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Veröffentlicht am 06.07.2017

Blaue Flammen über klirrendem Eis

So kalt wie Eis, so klar wie Glas
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Diese Kugel ist lebendig. Sie vermittelt dem Betrachter ein ganz bestimmtes Gefühl. Und das kann sie nur, weil du dieses Gefühl in sie hineingegeben hast. Das ist mutig, denn du lässt jeden, der in diese ...

Diese Kugel ist lebendig. Sie vermittelt dem Betrachter ein ganz bestimmtes Gefühl. Und das kann sie nur, weil du dieses Gefühl in sie hineingegeben hast. Das ist mutig, denn du lässt jeden, der in diese Kugel sieht, auch in dein Herz sehen.“

Inhalt

Als Cora nach dem Tod ihrer Mutter erfährt, dass sie einen Großvater hat, der noch dazu ein angesehener Kugelmacher in der kleinen Gemeinde Rockenfeld ist, ist sie mehr als überrascht. Sehr schnell wird Cora vom Glanz und der besonderen Schönheit der winterlichen Schneekugeln angezogen und beschließt bei ihrem Großvater in die Lehre zu gehen, um selbst eine Kugelmacherin zu werden. Doch schon bald merkt sie, dass in der dörflichen Gemeinschaft ein großes Neidpotential unter den Handwerkern dieser besonderen Zunft besteht. Die Gerüchteküche brodelt und die Dorfbewohner sind untereinander nicht gerade aufrichtig miteinander. Außerdem gibt es immer wieder seltsame blau Flammen über dem See und Cora erkennt, dass die geheimnisvollen Vorgänge in den winterlich kalten Nächten, nicht mit gesundem Menschenverstand erklärbar sind. Als ihr der charismatische Niklas begegnet, den ein blaues Leuchten umgibt und der immer sehr überraschend verschwindet und auftaucht, erforscht Cora die dunklen Geheimnisse dieser verborgenen Welt.

Meinung

Der deutsche Autor Oliver Schlick entwirft in diesem Jugendbuch eine wunderschöne, winterliche Zauberwelt, deren Grenzen zwischen Realität und Magie immer wieder verwischen. Ganz klassische Elemente einer Fantasygeschichte findet der Leser hier ebenso wie die Grundpfeiler eines guten Jugendbuchs, die da wären: Freundschaft, Liebe, Zusammenhalt und den Glauben gemeinsam Wunder zu bewirken. Mit viel Liebe zum Detail entwirft er ein Bild einer ausgesprochen speziellen Dorfgemeinschaft, die durch ihre kauzigen Charaktere und ihr Herz am rechten Fleck eine besondere Wirkung erzielt. Die Protagonisten sind vielfältig und ihre Rollen im Geschehen wirken klar verteilt. Es gibt das Gute, das Böse und den Mut der Menschen in der Zwischenwelt, sich klar zu positionieren.

Darüber hinaus ist die Geschichte allerdings sehr vorhersehbar und bietet auch in ihrem Verlauf keine Überraschungen. Das Ende passt klar zum entworfenen Bild und fügt sich nahtlos an. Dadurch fehlt es dem Roman etwas an Überzeugungskraft und leider auch an Potential zum Lieblingsbuch. Dennoch vermag der Autor eine schöne Geschichte zu erzählen, die mit viel Humor und interessanten Aspekten aufwartet. Beim Lesen kann man sich alles sehr bildlich vorstellen, so dass mich ein entsprechender Film zum Buch wohl noch mehr überzeugt hätte, als die literarische Vorlage.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen klassischen Jugendroman mit fantasiereichen Aspekten und einer stimmigen Atmosphäre. Empfehlenswert auch für jüngere Leser, die Freude an abenteuerlichen Erzählungen und Lesemomenten voller Magie haben. Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn es nicht lange nachwirkt und eher als leichte Unterhaltungskost anzusehen ist.

Veröffentlicht am 22.06.2017

Ein Einzelgänger und sein redseliger Freund

Ein treuer Freund
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„Warum erzählen Sie mir nicht Ihre Geschichte?“, fragte sie dann, und die meisten der notorischen Fragesteller könne sie dazu verleiten. Jeder hat nun mal eine Lebensgeschichte; vom Genre her gesehen, ...

