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TochterAlice

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2022

Eine schmerzhafte Lektüre

Lügen über meine Mutter
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Eine Mutter, die zu dick ist - findet der dazu gehörende Vater, der so unverschämt ist, ihr das ständig aufs Butterbrot zu schmieren - als wäre es das Einzige, das sie ausmacht. Davon ist auch ...

Eine Mutter, die zu dick ist - findet der dazu gehörende Vater, der so unverschämt ist, ihr das ständig aufs Butterbrot zu schmieren - als wäre es das Einzige, das sie ausmacht. Davon ist auch Elas Kindheit getragen, obwohl sie sehr gut mitbekommt, dass ihre Mutter auch für ganz andere Werte steht. Vor allem für die Fürsorge - für das ungeliebte Kind von Verwandten, für die eigene Mutter, vor allem jedoch für die eigenen Kinder.

Wider Erwarten bin ich sehr schwer in den Roman hineingekommen, dann jedoch ging es mit einer unerwarteten Leichtigkeit weiter. Einer Leichtigkeit, die überhaupt nicht von Vergnügen, sondern vielmehr von Abscheu gegen der Vater, eine Art männliche Pippi Langstrumpf, die sich die Welt malt, wie sie ihm gefällt (mit gaaaanz viel Egoismus dabei) getragen war.

Offensichtlich ist dies auch überhaupt kein Roman, sondern vielmehr eine Art Psychogramm, in dem die Autorin mit ihrer Kindheit abrechnet, mit ihren Empfindungen dazu - ob wahr oder unwahr, das spielt zunächst einmal keine Rolle, sondern es ist vielmehr wichtig für ihr eigenes Überleben, für das Weiterleben.

Wobei auch die Mutter sich die Welt malt, wie sie ihr gefällt: das findet jedoch komplett ohne Leichtigkeit, dafür mit viel Empathie und Nähe zu den Mitmenschen - sogar zu denen, mit denen sie es nicht so hat, statt. Das Wichtigste für sie ist jedoch die Nähe, die Treue zu ihren Töchtern, die sie - wie sie selbst sagt - niemals verlassen wird.

Ein Buch, das ich mit einer gewissen Faszination, jedoch auch mit Abscheu las - wie kann man sich einem Menschen gegenüber so verhalten, wie es der Vater der Mutter gegenüber tut. Und vor allem - wie kann man das verkraften. Einige der Antworten dazu finden sich hier in diesem Buch.

Überlegen Sie sich gut, ob sie stark genug dafür sind!

Veröffentlicht am 03.08.2022

Ein schweres, ein mutiges Leben

Die karierten Mädchen
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Klara ist inzwischen über neunzig und blind, lebt aber immer noch allein und kommt irgendwie zurecht. Irgendwann beschließt sie, ihre Erinnerungen auf Kassetten - wir befinden uns in ...

Klara ist inzwischen über neunzig und blind, lebt aber immer noch allein und kommt irgendwie zurecht. Irgendwann beschließt sie, ihre Erinnerungen auf Kassetten - wir befinden uns in den 1990er Jahren, als das noch nicht ganz so veraltet wie heute war - aufzunehmen.

Und gemeinsam mit Klara taucht der Leser in ihre Vergangenheit ein, in der sie 21jährig ihre erste Stelle in Oranienbaum im Freistaat Anhalt antrat, Ende der 1920er Jahre - als Lehrerin für werdende Haushälterinnen. Heute würde das im Rahmen einer Berufsschule abgewickelt, doch damals war Klara sehr auf sich gestellt, vor allem auch finanziell musste sie knapp kalkulieren, denn im Rahmen ihrer Tätigkeit bekochte sie mit ihren Schülerinnen eine ganze Klinik für lungenkranke Kinder.

Eines Tages wird ein Säugling abgegeben, für den es keine staatliche Unterstützung gibt - zunächst für zwei Wochen, doch bald stellt sich heraus, dass das kleine Mädchen jüdischer Abstammung namens Tolla gar keine Familie mehr hat - inzwischen sind Juden gar nicht mehr gern gesehen. Tatsächlich kommt es dazu, dass Klara sie als eigene Tochter ausgibt. Bald spitzte sich die Situation noch mehr zu, denn die Leiterin der Einrichtung verstirbtund gemeinsam mit ihrer Kollegin und Freundin Susanne übernimmt sie selbst die Leitung. Und sieht irgendwann keine andere Möglichkeit, die Einrichtung zu erhalten, als sich mit den Nationalsozialisten, die inzwischen an die Macht gekommen sind, einzulassen und aus der Einrichtung ein Heim nach deren Vorstellungen zu schaffen. Immer noch mit Tolla an ihrer Seite....

