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Veröffentlicht am 21.09.2022

eine komplexe und spannende Geschichte mit politischem Hintergrund

Ein notwendiger Tod
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„Ein notwendiger Tod“, Anne Holts zweiter Krimi aus der Reihe um Selma Falck, bietet wieder eine komplexe und spannende Geschichte mit politischem Hintergrund.
Im Herbst 2018 erwacht Selma Falck in einer ...

„Ein notwendiger Tod“, Anne Holts zweiter Krimi aus der Reihe um Selma Falck, bietet wieder eine komplexe und spannende Geschichte mit politischem Hintergrund.
Im Herbst 2018 erwacht Selma Falck in einer brennenden Hütte mitten im kalten Nirgendwo. Sie ist schwer verletzt, kann sich nicht erinnern, wie sie in die Hütte und in diese Situation geraten ist. Sie kann den Flammen im letzten Moment entkommen, während sie verzweifelt einen Unterschlupf sucht und einen Weg zurück in die Zivilisation, kommen bruchstückhaft Erinnerungen an die vorangegangenen Ereignisse zurück.
Neben dieser dramatischen Zeitschiene bekommt der Leser aus verschiedenen Perspektiven Hintergrundinformationen sowohl aus dem Frühjahr als auch dem Sommer desselben Jahres.
Im Sommer ist Selma Falck Gast auf der Hochzeit ihrer Tochter, wenn auch nur aufgrund des Wohlwollens ihres Schwiegersohns Sjalg Petterson, der während der Feier auf tragische Weise ums Leben kommt. War es ein Unfall oder ein Mord, weil jemandem die rechtsextreme Gesinnung nicht passte, die dem Toten in den sozialen Medien viele Anhänger beschert hat?
Selma Falck gerät bei ihren Nachforschungen auf die Spur politischer Verstrickungen auf nationaler Ebene, die auf gar keinen Fall an die Öffentlichkeit geraten dürfen.
Die Geschichte ist komplex. In der Hörbuchfassung ist es anfangs nicht leicht, den Zeit- und Perspektivwechseln zu folgen, je mehr man die Charaktere kennenlernt und in die Geschichte eintaucht, wird dies aber leichter.
Vieles dreht sich um die politischen Entwicklungen und Strömungen in Norwegen, Themen wie die Zunahme extremistischer Gruppierungen, Einflussnahme und Hetze in den sozialen Medien, sind aber ein globales gesellschaftliches Phänomen.
„Früher mussten wir Politiker büßen, wenn wir einen Fehler gemacht hatten.
Heute ernten wir Hetze, Verachtung und Hass, wenn wir das Richtige tun.“,
diese Aussage von Justizminister Tryggve Mejer in dem Roman ist zentraler Faktor in diesem Krimi.
Die Geschichte ist so vielschichtig, dass man als Leser konzertiert bei der Sache bleiben muss, um keine Nuance zu verpassen. Trotz vieler Informationen ist der Spannungsbogen hoch, dafür sorgen die Wechsel in den Zeiten und Perspektiven, während die Fäden nach und nach zusammenlaufen und ein vollständiges Bild ergeben.
Selma Falck ist als Hauptfigur nicht unbedingt ein Sympathieträger, sie fasziniert durch ihre brillante Auffassungsgabe und ihre Ausstrahlung, stößt andere Menschen aber durch ihre Direktheit und ihre Ansprüche schnell vor den Kopf. Ihr Charakter erscheint ebenso wie die Skrupellosigkeit einiger Taten etwas zu überzogen, der politische und berufliche Hintergrund der Autorin spricht jedoch für die Authentizität zumindest der Hintergründe der Geschichte.
Mir hat auch dieser Band wieder sehr gut gefallen, in der Hörbuchfassung habe ich gerne dem angenehmen Vortrag der Sprecherin Katja Bürkle gelauscht.

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Veröffentlicht am 15.09.2022

ein Kriminalfall in einem interessanten Zukunftsszenario

Freiheitsgeld
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In seinem aktuellen Roman mit dem Titel „Freiheitsgeld“ hat Andreas Eschbach ein interessantes Zukunftsszenario erschaffen.
Basierend auf der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens erhalten im nicht ...