„Warum erzählen Sie mir nicht Ihre Geschichte?“, fragte sie dann, und die meisten der notorischen Fragesteller könne sie dazu verleiten. Jeder hat nun mal eine Lebensgeschichte; vom Genre her gesehen, ist das Leben ein Epos.

Inhalt

Jakop Jacobsen hat ein sehr ungewöhnliches Hobby auserkoren, welches ihn in manch heikle Situation manövriert und von Außenstehenden gar nicht als das erkannt wird, was es für Jakop eigentlich ist. Der Norweger, der durchaus auch mit seinen schwedischen Nachbarn kommuniziert, lebt zurückgezogen mit seinem Freund Pelle, nachdem seine freudlose Ehe beendet wurde und besucht immer wieder diverse Beerdigungen, obwohl er die Verstorbenen überhaupt nicht kannte.

Bereits im Vorfeld jeder Beisetzung sammelt er Daten und Fakten zu der Person, zu Hobbys, beruflichen Werdegängen und natürlich Informationen zu den Hinterbliebenen. Gut vorbereitet mischt er sich im öffentlichen Teil der Beisetzung unters Volk und hofft auf einen gemütlichen Ausklang der Feier in einem Restaurant. Dort bringt er sich ein und blüht auf, zeigt, wie gut er sich mit dem Verstorbenen verstanden hat, was sie verband und welch nachdrückliche Erinnerung bleiben wird. Für Jakop ersetzen diese wenigen Stunden im Kreis fremder Familien eine eigene Familie, ein Zugehörigkeitsgefühl, welches er in seinem Leben nicht empfinden kann. Doch eines Tages deckt Agnes, eine direkte Angehörige sein falsches Spiel auf, denn ihre Verwandte konnte keine endlosen Wanderungen mit besagtem Jakop unternommen haben, weil sie Zeit ihres Lebens an den Rollstuhl gefesselt war. Aber Jakops Reden berühren Agnes dennoch. Mit seiner ausgezeichneten Beobachtungsgabe, seiner Leidenschaft und seinem Esprit noch dazu von Erzählungen über eine Person die er überhaupt nicht kannte, hinterlässt er einen bleibenden Eindruck und sie beschließt, herauszufinden, was es mit seinem falschen Spiel tatsächlich auf sich hat …

Meinung

Dies ist mein zweiter Roman des norwegischen Autors Jostein Gaarder, der mich mit seinem Weltbestseller „Sophies Welt“ bereits vor 20 Jahren überzeugen konnte. Auch in seinem neuen Roman schlägt er stille Töne an und setzt sich sehr intensiv und überschaubar mit der Problematik des Einzelgängers, mit unfreiwilligem Alleinsein und daraus resultierenden Verhaltensweisen auseinander.

Im Zentrum dieser herzerwärmenden Geschichte steht ein Mann, dem man deutlich anmerkt, wie traurig und unzufrieden sein tatsächliches Leben verläuft. Immer wieder bemühte er sich in der Vergangenheit Anschluss zu finden, doch nie ist ihm die richtige Person begegnet, die sein Innerstes seine Besonderheiten erkannt und wertgeschätzt hätte. Und so entscheidet sich Jakop lieber für seinen imaginären Freund Pelle, der zwar nur eine Handpuppe ist, ihm aber dennoch die Treue hält und die stillen Stunden mit langen Gesprächen füllt. Der Autor entwirft ein bewegendes, sehr gut greifbares Bild des Protagonisten, den man sich ausgesprochen gut vorstellen kann, über dessen Tun man aber den Kopf schüttelt. Gaarder gleitet nie in die Sentimentalität ab, hält Distanz und beleuchtet auch die Gedankengänge hinter den eigentlichen Handlungen.

Philosophieren kann man sehr gut über diesen Roman, weil er eigene Überlegungen fördert und den Leser mitnimmt auf eine Reise zum Außenseiter per se. Fast scheint Jakop zu fragen: „Warum verstehst Du mich nicht?“ oder „Was stört dich eigentlich an mir?“ Plötzlich sieht man den Menschen hinter der erbärmlichen Figur, die mutterseelenallein auf der Parkbank sitzt und laut mit einer Handpuppe spricht und stellt fest, dass man sich selbst wahrscheinlich auch keine Gedanken über denjenigen gemacht hätte, obwohl gerade dies bitter nötig wäre.