Ein ausgesprochen eindringlicher, mitreißender und gut geschriebener Roman auf zwei Zeitebenen, bei denen mich die Teile, die in der Vergangenheit spielen, um einiges mehr gefesselt haben, auch wenn ich einsehe, dass hier der Rückblick von Klara im Alter wichtig ist. Er hätte jedoch durchaus etwas knapper ausfallen können für meinen Geschmack.

Dennoch ein wundervolles Buch, zumal es diese Kassetten tatsächlich gibt - von der Großmutter der Autorin besprochen, haben sie Alexa Hennig von Lange zu diesem Roman inspiriert. Der erfreulicherweise erst den ersten Teil einer Trilogie darstellt. Ich kann bereits jetzt die Fortsetzung nicht erwarten!

Veröffentlicht am 30.07.2022

Ein dramatisches Ereignis

München 72 - Der Tag, an dem die Spiele stillstanden.
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Petra Mattfeldt hat einen Krimi über das Attentat einer palästinensischen Gruppierung auf die israelische Delegation bei den olympischen Spielen 1972 geschrieben. Eigentlich war es ja eine Geiselnahme, ...

Petra Mattfeldt hat einen Krimi über das Attentat einer palästinensischen Gruppierung auf die israelische Delegation bei den olympischen Spielen 1972 geschrieben. Eigentlich war es ja eine Geiselnahme, die dann ausartete.

Der Autorin war daran gelegen, die Perspektiven aller Protagonisten verdeutlichen, so ist das Ereignis in eine Romanhandlung gebettet, die aus mehreren Perspektiven erzählt wird, deren Gedanken und Empfindungen dargestellt werden.

Angelika Nowak, eine 19jährige Bogenschützin aus Leipzig, ist zum ersten Mal in Westdeutschland - und dann gleich in München bei den olympischen Spielen. Sie ist die einzige Bogenschützin der DDR, die teilnimmt und sie ist ganz schön aufgeregt. Und verwundert und schließlich wütend, als sie dann wahrnimmt, dass ihre Betreuer sie ganz schön abschotten bzw. nicht zum Schutze ihrer Person, sondern einzig und allein der DDR tun.

Sie lernt schnell den 18jährigen Roman, einen Ringer kennen, der sogar Deutsch spricht und die beiden freunden sich an. Eine Freundschaft unter Sportlern, die das ganze Leben der beiden hätte andauern können...

Ein spannender und mitreißender Roman, der aus meiner Sicht teilweise zu emotional dargestellt wird und damit nah an den Rand von Kitsch rückt. Dennoch hat mich das Buch gefangen genommen und ich konnte es nicht aus der Hand legen, bevor ich es ausgelesen hatte!

Veröffentlicht am 29.07.2022

Linda zieht blank

Wenn ich das kann, kannst du das auch!
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Nein, nicht was ihre Kleidung angeht: sie öffnet ihre Küche und die entsprechenden persönlichen Schatzkästlein - ihre eigenen und die von Familie und Freunden - mit den Rezepten, die ihr etwas ...

Nein, nicht was ihre Kleidung angeht: sie öffnet ihre Küche und die entsprechenden persönlichen Schatzkästlein - ihre eigenen und die von Familie und Freunden - mit den Rezepten, die ihr etwas bedeuten.

Besonders scharf war ich auf das Buch aus zwei Gründen. Erstens, weil Linda keine große Köchin ist und zweitens, weil ihre Wurzeln in Griechenland liegen. Ich koche auch nicht (mehr) gern, bin vielmehr gerade dabei, wieder etwas mehr zu machen. Aber: es muss unkompliziert sein und die Vorbereitungen dürfen nicht lange dauern. Außerdem habe ich vor vielen Jahren vierzehn Monate in Griechenland verbracht und das Land und nicht zuletzt die griechische Küche lieben gelernt. Unkompliziertes aus Griechenland war also mehr als gewünscht.