In seinem aktuellen Roman mit dem Titel „Freiheitsgeld“ hat Andreas Eschbach ein interessantes Zukunftsszenario erschaffen.
Basierend auf der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens erhalten im nicht fernen Jahr 2064 alle Einwohner der EU das sogenannte „Freiheitsgeld“, das ihnen ein sorgenfreies Leben ermöglicht. 30 Jahre zuvor war dieses Geld die Rettung aus einer Krise, nachdem Roboter die Arbeitswelt so weit dominierten, dass Arbeitsplätze knapp wurden. Im Jahr 2064 ist niemand dazu verpflichtet einen Job anzunehmen, die vorhandenen Jobs sind anders gewichtet als heute.
Um die Klimakatastrophe zu verhindern, wurden große Naturschutzzonen eingerichtet und die Menschen aus kleinen Siedlungen in große Städte umgesiedelt, wohlhabende Einwohner leben abgeschottet in Gated Communities.
Eine davon ist die „Oase“, in die eine der Hauptfiguren zu Beginn der Geschichte einzieht. Vincent ist dort unter anderem der persönliche Fitnesstrainer des ehemaligen Kanzlers Robert Havelock, der vor 30 Jahren das Freiheitsgeld etabliert hat. Als Havelock stirbt, glaubt der Polizist Ahmad Müller nicht an einen Selbstmord und wird in seiner Meinung bestärkt, als kurz darauf ein Journalist tot aufgefunden wird, der als Havelocks größter Widersacher gilt.
Der Roman gibt mit seinen verschiedenen Handlungssträngen und Charakteren ein lebendiges Bild dieses Zukunftsszenarios. Die Perspektivwechsel innerhalb der Kapitel sorgen für Abwechslung und für ein aufmerksames Lesen, um nicht den Überblick zu verlieren. Die Dialoge wirken manchmal etwas hölzern und die Charaktere etwas stereotyp, das ist aber für Eschbach nicht ungewöhnlich und bei einer interessanten Geschichte zu verschmerzen.
Mir gefällt die subtile Art und Weise, mit der Eschbach die schöne Utopie nach und nach Risse bekommen lässt, je tiefer man als Leser in diese Welt eintaucht, während Ahmad bei seinen Ermittlungen zunehmend auf Ungereimtheiten stößt. Einige der technischen und sozialen Entwicklungen fand ich spannend, nicht alles wirkt logisch. Ist in Deutschland tatsächlich eine solche Umstrukturierung in so kurzer Zeit denkbar?
Das Szenario entspricht auffallend einigen gängigen Verschwörungstheorien, die Kritik ist aber aus meiner Sicht eher vage gehalten und lässt mit seinem überraschenden Ende einige Fragen offen und mich mit gemischten Gefühlen zurück.

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Veröffentlicht am 28.08.2022

sprachlich brillant und emotional nahe gehend

Ich bin nicht da
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Auch in ihrem 2. Roman mit dem Titel „Ich bin nicht da“ erzählt Lize Spit in ihrer brillanten und dabei schonungslosen Art eine beklemmende und emotional nahe gehende Geschichte.
Im Mittelpunkt steht ein ...

Auch in ihrem 2. Roman mit dem Titel „Ich bin nicht da“ erzählt Lize Spit in ihrer brillanten und dabei schonungslosen Art eine beklemmende und emotional nahe gehende Geschichte.
Im Mittelpunkt steht ein junges Paar um die 30. Leo und Simon sind seit 10 Jahren zusammen und in ihrer Beziehung aufeinander fixiert. Beide haben früh ihre Mütter verloren und wenig bis gar keinen Kontakt zu ihren Vätern, ihr Freundeskreis beschränkt sich auf einige Kollegen. Ihre enge Bindung gerät ins Wanken, als Simon eines Nachts aufgedreht nach Hause kommt, sein neues Tattoo präsentiert und von neuen Freunden inspiriert seinen festen Job als Grafikdesigner kündigt, um sich selbständig zu machen.
Er stürzt sich manisch in dieses neue Projekt, bewegt sich unruhig durch die Wohnung und lässt Leo ratlos zurück, die sich von Simon immer mehr ausgegrenzt fühlt und in seiner neuen Persönlichkeit wenig des Simons wieder findet, den sie liebt. Zur gleichen Zeit wird Leos Freundin Lotte schwanger, ausgerechnet von Simons ehemaligem Chef Coen, in dem er mehr und mehr seinen größten Feind sieht. Lotte und Coen sind in diesem Roman der Gegenpol zu Leo und Simon, ein strahlendes Paar, das auf fast kitschige Weise glücklich und erfolgreich ist, während Leo und Simon in ihren Karrieren keine Fortschritte erreichen und sich privat einander entfremden.
Der Leser erlebt die Ereignisse aus Leos Sicht, die schonungslos die Veränderungen in ihrer Beziehung zu Simon und in beider Persönlichkeiten schildert. Es schmerzt, Leos Verzweiflung und Hilflosigkeit mitzuerleben, während Rückblenden in die Vergangenheit ihre frühere innige Verbundenheit und Unbeschwertheit aufzeigen. Lize Spit schafft mit ihrer präzisen Sprache Bilder im Kopf, die manchmal schon zu detailliert sind und an die Grenze des Erträglichen gehen. Andererseits macht das die Authentizität der Geschichte aus, man spürt beider Hilflosigkeit sowohl in Simons manischen als auch in seinen depressiven Phasen.
Der Roman überzeugt mit seiner Intensität und der phantasievollen Sprache, die teils poetisch wirkt. Mit den wiederholten Schilderungen entwickelt er jedoch Längen, die auch mit den eingeschobenen Kapiteln der Eskalation aus der Gegenwart nicht aufgefangen werden können, da die Spannung hier eher aufgezwungen wirkt, statt sich aus der Geschichte zu entwickeln.

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Veröffentlicht am 14.08.2022

gelungener Auftakt einer neuen Thrillerreihe

Das Profil
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Der Thriller „Das Profil“ ist Hubertus Borcks erste Krimi-Veröffentlichung und meiner Meinung nach ein gelungener Auftakt für die geplante Reihe um zwei ungleiche Hamburger Ermittler, der Lust macht mehr ...

Der Thriller „Das Profil“ ist Hubertus Borcks erste Krimi-Veröffentlichung und meiner Meinung nach ein gelungener Auftakt für die geplante Reihe um zwei ungleiche Hamburger Ermittler, der Lust macht mehr davon zu lesen.
Die Themen sind nicht ganz neu, hier aber schlüssig und spannend in Szene gesetzt: Ein psychopathischer Täter wird durch die in seiner Kindheit erlittenen Traumata zur tickenden Zeitbombe, die Opfer geben in den sozialen Medien allzu leichtfertig persönliche Details und Informationen aus ihrem Leben preis und machen sich selbst zur Zielscheibe.
Als Leser ist man der Ermittlern stets eine Schritt voraus, in Rückblenden wird die Vergangenheit des Täters dargestellt, ebenso wie in der Gegenwart sein ausgeklügeltes Vorgehen bei der Auswahl und Überwältigung seiner Opfer. Die Nähe zum Täter, die in den Schilderungen geschaffen wird, sorgt für das Empfinden von Unbehagen, man spürt seine Besessenheit und inneren Zwänge.
Im Kontrast dazu steht die Sorglosigkeit der Opfer, die vorbehaltlos ihr Leben auf Instagram ihren Followern präsentieren und es dem Täter leicht machen, sie auszuspionieren.
Auf Seiten der Polizei steht die erfahrene Ermittlerin Franka Erdmann im Mittelpunkt, die wie so viele Kriminalkommissare zumindest in der Literatur ihr Privatleben der Arbeit untergeordnet haben und mit ihrer eigenwilligen Art so manches Mal bei Kollegen und Vorgesetzten aneckt. Ihr zur Seite gestellt wird der junge Kollege Alpay Eloğlu, für den die erste Ermittlung in einem Mordfall sich gleich zur Suche nach einem Serientäter ausweitet.
Die beiden ungleichen Kollegen brauchen eine Weile, um sich aneinander zu gewöhnen, ihre kleinen Reibereien lockern die Geschichte auf, es steht jedoch stets die Ermittlungsarbeit im Vordergrund. Als Leser verfolgt man hautnah die Entwicklungen und Diskussionen zu Täter und Motiven. Die Ermittlungen sind herausfordern und komplex, da der Täter sehr geplant vorgeht und es versteht, seine Spuren zu verwischen und sich zu tarnen.
Der Spannungsbogen ist über die gesamten etwa 380 Seiten hoch und findet einen schlüssigen Abschluss in einem finalen Showdown.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