Ein kleiner Kritikpunkt waren für mich die etwas künstlich eingeflochtenen Episoden über die Etymologie der norwegischen Sprache, über alte Volksweisheiten und historische Schriften bzw. Mythologien. Zwar lernt man dadurch Jakop und sein anderes Steckenpferd (die Liebe zur Sprache) kennen, doch bringen die ausufernden Ausflüge zu Lehnwörtern und gemeinsamen Wortstämmen nur wenig Lesefreude und Gewinn für die Geschichte.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diese phantasiereiche Geschichte, die den Leser dazu bringt über Wahlverwandtschaften, Familienbande und Einzelgängertum nachzudenken. Die ihn dazu motiviert, hinter die Fassade eines offensichtlichen Eremiten zu schauen und möglicherweise dazu anregt, vorschnelle Urteile abzubauen. Ein Roman am Rande des Mainstream ist es ganz sicherlich und man sollte auch die leisen Erzähltöne mögen, um mit der Geschichte warm zu werden. Doch gerade nach dem Lesen stellen sich hier viele Gedankengänge ein, die der Geschichte auch im Nachgang zu Herzblut und Stärke verhelfen, man legt das Buch zwar beiseite, aber Jakop und Pelle würde man nun doch zu gerne kennenlernen.

Veröffentlicht am 19.06.2017

Wenn das Summen verstummt

Die Geschichte der Bienen
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„Im einen Moment waren die Bienenvölker gesund, hatten genug Nahrung und Brut, alles in bester Ordnung. Und plötzlich, im Laufe weniger Tage, ja sogar Stunden, war der Bienenstock so gut wie leer. Die ...

„Im einen Moment waren die Bienenvölker gesund, hatten genug Nahrung und Brut, alles in bester Ordnung. Und plötzlich, im Laufe weniger Tage, ja sogar Stunden, war der Bienenstock so gut wie leer. Die Bienen waren weg, hatten ihre eigene Brut verlassen, alles verlassen. Und kamen nie wieder zurück.“

Inhalt

William entkommt 1852 seiner Depression, indem er sich zu Forschungszwecken mit dem optimalen Bau eines Bienenstocks beschäftigt, der den Imkern ermöglichen soll, das Leben im Bienenstock optimal zu erforschen und die immense Leistung des fleissigen Insekts besser beobachten und nutzen zu können. George versucht ein Jahrhundert später seinen feinen Imkereibetrieb optimal zu nutzen und den Bienen ein angemessenes Zuhause zu schaffen. Doch aus schier unerfindlichen Gründen sterben ihm seine Schützlinge einfach weg, die Bienen kommen nicht zurück zu ihrer Brut und die Königin ist dem Untergang verdammt, ebenso wie der Betrieb von George, indem sein ganzes Herzblut steckt. Für Tao werden die Bienen erst wieder interessant, als sie sich auf die verzweifelte Suche nach ihrem kleinen Sohn macht, der plötzlich unheimlich krank wurde und in einen anderen Landesteil verlegt wurde – niemand kann ihr sagen wohin. Hat ihr Sohn womöglich Kontakt mit jenen Insekten gehabt, die es angeblich nicht mehr gibt? Hat ihr Sohn gefunden, was die ganze Welt sucht? Bienen, die auf natürliche Art und Weise die Blüten bestäuben und damit einen unheimlich wertvollen Beitrag zur Ernährungsgrundlage der Menschen leisten!

Meinung

Maja Lunde entfaltet ihren Roman anhand dreier Lebensschicksale, deren Gemeinsamkeit die Bienen sind, wenn auch aus vollkommen unterschiedlichen Perspektiven und innerhalb verschiedener Jahrhunderte. Diese Grundidee, die ein eher biologisches Thema gekonnt mit einer belletristischen Erzählung verknüpft, hat mir gut gefallen.

Tatsächlich sind es zwar die Bienen, die sämtliche Handlungen der drei Hauptprotagonisten beeinflussen, dennoch zieht sich ihr Vorhandensein bzw. Fehlen eher wie der rote Faden durch das Buch. Die Einzelgeschichten und der jeweilige Charakter stehen vielmehr im Fokus des Geschehens. Dadurch entsteht ein irgendwie dreigeteiltes Werk, bei dem sich die Übergänge und die Aussagekraft nicht so formschön finden, wie ich es mir gewünscht hätte. Dafür ist es Maja Lunde ausgesprochen gut gelungen, die Hintergründe und Lebensweisen der einzelnen Abschnitte einzufangen. Historisch konnte man sich sehr gut in die Vergangenheit, Gegenwart und sogar in die Zukunft einleben.

