Verrohung der Natur
Das ist ein krasses Buch, das ich wirklich nicht jedem empfehlen kann. Wer noch immer davon träumt, Prinzessin zu sein und von dem Prinzen auf dem weißen Pferd entdeckt zu werden, sollte die Finger davon ...
Das ist ein krasses Buch, das ich wirklich nicht jedem empfehlen kann. Wer noch immer davon träumt, Prinzessin zu sein und von dem Prinzen auf dem weißen Pferd entdeckt zu werden, sollte die Finger davon lassen. Hier gibt es Realismus in seiner brutalsten Form.
Yolanda und Verla sind zwei junge Frauen, die plötzlich drogenbenehmelt in einem Camp in der australischen Wüste erwachen und dort auf acht weitere Frauen treffen, die alle entführt worden sind und sich hier wiederfanden. Das Camp mit einem KZ zu vergleichen ist nicht zu hoch gegriffen: Den Frauen werden die Köpfe geschoren, sie müssen in glühender Hitze aneinandergekettet marschieren, eine Straße bauen und ständig damit rechnen, von den beiden brutalen Wärtern mit einem Knüppel verprügelt zu werden. Sie werden gedemütigt, es wird versucht, ihnen ihre Identität zu nehmen. Sexuelle Übergriffe bleiben nicht aus. Und dann fällt eines Tages der Strom aus - nur der elektrische Zaun ringsum des Camps nicht, da an einen anderen Stromkreis angeschlossen. Plötzlich stehen sie vor dem Verhungern, denn es gibt auch keine Möglichkeit, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen, nicht einmal für die Wärter ...
Eigentlich ist dieses Buch nur durch seine relativ distanzierte Schreibweise zu ertragen, wobei es distanziert auch nicht wirklich trifft, vielleicht sachlich? Die meiste Zeit erfahren wir die Ereignisse aus der Sicht von Verla und Yolanda - wobei dabei auch zwischen Präsens und erzählendem Präteritum gewechselt wird, was das Ganze intensiver macht. Nach und nach sind es nicht nur die brutalen Wärter, die verrohen, sondern auch die Frauen, Schritt für Schritt, Tag für Tag nähern sie sich wilden Tieren an, nur noch auf das reine Überleben bedacht. Gleichzeitig gibt es verschiedene Cope-Mechanismen, um mit der unerträglichen Situation fertig zu werden, und manche geben einfach auf und bringen sich um. Wenn ich etwas an dem Buch zu bemängeln habe, dann dass die Frauen bis zum Schluss nicht versuchten, ihre einzigen beiden Wärter zu überwältigen - ist das realistisch? Zehn Frauen, gequält bis aufs Blut, und die Wärter, die oft genug auch allein bei ihnen sind? Auch dass keine wenigstens versucht hatte, sich unter dem Zaun durchzugraben, fand ich seltsam. Trotzdem ist das ein Buch, das man sacken lassen muss, das sich immer wieder in die Gedanken schleicht, vor allem, weil es auch ein ziemlich offenes Ende gibt, das zwei Fragen aufwirft: Warum wurde mit den Frauen getan, was getan wurde und was könnte noch schlimmer sein als das, wie es am Ende angedeutet wurde?