ohne ein radikales Umdenken und eine noch radikalere Verhaltensänderung wird die Zukunftsperspektive mehr als unbequem werden –so zumindest prophezeit es Liljestrand in seinem Roman, der sich doch erschreckend realistisch anfühlt. Trotz einiger Schwächen, wie der manchmal doch etwas unglaubwürigen Handlungen der Protagonistinnen oder einzelner Längen im Text, kann ich für diesen Roman eine klare Leseempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 28.07.2022

Ein bewegender Familienroman, der den Hype verdient!

Dschinns
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Kurzmeinung:
Fatma Aydemir hat es mit ihrem zweiten Roman "Dschinns" wieder geschafft, mich zu begeistern. Ein Familienroman, der uns die Geschichte der türkischen Migrantenfamilie Yilmaz aus verschiedenen ...

Kurzmeinung:
Fatma Aydemir hat es mit ihrem zweiten Roman "Dschinns" wieder geschafft, mich zu begeistern. Ein Familienroman, der uns die Geschichte der türkischen Migrantenfamilie Yilmaz aus verschiedenen Perspektiven mitverfolgen lässt. Das Buch hat mich bewegt und es ist lange her, dass ich ein Buch gelesen habe, was mich so sehr hat mit den einzelnen Personen mitleben und mitleiden lassen. Eine große Leseempfehlung.


Meine Meinung:
Ihr könnt euch vielleicht erinnern: Der Debüt Roman von Fatma Aydemir, Ellbogen, hat mich damals absolut begeistert. Entsprechend groß waren meine Erwartungen an den neuen Roman und entsprechend groß auch meine Angst, enttäuscht zu werden. Doch diese Angst war zum Glück absolut unbegründet. Denn auch mit ihrem zweitem Roman konnte mich die Autorin überzeugen. Die beiden Bücher sind sehr verschieden, daher fällt mit ein vergleich, welches nun besser ist, sehr schwer. Beide sind toll und sehr empfehlenswert. Der Stil ist anders als in „Ellbogen“. Weniger hart, weniger gewaltig, aber nicht weniger kraftvoll. Eher reifer.
Aber ich erzähle euch erstmal, worum es in dem Buch überhaupt geht. Es ist ein Familienroman, über eine türkische Familie, die nach Deutschland kommt. Es gibt das Familienoberhaupt, den Vater Hüseyin, der in Deutschland Arbeit in einer Fabrik findet und hart arbeitet, um so seine Familie besser versorgen zu können. Später kommen auch seine Ehefrau Emine und seine Kinder Hakan, Peri und Ümit nach Deutschland. Sevda muss zunächst noch in der Türkei bei den Großeltern bleiben.


„Und nun scheint [die Sonne] schon wieder, völlig unbekümmert davon, dass gerade ein Leben zu Ende gegangen und eine Familie zerbrochen ist.“ (Aus Dschinns, S. 28)

Dieses Buch beginnt mit dem Ende. Dem Ende des Lebens von Hüseyin, dem Oberhaupt der Familie Yilmaz.
In den folgenden Kapiteln lernen wir nach und nach die einzelnen Familienmitglieder kennen, die Ehefrau, die beiden Töchter und die beiden Söhne. Und durch ihre Schilderungen und Erinnerungen lernen wir auch den Verstorbenen kennen.

Jedes Familienmitglied kommt zu Wort und mit jedem Kapitel wird ein Stück von dem alten Bild, das man sich zuvor gemacht hatte, eingerissen. Jedes Kapitel und jede Perspektive wirft ein neues Licht auf die Geschichte. Die Charaktere sind so unterschiedlich. Jeder hat eine große Tiefe und jeder wirkt absolut stimmig und authentisch. Da ist der älteste Sohn, der "Klischee-Macho" Hakan, die zurückgelassene Sevda, ihre Schwester Peri, die eine ganz andere Bildungsbiografie hat, und das Nesthäkchen, der sensible Ümit. Und natürlich die Mutter und Ehefrau Emine.