Obwohl der dystopische Teil der Erzählung den wohl spannendsten Part innehat, einfach weil die geschilderten Lebensumstände so bedrückend und grausam erscheinen, weil es hier auch darum geht, wie die Menschheit nicht nur ihre Lebensgrundlagen verliert, sondern auch ihre Menschlichkeit, haben mir persönlich die Schilderungen aus der Vergangenheit und Gegenwart besser gefallen, weil dort unsere summenden Bienenvölker noch so schön lebendig wirken.

Sprachlich trifft der Leser auf einen leicht lesbaren Unterhaltungsroman, der schnell und effektiv das entsprechende Wissen vermittelt, welches man sich wünscht, ohne ausufernd zu werden oder in langweiliges Geplänkel abzudriften. Vorkenntnisse sind nicht nötig, man erfährt aber auch nichts wirklich Neues. Die verschiedenen Charaktere werden gut beschrieben, bleiben aber dennoch etwas blass, zumindest konnte ich mich mit keinem der Protagonisten so wirklich identifizieren, was weder an der Handlungsebene noch am Geschlecht der Person festzumachen war. Hier wäre mir ein klares Bild vor Augen lieber gewesen, doch die geschilderten Personen verlieren sich derart in ihren Handlungen, dass ich nicht recht einzuschätzen wusste, ob ich die Person nun mag oder nicht und warum überhaupt.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für einen ansprechenden Unterhaltungsroman, der den klassischen Familienroman durch summende, kleine Lebewesen ausschmückt, die so viel oder auch so wenig bedeuten, dass es sich lohnt darüber nachzudenken, wie wir Menschen mit unserer Umgebung, mit den natürlichen Ressourcen umgehen, um unseren derzeitigen Standard beizubehalten oder ihn sogar zu verbessern. Das Buch macht darüber hinaus aufmerksam auf Missstände und entwirft ein gar grausiges Zukunftsszenario, in welchem der Einzelne überhaupt nicht mehr zählt, weil es verpasst wurde, das Leben lebenswert zu erhalten und sowohl Menschen als auch Lebewesen mit Respekt zu behandeln. Ein lesenswertes Buch, mit kleinen Mängeln aber großen Aussagen, sofern wir ihnen Gehör verschaffen können.

Veröffentlicht am 06.06.2017

Die Kollision zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Als wir unbesiegbar waren
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„Das war das Ethos unserer Generation? Statt aufzustehen und für etwas zu kämpfen, an das wir geglaubt haben, sind wir einfach abgedackelt und haben uns um unser eigenes kleines Stückchen Welt gekümmert?

Inhalt

Eva, ...

„Das war das Ethos unserer Generation? Statt aufzustehen und für etwas zu kämpfen, an das wir geglaubt haben, sind wir einfach abgedackelt und haben uns um unser eigenes kleines Stückchen Welt gekümmert?

Inhalt

Eva, Benedict, Sylvie und Lucien kennen sich seit dem Studium und sind beste Freunde. Sie alle haben Träume, Hoffnungen und Wünsche für ihre Zukunft und malen sich ihr Leben in bunten Farben aus. Fest steht allerdings, dass sich nach ihrer Studienzeit vieles verändern wird, dass jeder irgendwo sein Glück versucht und es an ihnen selbst liegt, ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten oder die gemeinsam verbrachte Zeit so weit zu dezimieren, dass sie sich schließlich nichts mehr zu sagen haben.

Schon bald schleicht sich der Teufel mit dem Namen „echtes Leben“ in den Umgang miteinander ein und sie sehen sich nur noch sporadisch oder ohne große Emotionen, was in erster Linie daran liegt, dass ihre Lebenswege weit auseinanderdriften. Denn während Eva Karriere macht und das große Geld scheffelt, Benedict als junger Familienvater in den Hafen der Ehe schippert, Sylvie sich mit schlecht bezahlten Aushilfsjobs über Wasser hält und Lucien immer weiter ins Drogenmilieu eintaucht, vergehen die Jahre, viele einsame Jahre. Doch es kommt auch eine Zeit, in der sie neu entdecken, was echte Freundschaft ausmacht, warum die Menschen, die man in der Jugend mochte, auch noch Jahre später interessante Persönlichkeiten sind und warum es sich lohnt, Kontakte aufrecht zu erhalten und Menschen nicht danach zu beurteilen, was sie aus ihrem Leben gemacht haben, sondern danach, welche Bereicherung sie für den Einzelnen ausmachen.

