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Veröffentlicht am 10.08.2022

Lebe den Traum

Findelmädchen
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Nach dem Krieg wurden die Waisenkinder Helga und Jürgen von Franzosen aufgenommen. Jahre später als sie schon die Hoffnung aufgegeben haben, ihre Familie wiederzufinden, bekommen sie vom Suchdienst die ...

Nach dem Krieg wurden die Waisenkinder Helga und Jürgen von Franzosen aufgenommen. Jahre später als sie schon die Hoffnung aufgegeben haben, ihre Familie wiederzufinden, bekommen sie vom Suchdienst die Nachricht, dass ihr Vater aus der Kriegsgefangenschaft doch noch zurückgekommen ist. Aufgeregt fahren die 15jährige und ihr ein Jahr älterer Bruder nach Köln. Mit ihrem Vater fühlen sie sich sofort wohl. Doch die geliebte Mutter bleibt verschwunden. Glücklicherweise dürfen sie weiterhin in ihrem Elternhaus wohnen, dass ihrer Tante Meta gehört. Dort lernt Helga die energische Fanny kennen, die versucht etwas aus ihrem Leben zu machen. Helgas großer Traum ist es, aufs Gymnasium zu gehen.

Die Nachkriegszeit der 1950er ist geprägt von Aufbruchstimmung, aber weder der Krieg noch die Nazi-Zeit sind aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Zu Helgas Überraschung ist ihr Vater gegen ihren Schulbesuch. Er schickt sie auf eine Hauswirtschaftsschule, weil Mädchen sowieso mal heiraten. An dieser Schule ist Helga kreuzunglücklich, nur den theoretischen Fächern kann sie etwas Interesse entgegenbringen. Ihr Bruder findet schnell eine Stelle bei Ford. Er packt seine Zukunft an und beginnt eine Ausbildung. In seiner knapp bemessenen Freizeit fängt er an, das heruntergekommene Haus zu renovieren und er hilft Fanny bei der Einrichtung ihrer Bar für Eis und Milchshakes.

Mitreißend schildert die Autorin die Erlebnisse der Geschwister Helga und Jürgen in der Folge ihrer Heimkehr nach Köln. Allzu viel bricht über sie herein. Besonders Helga muss so Manches ertragen. Schon die ungeliebte Schule und später das Praktikum im verhassten Waisenhaus bringen sie an den Rand dessen, was ein junges Mädchen in einer Zeit, die eigentlich die unbeschwerteste im Leben sein sollte, zu erleiden in der Lage ist. Es hätte für zwei Schicksale gereicht. Dennoch bohren sich Helgas Erlebnisse dem Leser in die Seele. Unglaublich, wie die Kinder, besonders die farbigen Kinder, in den Heimen behandelt wurden, oder auch die vermeintlich gefallenen Frauen. So etwas darf doch nicht sein. Helgas Empörung wird schnell zur eigenen. Wie konnte man damals nur? Oder wie kenn man heute nur? Zum Glück ist einiges besser geworden, aber wohl noch längst nicht alles. Ein absolut lesenswerter Roman über die gute alte Zeit, die nicht immer gut war.

Veröffentlicht am 08.08.2022

Einfach glücklich

Felix Ever After
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Seine Narben versteckt Felix nicht. Weiblich geboren hat er sich so nie wohl gefühlt. Der Vater unterstützt Felix bei seiner Transformation. Dort, wo seine Mutter sein sollte, ist eine Wunde. Die Mutter ...

Seine Narben versteckt Felix nicht. Weiblich geboren hat er sich so nie wohl gefühlt. Der Vater unterstützt Felix bei seiner Transformation. Dort, wo seine Mutter sein sollte, ist eine Wunde. Die Mutter verließ die Familie als Felix zehn Jahre alt war und sie hat den Kontakt abgebrochen. Beste Freunde sind dagegen Felix und Esra. Gemeinsam gehen sie kurz Kunstschule, an der sie sich auf den Abschluss vorbereiten. Auch in der Freizeit hängen sie zusammen ab. Felix ist in großer Sorge, ob er ein Stipendium ergattern wird. Vielen von seinen Zukunftswünschen hängt davon ab. Eine krude Verletzung seiner Privatsphäre bringt alles in Gefahr.

Transgender ist ein ein Thema der heutigen Zeit. Felix, der seine Identität such, ist wahrscheinlich ein gutes Beispiel, dass alles im Fluss ist. Auch in seiner Peergroup entsprechen viele nicht dem, was immer noch als Norm angesehen wird. Wie Felix haben auch sie damit zu kämpfen, wie Familie und Freunde auf ihre Besonderheit reagieren. Und nicht immer bleibt ihnen die Familie erhalten. Eltern, die manchmal sehr klare Vorstellungen von der Zukunft ihrer Kinder haben, tun sich mitunter ausgesprochen schwer, wenn die Sprösslinge nicht dem Bild entsprechen. Wie viel Kraft muss es kosten, zu sich selbst zu stehen, wenn die eigen Familie Einen nicht vollständig unterstützt.

