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Veröffentlicht am 02.08.2022

Ich mag diesen unkonventionellen Ermittler

Totentanz für Dr. Siri
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Laos, 1977: Eigentlich ist Dr. Siri Paiboun längst im Rentenalter, aber als einziger Pathologe in Laos ist für ihn an Ruhestand nicht zu denken. Als aus einem zerstörten Betonweg ein mumifizierter Arm ...

Laos, 1977: Eigentlich ist Dr. Siri Paiboun längst im Rentenalter, aber als einziger Pathologe in Laos ist für ihn an Ruhestand nicht zu denken. Als aus einem zerstörten Betonweg ein mumifizierter Arm ragt, macht er sich mit Schwester Dtui auf den Weg nach Houaphan. Während seiner Abwesenheit wird der Pathologieassistent, Herr Geung, regelrecht entführt, und muss sich den Weg zurück nach Hause schwer erkämpfen.

Dr. Siri ist ein besonderer Ermittler, denn er hat Connections zur Geisterwelt, und so ganz andere Möglichkeiten Fälle zu lösen. Außerdem ist er zwar kein immer einfacher Mensch, aber durchaus liebenswert, denn er setzt sich da ein, wo es nötig ist.

Das Leben in Laos war damals nicht leicht, die kommunistische Revolution gerade erst vorbei. Dennoch spielt auch die latotische Kultur immer noch eine große Rolle. Man erfährt einiges über das Laos jener Zeit, ein zusätzlicher Pluspunkt.

Neben Siris und Dtuis Ermittlungen geht die Erzählung auch immer wieder zu Geung und seiner Odyssee. Geung hat das Down-Syndrom, und es somit generell nicht leicht. Seinen Job in der Pathologie macht er gut, doch das sieht nicht jeder so, weswegen man Siris Abwesenheit ausnutzt, um ihn loszuwerden. Doch Geung hat Siri versprochen, auf die Pathologie aufzupassen, und es hält ihn nichts davon ab, dieses Versprechen so gut wie möglich zu halten. Am Ende hat er mehrere hundert Kilometer zurückgelegt, und vielen Gefahren getrotzt, manchmal mit viel Glück.

Der dritte Band der Reihe hat mir wieder gut gefallen, der Roman lässt sich zügig lesen, ist humorvoll und nicht ohne Spannung. Man muss sich halt auf diesen unkonventionellen Ermittler einlassen, und seine Geisterwelt-Verbindung akzeptieren, dann wird man gut unterhalten. Ich jedenfalls freue mich auf Band 4 und vergebe gerne wieder volle Punktzahl.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Realer Kriminalfall, brilliant erzählt

Gretchen
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Frankfurt 1770: Susanna Margaretha Brand dient im Gasthaus der Witwe Bauer, verliebt sich in einen durchreisenden Gast und verlebt ein paar schöne Stunden mit ihm. Dass sie später schwanger sein könnte, ...

Frankfurt 1770: Susanna Margaretha Brand dient im Gasthaus der Witwe Bauer, verliebt sich in einen durchreisenden Gast und verlebt ein paar schöne Stunden mit ihm. Dass sie später schwanger sein könnte, will sie nicht wahrhaben, auch wenn ihr Körper etwas anderes sagt. Bald gibt es Gerüchte, und Susanna, Susann genannt, wird sogar von Ärzten untersucht, doch niemand stellt eine Schwangerschaft fest. Im August 1771 klagt sie eine ihrer Schwestern der verheimlichten Schwangerschaft und Geburt an, beides ist strafbar, und die Mühlen der Justiz beginnen zu mahlen.

Die Historikerin Ruth Berger erzählt nicht nur von einem tatsächlichen Kriminalfall, sondern stützt ihre Erzählung auch auf die historischen Akten zu diesem, und dennoch bleibt es ein Roman mit auch fiktiven Anteilen. Allerdings ist es auch insofern ein beachtenswerter Fall, dass Susann Goethe, der in diesem Roman auch eine handelnde Rolle spielt, zu seinem Gretchen inspirierte. Sehr lesenswert ist übrigens auch die „Nachrede“, in der die Autorin erzählt, „wie es weiterging“.