Sie sind eine Familie, und doch sind sich alle so fremd. Die einzelnen Familienmitglieder haben oft keine Ahnung von den Leben der anderen. Sie halten sich gegenseitig für stark. Oder für schuldig.
Ein Schweigen steht zwischen ihnen, in dem für ehrliche, intime Fragen und das Offenbaren von echten Gefühlen kein Raum ist. Zurückhalten tut sie ihre Angst, Scham oder auch Neid und Wut.

Ihre Geschichten und Schicksale haben mich berührt und bewegt. Teilweise haben sie mich wütend und traurig gemacht. Aber Aydemir schafft es, dass ich mich so gut in die Personen hineinversetzen konnte, dass ich auch ganz viel Verständnis hatte.

„Jede Berührung ist ein Versprechen von Leben, jede Nähe ein bisschen weniger Tod.“ (Aus Dschinns, S.127)

Ich finde es immer wieder spannend, wie Geschichten das schaffen. In der einen Perspektive mache ich mir ein Bild über einen der Charaktere, denke, ich weiß Bescheid über ihn. Nur um dann mein ganzes Bild über den Haufen zu werfen, wenn die Person selbst zu Wort kommt, sich mir erklärt und ich sie besser verstehen kann. Das erinnert mich jedes Mal daran, mir weniger schnell ein Bild von anderen Menschen zu machen, weil ich im echten Leben eben leider nicht die Chance habe, ihr Innerstes zwischen zwei Buchdeckeln erklärt zu finden.


„Mütter können sich nicht krankmelden, Mütter gehen nicht in den Ruhestand. Kinder bleiben Kinder.“
„Denn alles allein zu bestimmen hieß, dass du immer zu funktionieren hattest, damit die Familie funktionierte.“ (Aus Dschinns, S. 255)


Fazit:
Ich mache es kurz: Der Hype ist absolut begründet. Dschinns von Fatma Aydemir ist ein großartiger Familienroman, in der uns die einzelnen Familienmitglieder der Familie Yilmaz mitnehmen auf eine Reise durch ihr Leben. Jeder Charakter ist authentisch und jeder hat seine einzigartige Perspektive auf die Familiengeschichte. Fatma Aydemir fängt die Wünsche, Träume, Geheimnisse und Bedürfnisse ihrer Protagonistinnen ein und schafft es meisterhaft, sie zu einem stimmigen Ganzen zu verweben und uns als Leserinnen ganz nah mitzunehmen. Ich habe mitgelitten und mich mit gefreut und werde dieses Buch noch lange in Erinnerung behalten. Ein große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 17.05.2022

Scharfe Gesellschaftskritik mit spannenden Krimielementen

Die Kinder sind Könige
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Kurzmeinung:
Mit "Die Kinder sind Könige" ist Delphine de Vigan mal wieder ein großartiger Roman gelungen, der mich rundum begeistern konnte. Das Thema (Influencer, Kinder in den sozialen Medien, Monetarisierung) ...

Kurzmeinung:
Mit "Die Kinder sind Könige" ist Delphine de Vigan mal wieder ein großartiger Roman gelungen, der mich rundum begeistern konnte. Das Thema (Influencer, Kinder in den sozialen Medien, Monetarisierung) ist sehr aktuell und das ein oder andere Mal habe ich mich als aktive Instagramnutzerin sehr ertappt gefühlt. Das Buch wühlt auf, macht wütend, fassungslos und traurig. Das Buch ist messerscharfe Beobachtung und scharfe Gesellschaftskritik, aber auch unglaublich interessant und spannend zu lesen. Eine absolute Leseempfehlung!


Meine Meinung:
"Die Kinder sind Könige" war mein vierter Roman von de Vigan und sie konnte mich wieder zu 100% überzeugen. Wie gewohnt schreibt die Autorin in einem mitreißenden, spannenden Stil und behandelt ein interessantes Thema, nämlich das der Influencer und hier insbesondere der Kinderstars. In der Geschichte spielen zwei Frauen die Hauptrollen, die sehr unterschiedlich sind. Dadurch wird das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet. Auf der einen Seite haben wir Mélanie, Mutter der beiden Kinder-Influencer Kimmy und X und der kreative Kopf hinter ihrem YouTube und Instagram Kanal. Auf der anderen Seite gibt es Clara, die für die französische Polizei arbeitet und das Verschwinden der kleinen Kimmy untersucht.

