Profilbild von Schugga

Schugga

Lesejury Star
offline

Schugga ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Schugga über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2022

Chiles Vergangenheit, stellenweise nicht lebensnah genug

Violeta
0

Vor 100 Jahren während der Pandemie der Spanischen Grippe geboren, nutzt die Chilenin Violeta die Ruhe der aktuellen Pandemie, um ihrem Enkel Camilo die Zeit ihres Lebens in Briefen wiederzugeben. Zwischen ...

Vor 100 Jahren während der Pandemie der Spanischen Grippe geboren, nutzt die Chilenin Violeta die Ruhe der aktuellen Pandemie, um ihrem Enkel Camilo die Zeit ihres Lebens in Briefen wiederzugeben. Zwischen Erlebnissen und Schicksalen von Familien und Freunden zieht sie hierbei auch Bezüge zur Geschichte Chiles.
Historische Zeiträume mittels eines fiktiven Charakters kennenzulernen bietet die Chance, auch Einblick in das Wirken der Geschehnisse auf die Bevölkerung zu erlangen, welche in den reinen Datenangaben der Geschichtsbücher meist völlig unbeachtet bleibt. Mit Violeta wird zudem ein Blick aus Frauensicht und auf die Frauen der vergangenen rund 100 Jahre Chiles geboten, wo ansonsten meist Männer im Mittelpunkt stehen. Wobei die Autorin Violeta ihr Heimatland leider wie ein fiktives Land beschreiben lässt, in denen Orte und Namen meist ebenso fiktiv sind wie Violeta selbst.
Tatsächlich liest sich das Buch größtenteils recht unterhaltsam, insbesondere durch die - wenn auch leicht verfälschten - Details über die Chilenische Geschichte. Die Sorgen und Probleme der Bevölkerung sowie die Gefahren verschiedenster Regierungsformen ließen mich emotional nicht unberührt. Da Violeta die Briefe retrospektiv schreibt, fallen entsprechend auch mal wertende Kommentare über Personen oder Ereignisse. Allerdings beinhalten die Briefe viele Details, welche sie gar nicht selbst erlebt, sondern über Verwandte oder Bekannte erfahren hat wie z. B. zu Beginn über ihre Eltern und ihre Geburt sowie die ersten Jahre ihrer Kindheit, in der sie sich zunächst zu einem verzogenen Nesthäkchen entwickelte, bevor ein Kindermädchen dies änderte. Zwischen all den Personen und deren Leben, über welche Violeta berichtet, bleibt das eigene Leben der fiktiven Erzählerin leider ziemlich unspektakultär. Als junge Frau tappt sie in die rosarot bebrillte Hormonfalle und verwickelt sich in eine toxische Beziehung, dessen Werdegang ich leider überhaupt nicht nachvollziehen konnte und vielmehr dazu beitrug, sie mir charakterlich zu entfremden. Desweiteren betont sie in ihren Briefen wiederholt, wie wenig sie sich ihr Leben lang für die politischen Entwicklungen des Landes interessierte, entsprechend sind die erwähnten Details meist den Schicksalen und Gedanken anderer Personen geschuldet.
Tatsächlich fußt das Buch überwiegend auf den Leben anderer Charaktere, während die Erzählerin selbst über lange Strecken uninteressant bleibt. Ihr Talent, Geld zu verdienen, wird durch die fehlenden Gleichstellungsgesetze der damaligen Zeit unnötig erschwert, wie so manch anderes auch - dafür kämpfen werden aber später andere. Dies ist einer der wenigen Pluspunkte des Romans: Die Darstellung starker Frauen, welche in Violetas Leben traten und für das kämpften, was Violeta selbst einfach so hinnahm, von häuslicher Gewalt bis hin zu mangelnden Rechten in Familie und Wirtschaft. Streckenweise hatte ich wirklich das Gefühl, die erwachsene Protagonistin lebte in ihrer eigenen komfortablen Blase, ließ es sich gutgehen und verschloss die Augen vor dem Elend in der Welt. Entsprechend distanziert schildert sie so manch historische Zustände, unter welchen die Bevölkerung grausam leiden musste und wird dem Ganzen auf diese Weise meines Erachtens nicht gerecht. Obwohl doch genau dies die Punkte wären, welche die Leser am meisten emotional berühren würden. Gleichzeitig nimmt sie sich in ihren Briefen das Recht heraus, über andere zu urteilen, wovon selbst der Enkel, an den die Briefe gerichtet sind, nicht verschont bleibt. Das verlieh den Briefen mit der Zeit einen etwas faden Beigeschmack. Ebenso zieht sich das Buch zum Ende hin, es kommt zu unnötigen Längen und Wiederholungen.
Im Ansatz sowie grundsätzlich ein interessantes Buch, welches die Sorgen und Nöte der chilenischen Bevölkerung, insbesondere der Frauen, während der verganenen 100 Jahre leider nicht ausdrucksstark genug darstellt. Zudem beschreibt die fiktive Erzählerin meist die aufregenden Leben anderer, während ihr eigenes Leben über Längen unspektakulär bleibt. Entsprechend gebe ich 3,5/5 Punkten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.03.2022

