Ein Maßstab für Politthriller
Ludlums „Matarese-Bund“ ist auch nach über 4 Jahrzehnten noch packend und fesselnd: es gibt über die 620 Seiten keinen Spannungsabfall. Das Buch schildert den geheimnisvollen Matarese-Bund als steuernde ...
Ludlums „Matarese-Bund“ ist auch nach über 4 Jahrzehnten noch packend und fesselnd: es gibt über die 620 Seiten keinen Spannungsabfall. Das Buch schildert den geheimnisvollen Matarese-Bund als steuernde Meta-Ebene des in den 1970er Jahren grassierenden Terrorismus mit seinen permanenten Flugzeug-Entführungen, Bombenattentaten etc.
Der dramaturgische Aufbau ist durchweg gelungen, so bleiben die handelnden Köpfe dieser Geheimgesellschaft lange im Dunkeln, insbesondere der Anführer, der sog. „Hirtenjunge". Die beiden Protagonisten werden in der ersten Hälfte des Buches sorgsam aufgebaut, ohne dass der Leser mit einer ausufernden Vorgeschichte belästigt wird. Vielmehr lernt er den Hintergrund und die Persönlichkeit der beiden straff und strukturiert kennen. Schritt für Schritt entwickelt der Autor eine in sich schlüssige Story, die rasant an Fahrt aufnimmt, ohne zwischendurch zu langweilen. Es gibt weder überflüssige Nebenschauplätze noch die zeitttypischen Stereotypen, bemerkenswert ist hierbei die sachlich-neutrale Darstellung von CIA und KGB, was Ende der 70er nicht eben üblich war.
Für die Beschreibung der Matarese schöpft der Autor sichtlich aus Quellen über bekannt gewordene Geheim-Strukturen, etwa die Freimaurerlogen, die Mafia oder Adam Weishaupts umstürzlerischem Illuminatenorden. Das Freimaurer-Motto „Ordo ab chao“ (Ordnung im Chaos schaffen) wird im Buch zwar nicht ausdrücklich genannt, als Zielsetzung der Matarese aber genau umschrieben. Der Autor ahnte mit diesen quasi die erst 1981 (und damit 2 Jahre nach Veröffentlichung des Buches) bekannt gewordene italienische Freimaurerloge „Propaganda Due“ voraus, deren Mitglieder fast ausnahmslos aus der Finanzwirtschaft, der Politik und dem Militär kamen - darunter die drei amtierenden Leiter der italienischen Geheimdienste sowie der amtierende Premierminister.
Der Schlußteil des Buches, welcher in einem furiosen Finale endet, scheint etwas inspiriert von „The Manchurian Candidate“ (1962) , bleibt aber dennoch eigenständig und originell, der Autor schaltet zudem auf den letzten 100 Seiten nochmals „einen weiteren Gang hoch“. Man mag etwas überrascht sein, dass kein überraschender Turn von der „guten“ auf die „böse“ Seite oder umgekehrt im Buch erfolgt, was aber der Spannung keinen Abbruch tut.
Groß zu kritisieren ist nichts, ein paar Kleinigkeiten wären etwa die starke Hervorhebung des Amtes des Ministerpräsidenten der UdSSR, was aber gegenüber dem real maßgebenden Amt des Generalsekretärs der KPdSU randständig war oder die Verwendung des Mafia-Begriff des „Consiglieri“ für die Kommandoebene des Matarese-Bundes. Consiglieri sind jedoch lediglich die Berater der Führung, nicht diese selbst. Einfach Pech hatte Ludlum, dass sich die Drucklegung 1979 mit der iranischen Revolution überschnitt, der im Buch genannte Geheimdienst SAVAK wurde mit dem Machtantritt Chomeinis aufgelöst und existierte nicht mehr mit dieser Bezeichnung. Was die deutsche Fassung betrifft, hätte sich nebenbei die Übersetzung von Beowulf „agate“ in „Achat“ angeboten, da Beowulf agate irgendwie an den deutschen Frauen Vornamen Agathe erinnert und doch eher irritiert. Nebenbei: Dass das Werk aus vergangenen Zeiten stammt, merkt man an Sätzen, die Homosexuellen „abartige Neigungen" bescheinigen. Derartige Feststellungen dürften es heutzutage nicht mehr durch die (selbstverständlich nicht existierende ) Zensur schaffen.
Von diesen Nebensächlichkeiten abgesehen ist Ludlums „Der Matarese-Bund“ ein erstklassiger und daher zeitloser Politthriller, der durch Präzision und fehlerlosem Aufbau überzeugt. Nicht zufällig soll eine Verfilmung im Gespräch sein.