Die Erzählperspektive wechselt in den verschiedenen Kapiteln zwischen den beiden Frauen. Im Verlauf der Geschichte lernen wir die beiden Frauen immer besser kennen, erfahren etwas über ihre Vergangenheit, ihren Blick auf die Welt und verstehen ihre Motive für ihre Handlungen immer besser. Wir erfahren, wie Mélanies Leben verlaufen ist, was sie antreibt, ihr Glück in der Selbstinzenierung im Internet und durch die Aufmerksamkeit von völlig Fremden zu suchen. Wir lesen davon, wie der YouTube Kanal der Kinder entstanden ist, wie er immer erfolgreicher wurde und was das mit Mélanie, den Kindern und der ganzen Familie gemacht hat.

Zwischen den Berichten von Clara und Mélanie gibt es in dem Roman immer wieder auch andere Formate und Erzählarten, wie z.B. Vernehmungsprotokolle oder Transkripte von Instagramstories. Das bringt Abwechslung und lockert die Geschichte auf. Gleichzeitig bringt es neue Informationen und steigert die Spannung. Diese stieg im Verlauf der Geschichte so sehr, dass ich das Buch kaum noch aus der Hand legen mochte. Ich wollte unbedingt erfahren, was mit Kimmy passiert ist und wie es so weit kommen konnte.

Nur den letzen Teil fand ich etwas schwächer. Zuvor wurde das Thema mit Andeutungen und Anstößen behandelt, so dass die Leser*innen sich selbst Gedanken dazu machen konnten. Im letzten Teil hatte ich manchmal ein bisschen den Eindruck vom „erhobenen Zeigefinger“ und dass die Autorin mich zu sehr mit der Nase auf etwas stoßen will. Obwohl man sagen muss, dass es von der Geamtkonstruktion der Geschichte schlüssig war und schon zu den Figuren und ihren Entwicklungen gepasst hat, was die Autorin sie hat sagen lassen. Nur die Figur der Mutter fand ich teilweise nicht so ganz authentisch. Für mich war ihr Verhalten manchmal nicht ganz nachvollziehbar und mehr als einmal dachte ich "Das kann doch nicht ihr ernst sein. So naiv kann doch niemand sein?!" Aber in ihrer Überspitzen Darstellung hat die Figur hat auf jeden Fall sehr viel in mir ausgelöst und mich zum Nachdenken gebracht.


Fazit:
"Die Kinder sind Könige" von Delphine de Vigan ist ein sehr interessanter, spannender Roman über das Thema (Kinder-)Influencer, Selbstdarstellung im Internet und dessen Monetarisierung. Die Handlung des Romans ist überspitzt dargestellt und kann aber gerade dadurch aufrütteln und den Finger in die Wunde legen. Das Buch hat definitiv viele Gefühle in mir ausgelöst und mich zum Nachdenken gebracht –auch über meinen eigenen Umgang mit den sozialen Medien.

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Veröffentlicht am 22.08.2020

Ein Buch über Love, Drugs and Rock'nRoll

Daisy Jones and The Six
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Kurzmeinung:

Daisy Jones & The Six von Taylor Jenkins Reid ist ein großartiges Buch und wird dem Hype mehr als gerecht. Love, Drugs and Rock'nRoll verpackt in einem Stil, den ich so noch nie vorher gelesen ...

Kurzmeinung:

Daisy Jones & The Six von Taylor Jenkins Reid ist ein großartiges Buch und wird dem Hype mehr als gerecht. Love, Drugs and Rock'nRoll verpackt in einem Stil, den ich so noch nie vorher gelesen habe. Es sticht aus der Masse hervor und ist wirklich einzigartig. Eine große Empfehlung.