Meinung

In ihrem Debütroman beschäftigt sich die junge Autorin Alice Adams mit den elementaren Fragen der Freundschaft und mit dem Erwachsenwerden ganz allgemein. Sie entwirft einen viele Jahrzehnte umfassenden Roman, der sich detailliert mit dem Leben von vier Menschen auseinandersetzt, insbesondere mit ihren Lebensentscheidungen, ihren Ansichten und Hoffnungen, ihren alltäglichen Kämpfen und der Bürde des persönlichen Scheiterns. Jeder der Protagonisten vollzieht eine Wandlung, muss sich mit den Umständen arrangieren und aus Schicksalsschlägen eigene Erfahrungen schöpfen. Dazu nimmt sie den Leser an die Hand und führt ihn durch die Jahre, durch verschiedene Orte, zu diversen Ereignissen und zeigt, wie wandelbar Jugendfreunde sind und wie statisch ihr Charakter dennoch bleibt.

Gerade dieses Beleuchten zwischenmenschlicher Beziehungen, aber auch die Spiegelung der eigenen Emotionen im Umgang miteinander kombiniert Frau Adams sehr anschaulich, realistisch und absolut nachvollziehbar. Trotz der individuellen Geschichte entsteht eine generalistische Lektüre, deren Grundaussagen sich problemlos auf viele Freundschaften übertragen lassen und die zeigt, wie vielfältig Freundschaften sein können, selbst wenn sie zeitweise fast eingefroren die Jahre überstehen müssen. Damit schlägt sie auch den Bogen zu ganz persönlichen Ansichten und lässt den Leser immer wieder Parallelen zum eigenen Leben ziehen. Ich habe mich hier in einigen Überlegungen wiedererkannt und kann ebenso wie die Protagonisten auf Freundschaften zurückblicken, die einem ständigen Wandel unterworfen waren und trotzdem bestehen, selbst wenn sie nicht mehr den gleichen Stellenwert besitzen, wie in jungen Jahren.

Als kleines Manko dieses ansonsten sehr guten Romans sehe ich den Hang zur Sentimentalität, dadurch erahnt man schon früh, wie sich die Geschichte entwickeln wird und diese Vorhersehbarkeit tritt dann auch tatsächlich ein. Es gibt keine wirklichen Überraschungen, dafür aber eine Menge Herzschmerz, viele Tränen, tiefgreifende Reue und große Emotionen. All das finde ich normalerweise ansprechend, jedoch hätte ich mir bei diesem Roman etwas mehr Unabänderlichkeit gewünscht, etwas mehr Schwere und ein Ende welches nicht so glücklich und zufrieden den Text beschließt.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen ansprechenden, umfassenden Roman über Freundschaft, Liebe, Schicksal und dem beschreiten verschiedener Lebenswege. Aufgehübscht durch eine tiefgründige Sprache mit vielen Lebensweisheiten gespickt und voller ausgeschöpfter oder verstrichener Möglichkeiten. Eine lesenswerte Sommerlektüre, die ebenso unbeschwert wie aussagekräftig daherkommt und den Leser mitnimmt auf eine Art Resümee über die persönlichen Prämissen im Leben.

Veröffentlicht am 28.05.2017

Dunkle Geheimnisse verborgen unter Wüstensand

Palast aus Staub und Sand
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„Karma, so hatte Baptiste irgendwann einmal gelesen, bedeutete entgegen seines früheren Glaubens nicht Schicksal, sondern Ursache und Wirkung. Welche Ursache jedoch für die Wendung dieser Tage verantwortlich ...