Spannender Fall, nervige Privatprobleme

Nebelopfer
6

Der fünfte Fall für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. An einem alten Galgenbaum in der Geest hängt im nebligen Wintermorgen ein Toter mit Schild um den Hals, welches das Opfer als Lügner in einem längst ...

Der fünfte Fall für Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. An einem alten Galgenbaum in der Geest hängt im nebligen Wintermorgen ein Toter mit Schild um den Hals, welches das Opfer als Lügner in einem längst vergangenen Mordfall denunziert. Als kurz darauf Bjarne ein bedrohliches Ultimatum gestellt wird, den wahren Täter des früheren Mordfalls ausfindig zu machen, wird Bjarne vorrübergehend versetzt, um ihn aus dem Visier des Täters zu nehmen. Doch die Ermittler sind sich uneins - die einen glauben, den früheren Fall wieder aufrollen zu müssen, um den Täter zu finden, die Führung hingegen will die Wiederaufnahme verhindern, da längst ein Verurteilter im Gefängnis sitzt. Doch die Morde hören nicht auf, jeweils mit einem Schild um den Hals, dass damals der Falsche verurteilt wurde. Der einzige Überlebende der damaligen Bluttat, zu der Zeit noch ein Kind, kann sich jedoch nicht mehr an das Geschehen erinnern.
Tatsächlich ist die Idee ganz spannend, ein alter Fall, welcher Auslöser für einen neuen Fall ist und einem Racheengel als Legitimation für erneute Morde dient. Dazu die Frage, ob damals wirklich der richtige Täter verurteilt wurde. Hinzu kommt ein neuer Kollege, Leonard Bootz, der mit seiner Art zunächst nicht so recht ins Team zu passen scheint, obwohl er ansonsten ein guter Ermittler sein soll. Nebenbei gibt es noch privaten Trubel bei Frida, da ihrem Freund seit seinem Unfall die Perspektiven abhanden gekommen sind.
Besonders haben mir diesmal wieder die Bezüge zur Gegend gefallen, vor allem der Nebel macht es sehr atmosphärisch. Die Mordfälle, der vergangene sowie die erneuten Morde, kommen jeweils zunächst ebenso undurchsichtig daher, wie der Nebel über der Geest liegt. Hier hat mir das Miträtseln Spaß gemacht. Die privaten Beziehungsprobleme im Hause Paulsen wurden mir jedoch irgendwann zu anstrengend, ebenso wirkte Frida auf mich manches Mal nicht mehr professionell genug. Auch wunderte ich mich über ihre altbackene Einstellung zum Thema Beziehungen und Karriere, welche die Autorin ihr angedichtet hat, während die Männer um sie herum fröhlich die Karriereleiter erklimmen. Von den nicht vorhandenen sozialen Fähigkeiten des neuen Kollegen ganz zu schweigen, der Null Verhörkompetenz aufweist.
Alles in allem hat mir der Doppelfall recht gut gefallen. Als störend empfand ich hingegen diesmal Fridas nervige Beziehungsprobleme ebenso wie den neuen Kollegen, der trotz angeblicher Kompetenz in bezug auf andere Menschen erschreckend inkompetent auftrat. In meinen Augen nicht der beste Fall der Autorin.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 04.03.2022

Ein Pastor und die Selbstjustiz

Mein Wille geschehe
0

Ein etwas anderer Kriminalroman, der mit ein paar Querverweisen zu biblischen Inhalten aufwartet. Was auch durchaus passend ist, ist doch hier ein Pastor der mutmaßliche Täter. Doch zunächst lernt man ...