Meine Meinung:
In Daisy Jones and The Six geht es um, wie der Name schon sagt, Daisy Jones, eine bildschöne und sehr talentierte Sängerin und Songwriterin, die zu der Band The Six hinzustößt.
The Six, das sind sechs Rock'n'Roll Musiker und Musikerinnen, rund um den Songwriter und Leadsänger Bille Dunne. Sie haben angefangen in kleinen Kneipen zu spielen und gerade ihren ersten Plattenvertrag erhalten, als Daisy Jones zu ihnen stößt und sie gemeinsam den großen Durchbruch schaffen. Es geht um den Lifestyle der 70er, um Love, Drugs und Rock'n'Roll.

Was dieses Buch für mich so besonders und so absolut herausragend macht, ist der Schreibstil. Das Buch ist fast komplett in Interviewform geschrieben. Interviews, die die fiktive Interviewerin mit den fiktiven Bandmitglieder, Produzenten, Soundtechnikern und Angehörigen und Freunden der Band geführt hat. Das ist ein sehr interessanter Stil, den ich so noch nie gelesen habe. Am Anfang war ich etwas skeptisch, weil diese Form für mich so neu war. Aber dann war ich, wie die Bandmitglieder, im Rausch und habe das Buch wie im Sog gelesen.

Das Buch war für mich fast wie ein Dokumentarfilm, nur zum Lesen. Und es fühlte sich wirklich so echt an. Die Stimmung der Zeit des Rock‘n‘Roll wurde so gut eingefangen. Ich war mehrmals kurz davor zu googeln, ob es Daisy Jones und die Band nicht vielleicht doch wirklich gegeben hat. Und zu gern hätte ich bei Spotify ein paar Songs von Ihnen gehört. Und das obwohl ich ja von vornherein wusste, dass es die Band nicht gibt. Aber Taylor Jenkins Reid schreibt so überzeugend und malt diese Welt so plastisch und authentisch, dass es sich beim Lesen sehr real angefühlt hat.

Es bedient die typischen Musikerklischees: Partys, Frauen, Drogen, Ekstase, auf Bühnen zerschlagene Gitarren. Es erzählt vom Aufstieg der Band von kleinen Gigs in Kneipen zum großen Plattenvertrag, Tournee und Konzerten in großen Stadien und Songs, die Welterfolge werden. Es erzählt von der Dynamik einer Band, wie der Erfolg sie verändert, wie die Beziehungen der einzelnen Bandmitglieder sich mit der Zeit entwickeln. Das wirkt zu keinem Zeitpunkt gekünstelt, unauthentisch oder vorhersehbar. Die Interviews waren so gut geschrieben, dass ich förmlich an den Lippen der jeweils erzählenden Personen hing. Es kamen viele verschiedene Personen zu Wort. Oft wurde ein Ereignis aus Sicht der verschiedenen, daran beteiligten Personen beschrieben. Die Ereignisse, die Beschreibungen der Personen aus so vielen verschiedenen Perspektiven zu lesen, das fand ich sehr spannend. Und die kleinen Abweichungen der Geschichten voneinander machten das Buch nur noch authentischer.
Die Interviewform wurde immer mal wieder durchbrochen von Berichten mit Hintergrundinformationen. Wenn man bei dem Vergleich mit der Filmdokumentation bleibt, war das quasi die Stimme aus dem Off.


Fazit:

Mit Daisy Jones & The Six hat Taylor Jenkins Reid ein großartiges Buch geschaffen, über die Welt der Musiker und Musikerinnen in den 70ern, über den Rausch, den Erfolg, die Liebe. Über die Beziehungsdynamik innerhalb einer Band auf ihrem Weg zum Erfolg, und über die Verletzlichkeit der Menschen. Das alles hat sie verpackt in einen so außergewöhnlichen Stil, den ich so noch nie zuvor gelesen habe, und der das Buch in eine ganz andere Liga bringt. So überzeugend und authentisch, dass man beim Lesen glaubt, die Band und ihre Geschichte sei echt, selbst wenn man es eigentlich besser weiß.

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