Goethe ist übrigens nicht die einzige historische Persönlichkeit, die eine mehr oder weniger große Rolle spielt, so trifft man z. B. auch auf seine Schwester Cornelia und die Brüder Senckenberg, sowie viele andere Frankfurter aus allen Schichten, so auch Susanns Geschwister, Kolleginnen und die Gäste des Gasthauses, in dem sie arbeitet. Alle Charaktere werden pointiert, und mit Stärken und Schwächen dargestellt. Die meisten steuern ihre eigenen Perspektiven bei.

Erzählt werden zunächst parallel die Ereignisse ab der Bezichtigung durch die Schwester,und das Geschehen davor, später bleibt es bei der aktuellen Zeitebene. Besonders der Erzählstil gefällt mir sehr gut, die Autorin schaut quasi „dem Volk aufs Maul“ und erzählt die jeweiligen Perspektiven so, als würde man die Gedanken und Gefühle der:s jeweiligen Handelnden erfahren, und das liest sich sehr humorvoll und unterhaltsam, was in Anbetracht dessen, was (noch) passiert, manchmal recht makaber wirkt. Dennoch lässt sich der Roman dadurch sehr gut lesen und, zunächst zumindest das, was noch kommen wird, verdrängen. Die Sprache ist dadurch oft etwas altertümlich, aber sehr passend, Insgesamt wirkt alles sehr authentisch.

Besonders die Perspektive Susanns war es – natürlich – die mich sehr berührt hat. Diese junge Frau, die einen gewissen Widerspruchsgeist hat, und daher in der Vergangenheit ihre Probleme mit ihren Dienstherrschaften. Die Witwe Bauer allerdings ist zufrieden mit ihr. Susann, jüngste der Geschwister, versucht, auch aus Liebe vor allem zu ihren Schwestern, nun alles richtig zu machen. Ein kleiner Fehltritt nur, die Hoffnung auf Liebe, stürzt sie ins Unglück. Als ledige Mutter hätte sie kaum eine Chance mehr, da ist die Gesellschaft unerbittlich. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, Susanns Überlegungen, ihre Schuldgefühle, ihre Verdrängungen, ihre Hoffnung glaubhaft darzustellen.

Der Roman punktet vor allem mit seinem Erzählstil, realistisch, authentisch, und humorvoll, was die Geschichte letztlich traurigkomisch macht – vor allem natürlich auch, weil es sich um ein reales historisches Geschehen handelt. Auch der Einbezug der Perspektiven anderer Frankfurter, aus allen Schichten, macht das Ganze sehr authentisch. Unbedingt empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Lesenswert

Galatea
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Madeline Miller nimmt sich nach Circe und Achill nun dem Pygmalion-Mythos an – das Original von Ovid ist ebenfalls in diesem Buch enthalten. Pygmalion schuf eine Frauenstatue, in die er sich verliebte, ...

Madeline Miller nimmt sich nach Circe und Achill nun dem Pygmalion-Mythos an – das Original von Ovid ist ebenfalls in diesem Buch enthalten. Pygmalion schuf eine Frauenstatue, in die er sich verliebte, die zum Leben erwachte und ihm sogar eine Tochter schenkte. Die Kurzgeschichte „Galatea“ ist aus Sicht dieser Frau erzählt und führt Ovids Verse fort.

Während bei Ovid der Mann im Mittelpunkt steht, und die Frau nicht mal einen Namen hat, ist es bei Miller umgekehrt. Zudem ist die Harmonie zwischen den beiden längst zerbrochen. Galatea hat das Leben an Pygmalions Seite nicht ertragen, und auch das Bedürfnis, ihre Tochter zu schützen. Doch nun ist sie gefangen, wird unter Drogen gesetzt und „darf“ hin und wieder seinen Besuch ertragen. Die Autorin lässt Galatea selbst erzählen – eindringlich und berührend.