Und ich wurde nicht enttäuscht: Saganaki (das ist Feta überbacken), griechischer Kartoffelsalat, Wassermelonensalat. Wenn es nach mir ginge, hätte allerdings noch einiges mehr aus der griechischen Küche am Start sein dürfen.

Andererseits ist es so etwas wie Lindas kulinarisches Tagebuch und damit ein ganz besonders Geschenk - sie zieht wirklich blank und gibt ihre kulinarischen Vorlieben und Kenntnisse der werten Leserschaft preis. Die sich dafür begeistern oder auch auf ihr rumhacken kann, so wie ich bei der Lektüre des Bolo-Rezeptes. Mit Milch! Igitt! Nein, das wird es bei mir ganz gewiss nicht geben, zumal ich sehr zufrieden mit meinem in Teilen selbst geschaffenen Rezept bin - ohne Milch, dafür mit Wein. Oder auch mal ohne, wenn Kinder mitessen.

Mich begeistert, dass es hier kaum Fleisch gibt, ein bisschen schade hingegen finde ich, dass Fisch kein Rolle spielt. Und noch sympathischer, als sie mir ohnehin schon ist, wird mir Linda Zervakis durch ihre offensichtliche Vorliebe für Hefeteig, die ich uneingeschränkt teile und für die ich hier einiges an Nahrung erhalten habe.

Ein interessantes und spannendes Buch, auch wenn es ein paar Rezepte mehr hätten sein dürfen!

Veröffentlicht am 23.07.2022

Wilde Männer am Anfang und am Ende

Susanna
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Es beginnt mit einem wilden Mann, der laut Tradition in Basel aus dem Rhein ans Ufer steigt, um ein Tänzchen zu wagen und dem von einem kleinen Mädchen - Susanna, der Titelheldin des Buches - ...

Es beginnt mit einem wilden Mann, der laut Tradition in Basel aus dem Rhein ans Ufer steigt, um ein Tänzchen zu wagen und dem von einem kleinen Mädchen - Susanna, der Titelheldin des Buches - mit dem bloßen Finger ein Auge ausgestochen wird. Vor Schreck und aus Versehen, versteht sich.

Susanna nimmt von diesem Kindheitserlebnis etwas mit - mit auf ihre Lebensreise, die in der Tat eine weite Reise beinhaltet, nämlich nach New York. Dorthin bricht ihre Mutter auf, zu einem anderen Mann, nachdem sie den Vater und die Söhne verlassen hat. Sie ist auf dem Weg zu einem anderen Mann. Dieser ganze Neuanfang spielt sich im Gegensatz zum Beginn des Buches recht friedlich ab.

Ich habe mich sehr schwer getan mit dem Start in den Roman, empfand ihn als umständlich, einige Ausführungen erschienen mir ausgesprochen weit hergeholt. Doch ich habe durchgehalten - Gott sei Dank, muss ich im Nachhinein sagen, denn sonst hätte ich ein paar ebenso unkonventionelle Wendungen verpasst.

Wobei Alex Capus in mancherlei Hinsicht durchaus ein unkoventioneller Autor ist - beispielsweise in der, wie sehr er die Frau und ihre Belange - gerne auch wie hier in deutlich früheren Zeiten in den Mittelpunkt stellt. Nicht immer, aber es kommt bei ihm nicht gerade selten vor.

Andererseits ist die umständliche und manchmal tüddelige Erzählweise, derer er sich desöfteren bedient, alles andere als unkonventionell, bzw. ist sie nicht mit derartigen Begriffen zu beschreiben. So schreiben Menschen, die schreiben müssen, nicht wie solche, denen es quasi wie von Geisterhand aus der Feder fließt.

Erfreulicherweise ändert sich diese Ausrichtung, als Susanna und ihre Mutter Maria in den Staaten eintreffen: früh entdeckt Susanna ihre Begabung als Malerin und die damit verbundene Verdienstmöglichkeit.

Sie wird Mutter eines Sohnes mit einem ähnlich starken Charakter wie dem ihrigen: als sie nach einer großen Erbschaft beschließt, auf große Fahrt zu gehen, setzt sich der Sohn mit seinem Reisewunsch durch und die beiden landen vor der Behausung von Sitting Bull, dem zweiten wilden Mann in der Geschichte, wo sie wochenlang bleiben.

Was dann passiert, sollten sie aber selber lesen - nach einem etwas steinigen Start erwartet Sie durchaus ein Lesevergnügen.