Ein etwas anderer Kriminalroman, der mit ein paar Querverweisen zu biblischen Inhalten aufwartet. Was auch durchaus passend ist, ist doch hier ein Pastor der mutmaßliche Täter. Doch zunächst lernt man Pastor Benedikt Theves als einen Menschen kennen, der kaum aus sich herauskommt und bei dem man in den Predigten einzuschlafen droht. Ein Mann, dem der gewisse Biss fehlt. Seine Therapeutin rät ihm, seine Emotionen aus sich herauszulassen, statt die Schuld immer auf sich zu beziehen. Leider geht das bei einer Beichtsitzung, welche er als Option für seine Gemeinde neu eingeführt hat, etwas schief: Pastor Theves kommt bei einer Beichte, bei der es um Gewalt in der Ehe geht, so aus sich heraus, dass er spontan den gewalttätigen Ehemann mit dem Kreuz niederschlägt und das Opfer in der Krypta versteckt. Auch wenn die Ehefrau des Erschlagenen regelrecht froh darüber ist, ihren tyrannischen Ehemann los zu sein, weiß der Pastor nicht, wie er damit umgehen soll, sucht unter anderem Rat bei seinem früheren Mentor. Ist Gewalt immer ein Verbrechen? Oder richtet nicht manchmal Gott die Bösen, indem er andere Menschen nach seinem Willen handeln lässt? Ließe sich das nicht auch gegen andere Straftäter anwenden? Und dann ist da auch noch die Leiche in der Krypta, die dringend weg müsste, wenn der Küster nur endlich den Schlüssel für das neu angebrachte Schloss herausrücken würde.
Zugegeben, bei diesem Roman musste ich mich zunächst warmlesen, da zu Beginn erstmal die Charaktere ein wenig vorgestellt werden. Richtig los ging es dann, als Pastor Theves dem tyrannischen schwarzen Schaf der Gemeinde das Kreuz über die Rübe zieht. So, wie der Pastor von da an aus sich heraus kommt, sich seine Predigten von Schlaftablette zu Vergnügungsprogramm mausern, entwickelt auch der Roman einen gewissen Unterhaltungswert. Vor allem der Austausch mit seinem belesenen Mentor war sehr interessant, aber auch die vielen Alltagssituationen, in welche Theves gerät bis hin zu seinem Versuch, die Welt zumindest im Kleinen etwas besser zu machen.
Ein etwas ruhigerer Krimi, der langsam in Fahrt kommt und sowohl lustige Situationen wie auch nachdenkliche Momente bietet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.01.2022

Populärwissenschaftliche Wollflusen statt rotem Faden

Eine Geschichte des Lebens - auf zehneinhalb Arten erzählt
0

In diesem reich bebilderten, populärwissenschaftlichen Sachbuch beschäftigt sich die Autorin mit verschiedenen Aspekten des Lebens und dessen Entwicklung. Von der Entstehung des Lebens bis hin zur allmählichen ...