Lesenswert sind auch das Vorwort der Autorin sowie das Nachwort von Andreas Knabl, das zusätzliche Informationen bietet. Schön und zur Geschichte passend sind die dezent farbigen Illustrationen von Thomke Meyer.

Auch wenn hier „nur“ eine Kurzgeschichte erzählt wird, lohnt sich das Lesen, nicht nur für Fans der Autorin, unbedingt. Die Boni werten das Buch zusätzlich auf.

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Veröffentlicht am 21.07.2022

Historie, Mystery und ein überzeugendes Figurenensemble, dazu amüsant und spannend

Die Schattensammlerin - Dichter und Dämonen
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Fastnacht1830, Frankfurt am Main: Während eines Festes wird im neu gegründeten Senckenberg Museum ein Schädel gestohlen, Leihgabe Johann Wolfgang von Goethes, der natürlich sein Eigentum wieder zurückhaben ...

Fastnacht1830, Frankfurt am Main: Während eines Festes wird im neu gegründeten Senckenberg Museum ein Schädel gestohlen, Leihgabe Johann Wolfgang von Goethes, der natürlich sein Eigentum wieder zurückhaben möchte, und da die Polizei nicht unbedingt erfolgversprechend ermittelt, selbst mit Hilfe seines Adlatus Abaris und der Museums-Angestellten Millicent Wohl den Fall zu lösen versucht.

Die Gebrüder Orgel scheinen den phantastischen Bereich verlassen, und sich in den historischen begeben zu haben, aber ganz so ist es doch nicht, denn zum historischen Setting und dem Protagonisten Goethe kommt noch ein guter Schuss Mystery. Das passt hervorragend zusammen, zumal sich erst nach und nach für Milli(cent) und die Leserschaft klar wird, dass nicht alles mit rechten Dingen zugehen kann. Da im Senckenberg Museum auch manche Kuriosität, wie etwa ein ausgestopfter Wolpertinger, zu finden ist, passt letztlich auch dieses Setting gut, na und der Geheimrat sowieso, wenn man sein wohl berühmtestes Werk betrachtet.

Gut gefallen mir die Protagonisten, Goethe, bereits in hohem Alter und ein alter Grantler, Milli, die klug und aufgeschlossen ist, und sich zu helfen weiß, Abaris, der sehr geheimnisvoll ist, sowie Goethes Kutscher Heinrich, ein alter Soldat und immer noch wehrhaft. Sie alle gewinnt man schnell lieb, und ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung, denn ich will sie alle wiedertreffen. Neben diesen Hauptcharakteren gibt es einen sehr interessanten Zirkus, dessen Mitglieder nicht nur alle besonders sind, sondern auch wichtig für das Geschehen werden. Und natürlich die Antagonistenseite, die lange mysteriös bleibt. Und, wie es so ist, bei Romanen der Autoren, kann man auch jemanden treffen, den man vielleicht aus (einem) anderen Roman(en) bereits kennt

Als langjähriger Fan der beiden Autoren hat mir schon immer ihr Erzählstil gut gefallen, der hier neue Höhen erreicht. Selten habe ich mich – bei so einem Stoff – so amüsiert, da wird nicht nur überlegt, ob man Hierarchie an Bäuchen festmachen kann, sondern es fließen auch viele, vor allem goethesche Zitate ein, und es gibt sehr unterhaltsame Dialoge. Ich habe oft schmunzeln müssen. Daneben kommt aber auch die Spannung nicht zu kurz. Insgesamt ist der Roman angenehm kurzweilig, ohne dadurch an Anspruch zu verlieren.

„Die Schattensammlerin“ ist zunächst als Hörspiel erschienen, zu meinem Glück – ich lese lieber selbst – jetzt aber auch als Roman.

T. S. Orgels Ausflug in die Historie hat eine ordentliche Beimischung von Mystery, ist sehr unterhaltsam und ebenso spannend, und besticht mit einem Figurenensemble, das man gerne noch öfter wiedertreffen möchte. Ich bin begeistert und empfehle den Roman unbedingt weiter.