Gefühlvoll und klar beschreibt Felix das Rinden um das eigene Selbst, seine Persönlichkeit. Mit siebzehn hat es niemand leicht, große Unsicherheiten bestehen und es ist die Zeit, Weichen für die Zukunft zu stellen. Und für Felix kommt eben noch die grundlegende Entscheidung hinzu, welcher geschlechtlichen Identität er sich zugehörig fühlt. Die Innere Zerrissenheit eines jungen Menschen ist so , dass man die Not gut nachvollziehen kann, auch wenn man die Problematik aus eigener Anschauung nicht kennt. Wenn man sich in der eigenen Jugend anders sozialisiert hat, so ist es doch klasse, welche Möglichkeiten heute bestehen. Dafür, dass auch jeder das Recht dazu hat, bricht dieser Roman auf ansprechende Art eine Lanze.

Das farbenfrohe und sehr ansprechende Cover könnte ein Ausdruck dafür sein, wie die Welt sein könnte.

Veröffentlicht am 06.08.2022

Selbstfindung

Achtsam morden am Rande der Welt
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Dem selbstständigen Anwalt Björn Diemel geht es eigentlich gut. Seine größte Freude ist seine kleine Tochter. Es stört in nicht so sehr, dass seine Ex-Frau einen neuen Freund hat. Nur die Feier zu seinem ...

Dem selbstständigen Anwalt Björn Diemel geht es eigentlich gut. Seine größte Freude ist seine kleine Tochter. Es stört in nicht so sehr, dass seine Ex-Frau einen neuen Freund hat. Nur die Feier zu seinem 45sten Geburtstag war ein ziemliches Fiasko. Also sucht Diemal mal wieder seinen Achtsamkeitsberater Joschka Breitner auf. Der rät ihm, in der Mitte des Lebens mal über dasselbige nachzudenken. Auch solle er überdenken, was er vom Leben möchte. Eine gute Möglichkeit böte eine Pilgerfahrt. Björn, der davon keine Ahnung hat, lässt sich auf das Abenteuer ein. Er will den Jakobsweg durchwandern und zu sich selbst finden.

Ob noch mehr Tote auf sein Konto gehen werden, dass ist nicht die Frage, die sich Björn Diemel bei seinem dritten Auftritt stellt. Dieses Mal ist es nicht seine Ex-Frau, die ihn zu seinem Therapeuten schickt. Er geht von alleine hin und er macht sich auf zum Jakobsweg. Die Pilgerreise ist eine ganz neue Erfahrung, zu deren Beginn er einen freundlichen älteren Herrn, mit dem er sich sofort gut versteht. Das Pilgern erweist sich als nicht so einsam, wie es sich Björn vorgestellt hat. Dennoch schafft es Diemel, seinen Gedanken nachzuspüren und einigen unerwarteten Ereignissen auszuweichen.

Dass Björn Diemes diesmal nicht nur die gewohnten Gedankenpfade, sondern tatsächlich auch das Land verlässt, gibt dem Roman eine neue Frische bei einem wiederum ähnlichen Muster. Vielleicht sollte man selbst auch mal die Lösung auf sich zukommen lassen. Wie sich Diemel hier wieder aus eigentlich unmöglichen Situationen herauswindet, ist schon stark. Dass dabei der Sinn des Lebens und die Nachschau in der Mitte des eigenen Daseins nicht zu kurz kommen, gibt ein zusätzliches Plus. Vielleicht ist der Gedanke an einen Pilgerweg nicht so abwegig, man muss ja keine Toten an den Hacken haben, um mal über das Leben nachzudenken. Was ist Diemel erschließt, ist manchmal schon erstaunlich und am Ende gänzlich unerwartet.

Veröffentlicht am 05.08.2022

Höhere Töchter

Die stumme Tänzerin
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Im Jahr 1928 ändert sich die Welt, allerdings nicht so schnell wie Paula Haydorn es gerne hätte. Obwohl die als Fabrikantentochter eher zu den Privilegierten gehört, will sie doch einen Beruf ausüben und ...

Im Jahr 1928 ändert sich die Welt, allerdings nicht so schnell wie Paula Haydorn es gerne hätte. Obwohl die als Fabrikantentochter eher zu den Privilegierten gehört, will sie doch einen Beruf ausüben und unabhängig sein. Dafür hat sie eine Ausbildung zur Stenotypistin absolviert. Als sie eines Abends ausgeht, verläuft der Abend anders als erwartet. Paula gerät in eine Razzia und wird festgenommen. Schlimmer könnte ihre Lage kaum sein, doch beinahe unglaublich schafft Paula es, sich in diesem Moment bei der weiblichen Polizei in Hamburg vorzustellen und eine Stelle zu ergattern. Wegen ihres Zeichentalents darf sie dann auch gleich an einer Mordermittlung teilnehmen. Sch

