Geboren als Frau, gelebt als Mann
Die Spionin des KönigsIm beschaulichen Franken des 18. Jahrhunderts wird die Junge Florentin von Rosenberg geboren. Doch ihr weibliches Geschlecht passt nicht ganz in das Wunschdenken des Gutsherren und so wird das Mädchen ...
Im beschaulichen Franken des 18. Jahrhunderts wird die Junge Florentin von Rosenberg geboren. Doch ihr weibliches Geschlecht passt nicht ganz in das Wunschdenken des Gutsherren und so wird das Mädchen kurzerhand als Junge großgezogen, um später einmal das elterliche Gut übernehmen zu können. Schnell stellt sich heraus, dass Florentin ein begnadeter Fechter und beispielloser Reiter ist. Zwei Eigenschaften, die am Hof des Preußenkönigs Friedrich II. von großem Vorteil sind. Doch Florentin merkt sehr schnell, dass sie ebenso einfach auch zwischen ihren Verkleidungen hin- und herschlüpfen kann, und so wird sie als Spionin an den Zarenhof in Russland entsandt. Doch die Liebe droht der jungen Frau einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Höfische Intrigen und das Spionagespiel waren es, was mich an diesem Roman so gereizt hat. Allerdings merkte ich sehr schnell, dass die Geschichte weit früher ansetzt, als es durch den Klappentext scheint, und auch bei weitem langsamer voranschreitet. So betritt die Leserschaft erst im letzten Drittel russischen Boden. Insgesamt hat der Knaur-Verlag mit diesem Klappentext bereits sehr viel Pulver verfeuert, denn dieser ist mit der Handlung beinahe zeitdeckend. Abgesehen von dem, was einem der Klappentext also verspricht, gibt es kaum etwas an großen Spannungsträgern. Nichtsdestotrotz stellte sich die Geschichte als überraschend Unterhaltsam für mich heraus. Zwar nichts besonders geistreiches und auch sprachlich nichts weltbewegendes, aber als Lektüre für zwischendurch ist der Roman gut geeignet.
Dann gab es aber auch wieder diese Momente, an denen ich daran zu zweifeln begonnen habe, ob die Autorin ihre Recherchehausaufgaben gemacht hat. Immer wieder stieß ich auf Stellen, die für Menschen, die sich ein wenig mit dem Feudalsystem und dem 18. Jahrhundert im Generellen auseinandergesetzt haben, schon fast befremdlich wirken. So stellte sich beispielsweise das ganze Buch über nie bei mir das Gefühl ein, wenn die Handlung am Hofe des Preußenkönigs spielte, dass es sich bei diesem um einen der großen fünf Königshöfe handelte. Erstaunlicherweise ganz im Gegensatz zum Zarenhof, der viel atmosphärischer beschrieben wurde. Sicherlich lag es auch daran, dass Florentin dort als Hofdame auch wirklich Aufgaben nachkommt, die einer solchen entsprechen. Dahingegen ist es so, dass Florentin von Rosenberg - ein Freiherr, also zweifelsfrei von Adel - als einfacher preußischer Stallbursche eingestellt ist, gleichzeitig aber auch Fachunterricht gibt. Ein anderer Protagonist wiederum dient als Gärtner und königlicher Kutscher gleichzeitig. Diese beiden Dinge kann ich mir außer mit akuten Fachkräftemangel nur schwer erklären. Auch wirkten manche Stellen sehr abgehaspelt und übertrieben schnell, als wüsste die Autorin nicht, wie sie diese der Handlung und der Zeit gerecht beschreiben und ausarbeiten sollte.
Dennoch ist die Geschichte sehr sanft in die historischen Hintergründe, den Siebenjährigen Krieg oder die Machtübernahme Zarin Katharinas eingebettet, ohne dass diese zu sehr in den Vordergrund rücken würden und Florentin die Show stehlen würden.
Insgesamt also ein durchaus unterhaltsamer historischer Roman, der mich dennoch das eine oder andere Mal zweifeln hat lassen.