Welches Elternteil kennt sie nicht: trotzige kleine Kinder, die einfach nicht das machen wollen, was sie sollen. Dabei meint man es nur gut und versucht den Alltag so entspannt wie möglich zu gestalten. Keine Frage, da brodelt es im Innern der Kinder, aber auch im Innern der Kinder. Wieso das so ist und wie man immer wiederkehrende Konflikte besser durchsteht oder gar vermeidet, versucht das Buch "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn" zu erklären. Ohne den Zeigefinger zu erheben oder zu belehren, sondern mit Witz und viel Spaß nehmen sich die beiden Autorinnen der Thematik an. Schon die Gestaltung des Covers zeigt, dass es sich um einen anderen Erziehungsratgeber als die üblichen handelt.
Danielle Graf und Katja Seide schreiben auf ihrem Blog "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn", über ihre Erfahrungen mit den eigenen (insgesamt 5) Kindern. Danielle Graf ist Mutter zweier Kinder und arbeitet als Rechts-Ökonomin in Berlin. Katja Seide ist Mutter dreier Kinder und arbeitet als Sonderpädagogin ebenfalls in Berlin.
Die Autorinnen schreiben seit langem auf ihrem Blog und ihre Leserinnen haben sich ein Buch zum Thema gewünscht. Dem sind die beiden nachgekommen und so entstand dieses liebevoll geschriebene Buch, welches „die Wut der Kinder“, „die Wut der Eltern“, „Übersetzungshilfen für Eltern“, „Tipps und Tricks für einen entspannten Alltag“ und „schnelle Hilfen für akute Trotzanfälle“ treffend darstellt und Auswege aus schweren Situationen bietet.
Das Buch bietet einen guten Einstieg in die Thematik. Zunächst einmal wird erklärt, was in unseren kleinen Wutzwergen vor sich geht, wenn sie in Rage geraten. Was können unsre Kinder eigentlich schon verstehen und was nicht? Verlangen wir vielleicht einfach zu viel von unseren Kindern? Sind wir zu ungeduldig und lassen ihnen in stressigen Situationen nicht genug Zeit? All das wird anhand der Funktionsweise des Gehirns und der Entwicklung im Laufe der Kindheit erklärt. Aber auch Gründe für die elterliche Wut werden genannt und Wege, diese Wut zu überwinden und ruhig zu bleiben, aufgezeigt.
Die Übersetzungshilfen sind gut gewählt, so wird es für uns Eltern leichter, unsere Kinder zu verstehen. Denn freche Antworten und ein Grinsen nach einer autoritären Ansprache sind nicht unbedingt Rebellion. Nein sie haben ihre Gründe und ihre Berechtigung. Ist es nicht so, dass wir, wenn die lieben Kinder mal nicht nach unserer Pfeife tanzen, denken sie sind böse oder wollen uns Böses? Umgekehrt nehmen wir aber kaum mehr die vielen Momente wahr, in denen unsere Kinder ohne zu murren genau das tun, was wir von ihnen verlangen.
„Unser Standpunkt aber ist, das Kinder von Natur aus gut sind.“ (Seite 174)
Einige Beispiele von Eltern bzw. Erwachsenen und ihren Kindern wirkten auf mich etwas zu konstruiert, da fragte ich mich schnell, ob das wirklich so ist und ob diese Eltern bzw. Erwachsenen wirklich so blind sein können. Auch das Thema der Kooperation war für meinen Geschmack etwas zu ausführlich behandelt, da wäre etwas weniger auch ausreichend gewesen.
Alles in allem bietet das Buch einige gute Denkanstöße, um sein eigenes Verhalten gegenüber den Kleinen zu überdenken. Kann mein Kind in dieser Situation schon so weit denken und so viel verstehen, wie ich es glaube? Habe ich meinen Standpunkt in Ruhe und ohne Umschweife erklärt? Halte ich gerade einen Dauervortrag? Gebe ich meinem Kind genug Zeit, um auf meine Aufforderung zu reagieren? Ist es gerade sinnvoll einen Konflikt vom Zaun zu brechen oder kann ich auch mal ein Auge zudrücken?
Kinder müssen nicht immer wie Marionetten funktionieren. Rebellieren Sie, ist das auch ein gutes Zeichen. Sie entwickeln eine eigene Identität. Diese Rebellion macht sie zu starken Menschen, die später für ihre Meinung einstehen werden.
Das Buch hinterließ bei mir ein gutes Gefühl. Es half mir, in stressigen Situationen kurz inne zu halten und über meinen eingeschlagenen Weg nachzudenken. Man verinnerlicht einige Ratschläge schnell und es fällt einem leichter mit dem aufmüpfigen Verhalten der Kinder umzugehen.
Das Versprechen der Autorinnen „wenn Sie das Buch gelesen haben, werden Sie das nächste Mal, wenn Ihr Kleinkind laut kreischend vor dem Süßigkeitenregal an der Supermarktkasse zusammenbricht, mit Liebe und Verständnis reagieren können, statt wütend zu werden.“ (Seite 13) haben die beiden Autorinnen nicht leichtfertig gegeben. Im Goßen und Ganzen scheinen sie es einzuhalten. Sicherlich wird es immer noch Konflikte geben, bei denen wir als Eltern zu laut reagieren, aber auch das ist menschlich. Denn während unsere Kinder keine Marionetten sind, so sind auch wir Eltern keine Maschinen die immer nur funktionieren.