Der erste Fall für Paula Haydorn und ihre neuen Kollegen und Kolleginnen. In dieser Zeit sind die Vorgesetzten meistens Männer und sie suchen allerlei Begründungen wieso, die Frauen sich nicht für die Polizeiarbeit eignen. Wie gut, dass es einige wenige gibt, die das anders sehen. Dabei wird Paula förmlich ins kalte Wasser gestoßen, denn eine Prostituierte ist brutal ermordet worden. Paula merkt sofort, dass es ihr liegt, dieses Spuren suchen, zusammenfügen, protokollieren. Hm, gut, eigentlich ist sie nur fürs Protokoll zuständig, aber das hindert ja nicht, mal links und rechts zu schauen. Am wenigsten begeistert von dem Jobwechsel sind jedoch Paulas Eltern.

Auch im Hamburg des Jahres 1928 sind die Auswirkungen des drohenden Nationalsozialismus bereits zu spüren. Zum Glück noch nicht im alltäglichen Leben. Es zeichnet sich der Fortschritt ab. Immer häufiger gehen Frauen einem Beruf nach und immer mehr Berufe öffnen sich ihnen. Möglicherweise tun sich die älteren Generationen etwas schwer mit ihren aufmüpfigen Töchtern. Doch irgendwann musste eine Entwicklung einfach ihren Anfang nehmen, durch die uns heute so vieles selbstverständlich geworden ist. Eingebettet in einen spannenden Fall mit einem überraschenden Ende zeichnet die Autorin diese Entwicklung sehr lesenswert nach. Vielleicht kommen Paula mitunter einige Zufälle mehr zupass als man für möglich halten möchte, dafür ist sehr schön geschildert, wie sich Paula zwischen ihren neuen Kollegen und Kolleginnen einlebt und sie zu einem Team zusammenwachsen. In diesem ersten Band einer Reihe empfindet man viel Sympathie für die jungen Ermittler und die neu eingesetzten Mitarbeiterinnen der Polizei.

Veröffentlicht am 31.07.2022

Der Schöne

Die Knochenleser
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Auf den ersten Blick könnte er als gescheitert gelten. Michael „Digger“ Digson war ein hervorragender Schüler, dessen Großmutter das Geld für eine weiterführende Schulbildung fehlte. Nun lungert er in ...

Auf den ersten Blick könnte er als gescheitert gelten. Michael „Digger“ Digson war ein hervorragender Schüler, dessen Großmutter das Geld für eine weiterführende Schulbildung fehlte. Nun lungert er in der Stadt rum, wo er vom örtlichen Polizeichef aufgelesen wird. Erstaunlicherweise steht dieser in nicht hinter Gitter, sondern überredet ihn sanft, aber energisch, in den Polizeidienst einzutreten. Digger erweist sich als schlauer Ermittler, der allerdings auch unter den Kollegen mal aneckt. Als dann auch noch K. Stanislaus an der Dienststelle auftaucht, um ihre Arbeit aufzunehmen, kommt einiges ins Rollen. Besonders im Fall des Verschwindens des jungen Nathan, der dem alten Chief Chilman immer sehr am Herzen lag.

Ein Insel der Kleinen Antillen als Ort der Handlung ist aus europäischer Sicht doch mal etwas ganz anderes. Auch wenn die Landschaft für die Handlung nur von untergeordneter Bedeutung ist. Dreh- und Angelpunkte sind Digger, der eine forensische Ausbildung in Groß Britannien erhalten hat, und seine Kollegin Stanislaus, die mehr in der Inselkultur verwurzelt ist. Als Team ergänzen sie sich bestens, beide gleichsam intuitiv, offen für Neues, aber mit unterschiedlichen Denkansätzen. Auch für Michael gibt es einen Fall, der ihn nicht loslässt, das Verschwinden, ihr zu vermutender Tod in den Unruhen des Jahres 1999. Doch in diesem ersten Fall begibt er sich daran, den ungelösten Fall seines Mentors zu lösen.

Das Setting auf einer von hier aus weit entfernten Insel regt erstmal die Phantasie an und den Wunsch, etwas nachzulesen über die Antillen und auf der Karte zu schauen, wo das ungefähr sein könnte. Die Bilder, auf die man dabei stößt, laden wirklich dazu ein, der Weltlage zu entfliehen, wenigstens Gedanklich. Was man sich schon fragt, wieso hat Chilman das Rätsel um Nathans Verschwinden nicht gelöst. Sicher gehen Digger und Stanislaus mit frischen Überlegungen ans Werk, aber so wie Chilman geschildert wird, hätte man ihm das auch zutrauen können. Oder wollte er einfach einen oder zwei geeignete Nachfolger installieren? Sei es drum, der Fall ist unterhaltsam. Man bekommt einen kleinen Einblick in die Mentalität der Inselbewohner und für einen ersten Band einer Reihe, in der die handelnden Personen vorgestellt werden und ihr Rahmen umrissen wird, erscheint dieser Kriminalroman sehr gelungen.