„Karma, so hatte Baptiste irgendwann einmal gelesen, bedeutete entgegen seines früheren Glaubens nicht Schicksal, sondern Ursache und Wirkung. Welche Ursache jedoch für die Wendung dieser Tage verantwortlich war, würde ihm wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.“

Inhalt

Mit dem Tod seiner über alles geliebten Frau Claire muss sich Baptiste fragen, wie es nun mit ihm selbst weitergehen wird. Das fortgeschrittene Alter zwingt ihn dazu sich ernsthaft zu überlegen, ob er in ein Altersheim zieht oder ob er dem Ruf seines Herzens folgt. Frankreich war nur durch Claire seine Wahlheimat, während seine Wurzeln in Algerien liegen und dort zieht es ihn wieder hin. Durch eine zufällige Bekanntschaft mit der jungen engagierten Ella, die für ein Hilfsprojekt einsamer Waisenkinder in Afrika auf der Suche nach finanzieller Unterstützung ist, erkennt Baptiste seine Chance, in die Heimat zurückzukehren. Er rettet Ella aus ihrer finanziellen Misere und begleitet sie und ihre Freunde mit nach Afrika. Mit Ella verbindet ihn zunächst nur eine normale Freundschaft, doch als die junge Frau schwer erkrankt und niemand Ihnen helfen kann, da sie auf Grund einer dramatischen Wetterlage eingeschlossen sind, erzählt Baptiste ihr seine wahre Lebensgeschichte. Eine Geschichte über Freundschaft, Sehnsucht und Verlust, über das Ende der Unschuld und die Qualen der menschlichen Seele. Baptiste erzählt ihr, wer er wirklich ist und warum er zu dem wurde, was er ist …

Meinung

In seinem Debütroman beschäftigt sich der Autor Haroon Gordon in erster Linie mit der Menschlichkeit, mit der Fähigkeit Empathie zu empfinden, anzunehmen und an andere Menschen weiterzugeben. Dieser Roman lebt durch intensive, tiefgründige Betrachtungsweisen, entwirft vielschichtige Charaktere, die zahlreiche Facetten in sich beherbergen und dadurch sehr fehlbar aber äußerst authentisch wirken. Die Betrachtung des Menschen als Individuum im Zusammenspiel mit seiner Herkunft und den Möglichkeiten seiner Entwicklung wird hier ausgesprochen realistisch und nachvollziehbar geschildert.

Auf zwei Erzählebenen verweben sich die Einzelschicksale von Ella, einer Frau mit traumatischer Vergangenheit und klaren Zielvorstellungen und die von Baptiste, einem Mann dessen Gegenwart durch seine Vergangenheit immer klarer wird und der den Leser teilhaben lässt an einer dramatischen Familiengeschichte, die ihre Anfänge in Abda, einem algerischen Frauengefängnis hat. Immer tiefer taucht der Leser in die Geschichte ein, immer ersichtlicher werden die Zusammenhänge und immer schwerer die Last, die Verzweiflung, die man mit dem Hauptprotagonisten teilt.

Dem Autor ist mit dieser Erzählung nicht nur ein sehr atmosphärischer Roman gelungen, der die Lebensumstände in einem algerischen Frauengefängnis, detailliert und anschaulich beschreibt, sondern darüber hinaus ein generalistischer Streich, der so viele Fragen des menschlichen Lebens aufwirft, dass man nur zu gern darüber nachdenken möchte, welche tieferen Grundsätze dahinter verborgen liegen. Besonders die Frage nach dem Sinn, nach dem Schicksal, nach der Selbsteinschätzung hat mich fasziniert. Es gibt hier durchaus Schuldige, doch man kann ihr Handeln nachvollziehen. Es gibt die immer wiederkehrende Frage nach Gottes Wille, ja nach seiner Präsenz im Alltäglichen. Es gibt Menschen mit Fehlern, es gibt Menschen mit Wünschen, die sich nicht verwirklichen lassen aber gleichermaßen keimt die Hoffnung des Lebens, der Wille einen neuen Weg einzuschlagen und irgendwo von vorn zu beginnen. Diese Kernaussage macht die Lektüre des Buches so besonders und hebt sich deutlich vom Mainstream ab, gerade weil sie sich auf innere Werte konzentriert.

Fazit

Ich vergebe sehr gute 4 Lesesterne für diesen abwechslungsreichen, gesellschaftsorientierten Roman, der lange nachhallt und wichtige Fragen des menschlichen Lebens aufwirft und teilweise auch beantwortet. Ich empfehle ihn für Leser, die sich gerne mit Gefühlen, Gedankengängen und Innerlichkeit befassen und die eine Geschichte mit Tiefgang suchen. Sprachlich auf hohem Niveau, sieht man sich hier mit der Frage konfrontiert: „Was macht einen Menschen aus?“