ein erschreckendes Kapitel der ukrainischen Geschichte – fesselnd erzählt

Denk ich an Kiew
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Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine sind derzeit sehr präsent und erschütternd. Der Roman „Denk ich an Kiew“ arbeitet ein älteres Kapitel der ukrainischen Geschichte auf, dessen nicht weniger brisanten ...

Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine sind derzeit sehr präsent und erschütternd. Der Roman „Denk ich an Kiew“ arbeitet ein älteres Kapitel der ukrainischen Geschichte auf, dessen nicht weniger brisanten aber wenig bekannten Ereignisse in ihrer Tragweite erschüttern und ein Stückweit erklären, weshalb die Menschen in der Ukraine sich auf keinen Fall erneut einer russischen Herrschaft unterwerfen wollen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Katja, die im Jahr 1930 mit ihren Eltern und ihrer Schwester im Osten der Ukraine einen kleinen Bauernhof bewirtschaftet. Sie ist verliebt in einen Nachbarsjungen und erlebt einen unbeschwerten Sommer, als eine Gruppe russischer Aktivisten sich im Dorf einnistet, um die Bauern zu zwingen, sich den Kolchosen anzuschließen. Dabei gehen Stalins Männer mit großer Gewalt vor, deportieren und töten diejenigen Bauern, die ihrer Meinung nach den „Kulaken“ angehören oder Widerstand leisten. Die Steuern werden so weit erhöht, dass den Menschen kaum etwas zu Essen und zum Überleben bleibt.
Anhand des Schicksals von Katja und ihrer Familie erlebt der Leser mit, wie die Bevölkerung zunehmend unter der Gewalt und Unterdrückung sowie der Hungersnot leidet. Den Begriff Holodomor hatte ich schon gehört, die Ausmaße dieser von Stalins Herrschaft erwirkten Hungersnot war mir jedoch nicht bewusst. Die Autorin schafft mit ihrer Geschichte ein deutliches und erschütterndes Bild der Ereignisse, das mich beim Lesen oft fassungslos und mit Tränen in den Augen zurückgelassen hat.
Sie rückt ein wichtiges Kapitel nicht nur der ukrainischen Geschichte in den Fokus, auch in angrenzenden Regionen sind hunderttausende Menschen der Hungersnot zum Opfer gefallen.
Die Intensität der Bilder, die die Schilderungen heraufbeschwören und die Nähe zu den Figuren haben mir in diesem Teil des Romans ausgesprochen gut gefallen.
Die Rahmenhandlung des Romans, die im Jahr 2004 angesiedelt ist, fällt dagegen stark ab. Grundsätzlich passt das Szenario; Cassie entdeckt im Haus ihrer zunehmend an Demenz leidenden Großmutter deren Tagebuch. Die Großmutter hat es immer abgelehnt, über ihre Vergangenheit in der Ukraine zu sprechen, nun erlaubt sie ihrer Enkelin, mithilfe eines Nachbarn die auf Ukrainisch verfassten Tagebucheintragungen zu übersetzen. Die Rahmenhandlung mit Cassies Vorgeschichte und den Entwicklungen in der Vergangenheit wirkt jedoch kitschig und sehr dick aufgetragen, hier fehlt die Intensität und Nähe zu den Figuren, die die Rückblenden so lebendig werden lassen. Für Katjas Geschichte vergebe ich 5 Sterne, für die Rahmenhandlung maximal drei.

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