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Veröffentlicht am 02.07.2022

Wieder ein besonderer Roman

Die Galaxie und das Licht darin
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Tren ist ein Sonnensystem mit nur einem Planeten, Gora, das eigentlich nichts zu bieten hat, aber in unmittelbarer Nähe ein Tunnelknotenpunkt liegt, so dass die Schiffe hier warten müssen, bis sie in durch ...

Tren ist ein Sonnensystem mit nur einem Planeten, Gora, das eigentlich nichts zu bieten hat, aber in unmittelbarer Nähe ein Tunnelknotenpunkt liegt, so dass die Schiffe hier warten müssen, bis sie in durch den nächsten Tunnel zu ihrem eigentlichen Ziel reisen können. Auf Gora sind daher Habitatkuppeln entstanden, in denen allerlei Vergnügungen und Dienstleistungen angeboten werden.

Die Laru Ooli Oht Ouloo betreibt zusammen mit ihrem Kind Tupo ein solches Habitat, und erwartet gerade drei neue Gäste, die Äluonerin Pei, den Quelin Roveg und die Akarak Speaker. Ein Problem mit den Satelliten zwingt alle Gäste, auf dem Planeten zu bleiben, und so müssen auch in Ouloos Habitat alle fünf mehrere Tage miteinander auskommen – sie kommen sich in dieser Zeit näher, lernen sich kennen, stellen Ressentiments auf den Prüfstand, helfen einander und müssen Gefahren gemeinsam meistern.

Becky Chambers Reihe hängt im Grund nur lose zusammen, es gibt aber immer etwas oder jemanden, wodurch eine Verknüpfung entsteht, hier ist es Pei, die mit Ashby, dem Wayfarer-Captain aus dem ersten Band, eine Beziehung hat, die hier auch eine Rolle spielt, denn Pei ist auf dem Weg zu Ashby. Wie ich gelesen habe, soll dies der letzte Band der Reihe sein, was ich ausgesprochen schade finde, zum einen wäre ich gerne noch einmal auf der Wayfarer gelandet, zum anderen gäbe es noch so viele Geschichten aus diesem Universum zu erzählen.

Das Besondere an der Reihe ist, dass die Autorin es schafft, alle Spezies, alle Individuen, und auch alle Hintergründe authentisch wirken zu lassen. Sie mögen noch so fremd wirken, sie werden doch alle greifbar. Sehr gut gefällt mir auch, dass die Beziehungen untereinander thematisiert werden, und dass die Autorin es meistens schafft, dass sie tolerant und sensibel miteinander umgehen, zumindest im Laufe des Romans. In diesem Band ist das ganz besonders gut zu sehen, und hat mich sehr berührt. Am liebsten hätte ich Platz genommen zwischen Ouloo, Tupo, Pei, Speaker und Roveg.

Dieses besondere Charakter- und Worldbuilding gelingt Becky Chambers wohl auch durch ihren persönlichen Hintergrund, die Eltern sind Astrobiologin sowie Luft- und Raumfahrttechniker. Auch Diversity ist immer wieder ein Thema in der Reihe, nicht nur durch die verschiedenen Spezies, so hat sich z. B. Tupo noch nicht für ein Geschlecht entschieden, und wird dadurch mit geschlechtsneutralen Pronomen, wie z. B. „sir“ angesprochen, das kennt man bereits auch aus den Vorgängerbänden.

Erzählt wird aus den Perspektiven der einzelnen Charakteren, so dass man diese nicht nur aus ihrer eigenen Sicht, sondern auch aus die der anderen erlebt, was das Ganze rund macht, und zeigt, wie sie voneinander denken, und sich ihre Sichtweisen auch ändern.

Der vierte, und wohl leider auch letzte, Band der Reihe ist wieder ein ganz besonderer Roman. Mich beeindruckt und berührt diese Reihe sehr und ich bin gespannt auf die weiteren Werke Becky Chambers’.

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