In diesem reich bebilderten, populärwissenschaftlichen Sachbuch beschäftigt sich die Autorin mit verschiedenen Aspekten des Lebens und dessen Entwicklung. Von der Entstehung des Lebens bis hin zur allmählichen Vernichtung derselben durch den Menschen bietet das Buch auf rund 250 Seiten eine Vielzahl von Themen. Zu jedem Überthema, welches in einem der 10,5 Kapitel behandelt wird, hat sie sich ein Lebewesen aus Fauna oder Flora herausgesucht, anhand dessen sie sich beispielhaft entlang hangelt. Wobei das letzte, halbe Kapitel sich mit Formen künstlichen Lebens beschäftigt, welches tendentiell noch in den Kinderschuhen steckt und neben potentiellen Anwendungsgebieten auf Vermutungen bezüglich der zukünftigen Entwicklung setzt.
Auch wenn die Themenauswahl für interessierte Leser zunächst ganz spannend anmutet und mit hochwertigen Fotos und colorierten Seiten untermalt ist, kann das Buch nur bedingt überzeugen. Statt sich am berühmten Roten Faden entlangzuhangeln, hüpft sie zwischen Themen und Gedanken hin und her und wirft wiederholt auch mal Fachbegriffe ohne wirkliche Signifikanz in den Raum, ohne diese weiter zu erläutern. Gleichzeitig lässt sie Chancen ungenutzt, zu den Themen ausreichend Beispiele zu nennen, welche man als unterhaltsame Fun Facts für sich mitnehmen könnte.
Nicht ganz Fisch, nicht ganz Fleisch: Für ein reines Sachbuch bleiben zuviele Dinge ungeklärt und haben sich zudem zuviele fachliche Fehler eingeschlichen. Ebenso baut das präsentierte Wissen nicht immer vernünftig aufeinander auf, wirkt oftmals etwas unsortiert. Für ein unterhaltsames Buch wirken so manche Passagen einfach ermüdend, ungeklärte Fachbegriffe bremsen den Lesefluss und fehlende Beispiele lassen so manchen Aha-Effekt guter Unterhaltung vermissen. Die Schemata zur Vererbung sahen mir zu lieblos aus, die Grundzüge der Mendel’schen Vererbungslehre werden von der Autorin schlicht vorausgesetzt, statt mal in einem Infokasten zur Auffrischung für Themenfremde anzubieten. Grad bei populärwissenschaftlichen Büchern kann ich erwarten, dass diese ohne Sekundärliteratur für die Leser auskommen.
Ein informatives und optisch in großen Teilen gelungenes Buch, welches inhaltlich etwas unsortiert daherkommt. Fachbegriffe werden manchmal einfach in den Raum geworfen, ohne für den weiteren thematischen Verlauf relevant zu sein, und bremsen das Lesevergnügen wiederholt aus. Ein Buch, welches neben vielen interessanten Fakten stellenweise Durchhaltevermögen erfordert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.01.2022

Ausgefallene Londoner Lovestory mit einigen Längen

Unsere Zeit ist immer
0

Minnie und Quinn waren die ersten beiden Babies, die am 1. Januar 1990 in einer Londoner Klinik zur Welt kamen. Da Quinn eine Minute schneller war, bekam seine Familie ein hohes Preisgeld, während Minnies ...

Minnie und Quinn waren die ersten beiden Babies, die am 1. Januar 1990 in einer Londoner Klinik zur Welt kamen. Da Quinn eine Minute schneller war, bekam seine Familie ein hohes Preisgeld, während Minnies Eltern leer ausgingen. Seitdem sind ihre Eltern davon überzeugt, dass Minnie als ewige Zweite vom Pech verfolgt ist - Beweise hierfür finden sich zur Genüge. Genau dreißig Jahre später laufen Minnie und Quinn sich auf ihrem Geburtstag über den Weg - und obwohl Minnie jahrelang davon überzeugt war, Quinn hätte ihr damals das Glück geklaut, scheint Quinn genau das Glück für sie zu sein, welches ihrem Leben gut tun würde. Auf den Gedanken, dass auch Quinn dringend eine Portion Glück gebrauchen könnte, kommt sie zunächst gar nicht.
Eine quirlige Londoner Liebesgeschichte, die stellenweise schon etwas überzogen wirkt. Sowohl Minnie als auch Quinn haben ihr Päckchen zu tragen, an welchen deren Eltern nicht ganz unbeteiligt sind. Mehrere Rückblicke in ihre früheren Silvesternächte liefern nach und nach Bilder, aus denen die Charaktere der Protagonisten immer umfangreicher werden.
Sehr gefallen haben mir so manche Ideen und Gedanken der beiden, ebenso müssen sie jeweils zunächst zu sich selbst finden und ein wenig in ihrem Leben aufräumen, bevor sie sich aufeinander einlassen können. Eine somit alles andere als gradlinige Geschichte, die auch ihn und wieder für manche Überraschungen sorgt. Stellenweise waren mir Szenen rund um Minnie allerdings etwas zu überzogen oder konstruiert, so manche Schusseligkeiten nahm ich der Autorin einfach nicht mehr ab. In den Momenten empfand ich das Buch dann auch als unrealistisch, das bremste meinen Lesespaß unnötig aus. Ebenso gibt es einige Längen, die, nunja, eben langweilig sind. Daher möchte ich dem zu großen Teilen unterhaltsamen Buch wohlverdiente 3,5/5 Punkten geben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere