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Veröffentlicht am 22.09.2022

Thematisch mega, Umsetzung okay

Clit
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Clit hat mich auf den ersten Blick angesprochen und brennend interessiert. Endlich habe ich es auch gelesen und dass es mir gefallen hat, ist wohl keine große Überraschung.

Louisa Lorenz hat sich sehr ...

Clit hat mich auf den ersten Blick angesprochen und brennend interessiert. Endlich habe ich es auch gelesen und dass es mir gefallen hat, ist wohl keine große Überraschung.

Louisa Lorenz hat sich sehr ausgiebig mit de Klitoris beschäftigt. Die Informationen, die sie in Clit zusammenträgt, haben mich teilweise wirklich überrascht und schockiert. Ich bin überzeugt davon, dass es den meisten Leuten so gehen wird und dass dieses Wissen unheimlich wertvoll ist.

Zu Beginn widmet Louisa Lorenz sich der Anatomie und wird hier schon viel zu viele Menschen überraschen. Dass die Klitoris gar nicht so klein ist, wie viele denken und aus viel mehr besteht, als der Perle, die auch in Schulbüchern noch zu häufig allein abgebildet wird, ist noch lange nicht verbreitet genug. Hier wird auch mit schönen Illustrationen gearbeitet, die alles noch mal deutlicher machen.

Im ersten Abschnitt wird sich der Klitoris ganz allgemein gewidmet und auch Themen wie Geschlecht, Orgasmen und die Suche nach richtigen Bezeichnungen bekommen Raum. Dieser Abschnitt hat mir eigentlich am besten gefallen und genau das geboten, was ich erwartet hatte.

Danach begeben wir uns mit der Autorin auf eine Zeitreise, die in meinen Augen etwas ausgeartet ist. Wir beginnen in der Antike und arbeiten uns ins Jetzt vor. An sich ist das alles unheimlich interessant. Es gab schon immer unheimlich komische Ansichten und lange sehr wenig Ahnung. Auch heute ist natürlich noch einiges zu tun.
Leider empfand ich einige Stellen als zäh und musste immer wieder Pausen machen und etwas anderes lesen. Ich bin hier echt hin- und hergerissen. An sich fand ich vieles interessant und bin froh, dass ich so viel dazugelernt habe. Gleichzeitig finde ich aber, dass einiges in die Länge gezogen wird und die Autorin manchmal einfach nicht auf den Punkt kommt. Hier sollte aber wirklich viel Interesse vorhanden sein, sonst wirds schnell trocken und langweilig.

Es gibt immer wieder kleine Exkurse in bestimmte Themen, unteranderem Hysterie, die Romantisierung der Ehe, Besitzansprüche in Beziehungen. Diese Kapitel haben mir wieder besonders gut gefallen und haben die doch eher trockene Reise etwas auflockern können. Gerade um Lust und Orgasmen ging es immer wieder.

Am Ende, als sie dann noch mal allgemein über Sex spricht, findet sie großartige Worte. Ihr Appell, beim Sex offener über eigene Bedürfnisse zu sprechen und ihre Worte über Orgasmen und das Vormachen von Befriedigung, ist unheimlich wertvoll, zu gerne würde ich diese Worte allen zu lesen geben.

Besonders schön finde ich die Triggerwarnungen, die vor einigen Kapiteln stehen. So kann jede*r selbst entscheiden, ob er sich gerade mit einem bestimmten Thema konfrontieren möchte, ohne gleich aufs ganze Buch zu verzichten. Schade, dass es nicht immer so ist.

Auch wenn ich von der Umsetzung nicht durchgängig begeistert war, ist Clit ein sehr lesenswertes Buch. Es braucht zwischendurch vielleicht ein wenig Durchhaltevermögen, hat aber auch wirklich stark geschriebene Kapitel und bietet unheimlich viel neues Wissen und neue Perspektiven.

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Veröffentlicht am 12.09.2022

Ruhiger, tiefgründiger Thriller

Das Haus der stummen Toten
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Jeden Sonntag fährt Eleanor zu ihrer Großmutter Vivianne. Eine Tradition, die das Verhältnis der beiden verbessert hat. Auch wenn es für Eleanor manchmal eine lastige Verpflichtung ist, hält sie sich zuverlässig ...

Jeden Sonntag fährt Eleanor zu ihrer Großmutter Vivianne. Eine Tradition, die das Verhältnis der beiden verbessert hat. Auch wenn es für Eleanor manchmal eine lastige Verpflichtung ist, hält sie sich zuverlässig an die Absprache. Bis sie ihre Großmutter bei einem Besuch plötzlich tot auffindet.

Vivianne wurde ermordet und Eleanor sieht den Mörder noch bei der Flucht durch die Tür. Leider ist sie durch ihre Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) keine große Hilfe bei den Ermittlungen. Sie erbt einen Hof, von dem sie noch nie gehört hat. Solhöga soll er heißen und mitten in der schwedischen Wildnis liegen.

Gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian und einem Notar fährt sie hin, um sich ihren neuen Besitz anzuschauen. Dort trifft sie auch auf ihre Tante Veronika. Schnell merken alle, dass irgendwas nicht stimmt. Komische Situationen häufen sich und niemand fühlt sich mehr sicher. Ein plötzlicher Wetterumschwung verhindert aber eine vorzeitige Abreise und so wird der kleine Ausflug plötzlich zu einem Kampf ums Überleben und niemand weißt, wem er noch trauen kann.

Ein zweiter Handlungsstrang erzählt die Geschichte von Annoushka im Jahr 1965. Das junge Hausmädchen arbeitete für Eleanors Familie. Hier entwickelt sich ein furchtbares Familiendrama, auf das ich gar nicht groß eingehen möchte. Geschickt werden diese beiden Handlungsstränge zu einem spannenden Ende verknüpft.

Das Haus der stummen Toten klang für mich wirklich spannend, aber wie sehr es mich dann gefesselt hat, hat mich doch überrascht Vor allem, weil wir hier eine sehr sanfte Spannung geboten bekommen. Die Spannung baut sich langsam auf, brodelt vor sich hin, am Ende gibts einen großen Knall.

„Solche Dinge sind unfassbar, bis sie tatsächlich geschehen.“

Eleanor ist eine besondere Protagonistin. Ihr Umfeld hat gute Gründe dafür, ihrer Aussagen anzuzweifeln. Natürlich ist sie aber diejenige, der als erstes auffällt, das etwas nicht stimmt. Ihr Freund Sebastian ist ein sehr rationaler Typ, der sich Dinge gern logisch erklärt, auch wenn er dafür mal ein paar Fakten verdrehen muss. Dass er keine große Hilfe ist, ist keine große Überraschung.

Auch Annoushka gibt spannende Einblicke und deckt eine furchtbare Tragödie auf. Ihre Geschichte hat mich sehr berührt und ich war am Ende echt beeindruckt von der gut konstruierten Auflösung der Geschehnisse.
Ein tolles Setting, das die Spannung vorantreibt. Charaktere, die alle Geheimnisse mit sich rumtragen und verdächtig wirken und ein Mord, der nicht aufgeklärt wurde. Großartige Vorraussetzungen für eine Thriller

Das Haus der stummen Toten erfindet das Genre natürlich nicht neu, oder bleibt ewig im Kopf. Aber er unterhält und nach ein wenig Aufbauzeit kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Eine Empfehlung, für alle Thriller Fans, die es auch ein bisschen ruhiger mögen und gut ausgearbeitete Plots wichtiger finden als blutige, brutale Beschreibungen.

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Veröffentlicht am 29.08.2022

Einzigartige Trauerarbeit einer besonderen Familie

Schlangen im Garten
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“Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe.“

So beginnt das Buch und genau so geht es weiter. Eine Frau stirbt und ...

“Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe.“

So beginnt das Buch und genau so geht es weiter. Eine Frau stirbt und hinterlässt Mann und Kinder. Eine Familie, die mit dem Leben ohne sie und der Trauer um sie komplett überfordert ist.

Vater Adam geht ein. Ist abwesend, auch wenn er da ist. Sohn Steve versucht Verantwortung für die Familie zu übernehmen und vergisst sich selbst dabei. Tochter Linne flüchtet sich in Aggressionen, der äußere Schmerz tut doch viel weniger weh als der Innere. Nesthäkchen Micha beobachtet und flüchtet in die eigene Welt.

Lange scheint sie nur ihre Trauer zu verbinden, doch mit der Zeit tauchen immer mehr Leute auf. Erinnerungen werden wach und vor allem geteilt. Familie Mohn überwindet die Gräben, die der Verlust zwischen ihnen geschaffen hat, und es ist ein ganz besonderes Gefühl, ihnen dabei zuzuschauen.

“Wer beim Trauern auffällt, richtet gesellschaftlichen Schaden an. Es macht Ärger, wenn einer seine Arbeit aufgibt, wie Adam es getan hat. Wenn Studenten ein Semester aussetzen wie Steve. Wenn Kinder aus der Reihe tanzen wie diese Kinder. Es gilt, das Sterben generell fernzuhalten, denn sonst wird nicht mehr richtig gelebt und konsumiert.“

Natürlich handelt es sich hier um eine sehr emotionale Geschichte. Das Thema ist kein Leichtes und hier gibt es viel, was schief gehen kann. In meinen Augen ist aber verdammt viel gut gelaufen.

Mir haben die Charaktere total gut gefallen. Nein, super sympathisch waren sie erst alle nicht, aber sie wachsen. Sie fallen hin, sie stehen auf, sie machen weiter, auch wenn sie gar nicht wollen. Die Geschichte entwickelt sich wie von allein und ich bin nur so durch die Seiten geflogen.

„Aber Linne und Micha stehen wie kleine Automaten, die ihre Aufgaben ordnungsgemäß erledigt haben, denen aber im System die Funktion fehlt, was zu tun ist, hat man eben diese Aufgaben ausgeführt. Vielleicht ist es ja das, was Steve gerade bei sich und den anderen spürt. Ob sie deswegen alle auseinanderfallen. Weil ihnen die Funktion fehlt, was zu tun ist, stirbt einer von ihnen.“

Es passieren einige absurde Dinge, die die Stimmung immer wieder aufhellen und einfach zu dieser besonderen Situation passen. Die Tragik kommt aber natürlich nicht zu kurz, wir haben hier kein easy Wohlfühlbuch und das zeigt auch der Schreibstil. Teilweise etwas schnörkelig und detailliert, manchmal für mich fast schon zu abgehackt. Hier ist auf jeden Fall etwas Konzentration erforderlich.

Schlangen im Garten ist eine zarte Geschichte voller Trauer und Erkenntnisse. Ich habe Familie Mohn einfach in mein Herz geschlossen und bin froh, dass ich sie begleiten konnte. Eine Geschichte, die ins Herz geht und sich festsetzt.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Wertvolles Jugendbuch

Der Geruch von Wut
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TW: Rassistische Gewalt

Der Geruch von Wut ist ein spannender Jugendroman, mit wenigen Schwächen. Er macht dabei ein wichtiges Thema auf und lässt sich gut lesen.

Alex ist ein eher durchschnittlicher ...

TW: Rassistische Gewalt

Der Geruch von Wut ist ein spannender Jugendroman, mit wenigen Schwächen. Er macht dabei ein wichtiges Thema auf und lässt sich gut lesen.

Alex ist ein eher durchschnittlicher Jugendlicher in Italien. Zumindest bis zu dem Tag, an dem sein Vater stirbt. Der Tag, an dem Alex mit seinen Eltern im Auto sitzt, sie lachen und genießen die Zeit zusammen. Der LKW kommt schnell um die Ecke und löscht ein Leben aus.
Alex wacht nach knapp zwei Monaten im Krankenhaus auf. Körperlich gehts ihm schnell wieder besser, innerlich brodelt es. Seine Mutter tut alles, um ihn zu unterstützen, hat aber auch mit der eigenen Trauer zu kämpfen. Die Narbe, die sie seit dem Unfall im Gesicht trägt und all die Veränderungen befeuern seine Verzweiflung.
Diese Verzweiflung verwandelt sich immer mehr in Wut. Aggressive, gefährliche Wut, die rationales Denken verhindert. Diese Wut gilt jetzt ausschließlich Moussa Mbaye. Alex gibt dem LKW Fahrer die Schuld am Tod seines Vaters und will Rache.

“Es war das erste Mal, dass ich einen Menschen wirklich hasste. Und es wunderte mich, dass hassen so einfach war. Man brauchte dafür nichts zu wissen”

Alex wandelt jedes Gefühl in Hass um und versucht, den anderen Fahrer zu finden. Erfolglos. Aufgeben ist aber keine Option und so gerät er an die ‚Black boys‘. Eine Gruppe, die gern bereit ist, ihm zu helfen, wenn er ihnen dafür ein wenig unter die Arme greift. Gefangen in seinen Emotionen lässt er sich darauf ein und merkt schnell, was hinter der rechtsradikalen Gruppe steckt.

“Niemand sagt dir das. Was du tun sollst, wie du etwas akzeptieren kannst, von dem du weißt, dass es nicht hätte passieren müssen. Ich hatte einen Weg gefunden, aber ich war mir nicht sicher, ob es der richtige war.”

Ihr merkt schon, die Story gibt einiges her und ist nicht keine leichte Kost. Gewaltdarstellungen und innere Kämpfe auf fast jeder Seite und trotzdem kommt immer wieder eine gewisse Tiefe durch. Klar, wir haben hier ein Jugendbuch, da darf es auch mal ein wenig seichter sein. Ich finde nur, dass an einigen Stellen zu sehr an der Oberfläche kratzt und sich zu vieler Klischees bedient.
Trotzdem hat es mir ganz gut gefallen, was bei der Thematik immer komisch klingt. Obwohl der Schreibstil etwas emotionslos ist, hat mich die Geschichte tief berührt. Alex Gefühle waren durchgängig spürbar und es war tatsächlich fast nachvollziehbar, warum er diesen Weg einschlägt. Der Autor hat es hier echt geschafft, die Realität des Jugendlichen einzufangen und lebensnah zu erzählen.
Der Geruch von Wut bietet eine Geschichte voller Leid und Verlust, die überall genauso stattfinden könnte und dadurch verdammt wertvoll ist. Es lohnt sich auf jeden Fall, die paar Seiten zu lesen, es wird bei mir noch etwas nachwirken.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Tragisch schöne Geschichte

Stay away from Gretchen
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Gretas Erzählungen der Vergangenheit beginnen im Jahr 1914 und was sie erlebt ist einfach tragisch. Diese Dinge werden so ehrlich und offen erzählt, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendjemanden ...

Gretas Erzählungen der Vergangenheit beginnen im Jahr 1914 und was sie erlebt ist einfach tragisch. Diese Dinge werden so ehrlich und offen erzählt, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie irgendjemanden kalt lassen. Ich möchte gar nicht zu sehr auf den Inhalt eingehen, denn es macht wahrscheinlich am meisten Spaß, diese Geschichte einfach zu erleben und sich darauf einzulassen. Ich war auf jeden Fall froh, vorher nicht allzu viel über die Geschichte zu wissen.

In der Geschichte geht es dann auch hauptsächlich um Greta, erst zum Ende hin nimmt Tom mehr Raum ein und wird auch da erst etwas sympathischer. Zum Glück, denn ich konnte wirklich wenig mit ihm anfangen. Ein Großteil der Geschichte spielte ja auch vor seiner Zeit, aber er hat mich auch einfach oft genervt, mit seinen Ansichten und seinem Verhalten. Ein typisches, privilegiertes Arschloch einfach, das ein wenig mehr Tiefe vertragen hätte.

Das Ende war leider mal wieder gar nicht meins, das passiert in letzter Zeit irgendwie öfter.. Aber damit kann ich mich bei so einer tollen Geschichte noch anfreunden, auch wenn dieses rührselige, erzwungene Happy End der Geschichte in meinen Augen einfach nicht gerecht wird.

Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass in dem Buch an dem N-Wort nicht gesparrt wird. Ich möchte hier keine Diskussionen auslösen und ihr müsst mir nicht erzählen, dass ‚früher halt so gesprochen wurde‘. Ich möchte einfach nur Menschen warnen, die sich dem nicht aussetzen möchten.

Außerdem hatte ich im Hörbuch mit den Zeitsprüngen zu kämpfen. Gretas Vergangenheit fließt immer wieder ausführlich ein und wir bekommen die Geschichte in der Vergangenheit und der Gegenwart erzählt. Ich weiß nicht, wie das im Buch gelöst wird, im Hörbuch endet ein Satz in der Vergangenheit und direkt beginnt der nächste, der plötzlich in der Gegenwart spielt. Das hat mich immer wieder etwas rausgerissen und erforderte unnötig viel Konzentration. Das lässt sich doch eleganter lösen.

Auch, wenn ich nicht mit allem komplett einverstanden bin, hatte ich eine tolle Zeit mit dem Hörbuch und empfehle es gerne weiter. Die Geschichte wird in mir noch lange nachwirken

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