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Veröffentlicht am 22.06.2017

Ein besonderer Krimi

Gray
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Es war für mich wieder einmal das pure Vergnügen, einen weiteren herrlich verschrobenen Tier-Krimi zu lesen von Leonie Swann. Sie beschreitet trittsicher den schmalen Grat zwischen Komödie und Spannung, ...

Es war für mich wieder einmal das pure Vergnügen, einen weiteren herrlich verschrobenen Tier-Krimi zu lesen von Leonie Swann. Sie beschreitet trittsicher den schmalen Grat zwischen Komödie und Spannung, ohne dabei ins lächerlich comedyhafte abzurutschen.
Der Einband ist von der Gestaltung her sehr an Swanns Schafskrimis angelehnt. Sehr witzig das Papageien-Daumenkino!
Doch zunächst zum Inhalt, von dem ich jedoch nicht zu viel verraten möchte:
Elliot, ein Student der ehrenwerten Cambridge Universität, stürzt bei einer nächtlichen Klettertour auf der Kathedrale zu Tode. Was zunächst wie ein Unfall aussieht erregt bald das Misstrauen seines Tutors Dr. Augustus Huff. Nur ein Zufall beschert ihm Graupapagei Gray, der ihn quasi adoptiert als er in Elliots Zimmer nach dem Rechten sehen will. Fortan ist er kaum ohne diesen Papagei anzutreffen, der seine Schulter als sicheren Platz auserkoren hat - was ihm mehr Aufmerksamkeit einbringt als ihm oft lieb ist.
Gray ist sehr sprachbegabt und auch sonst hat er so einiges auf dem Kasten, denn sein Halter hielt ihn offiziell für wissenschaftliche Studien, die sich mit der Intelligenz der Vögel beschäftigten. Durch seine Plappereien bringt er Huff auf so manche Idee und letztlich natürlich auch der Lösung des Falls näher, indem sich Stück für Stück das Puzzle zu einem Ganzen zusammenfügt.
Im Gegensatz zu den beiden Schafskrimis übernimmt Gray hier keinerlei Ermittlerrolle, auch wenn bei der Buchbeschreibung leider dieser Eindruck völlig überflüssigerweise erweckt wird. Der Papagei ist ein Papagei und mehr nicht! Zugegeben ein sehr intelligentes Exemplar, aber keinesfalls ein Tier mit Detektiv-Charakter. Letztlich übernimmt Huff alleine die Detektivarbeit, wobei er sich immer mehr auf Grays Plapperei einlässt und sie in sein Puzzle einfügt.
Der Protagonist Augustus Huff hat mich total erobert - zusammen mit diesem herrlichen Gray ergibt sich ein Bild vor meinen Augen, dass mich schon ohne jede weitere Kriminalstory zerfließen lässt. Huff ist wahrscheinlich latenter Asperger - gut... das wird momentan ein wenig zu oft bemüht, denn inzwischen findet man in unglaublich vielen Büchern oder auch Serien Autisten aller Ausprägungen. Huff ist jedoch nur im Ansatz "auffällig" und weist zum Glück nicht die sonst immer vorhandenen "Superfähigkeiten" auf. Es beschränkt sich bei ihm auf Waschzwang, Ordnungszwang und andere Kleinigkeiten (immer mit linkem Fuß losgehen, 3mal kontrollieren, ob alles abgesperrt ist, 3mal auf den Türrahmen klopfen ehe er das eigene Zimmer betritt etc.), die mich sehr an Monk erinnerten. Davon abgesehen ist Huff einfach ein unglaublich sympathischer Mensch mit kleinen Macken. Und dieser Mensch lernt dank des respektlosen und absolut unordentlichen Gray, sich immer mehr zu trauen und er entwickelt sich gehörig weiter im Laufe der Story.
Die Kriminalgeschichte ist natürlich weit von Thriller entfernt, was aber wohl auch niemand erwarten wird. Es ist mehr eine Kriminalstory in Richtung Lewis - ruhig dahinfließend und trotzdem den Grips anregend, denn es ergeben sich im Laufe der Story zahlreiche Verirrungen und Wendungen und das Ende ist fast überraschend.
Die etwas aktionsreicheren Stellen sind mit zarten Anmutungen von Situationskomik gespickt - nichts um laut los zu lachen, aber für ein amüsiertes Lächeln reichte es immer wieder. Der Schreibstil ist gewohnt frisch und unkompliziert - durchaus für Jugendliche geeignet, was für mich kein Manko darstellt.
Hervorragend ist Swann gelungen darzustellen, wie Huffs Leben durch diesen kleinen grauen Chaoten auf den Kopf gestellt wird. Alles gerät in Unordnung und nirgends ist mehr die für ihn erforderliche Sauberkeit zu finden. Für Huff ist das eine extreme Herausforderung, der er sich erst widerwillig, dann jedoch immer bereitwilliger stellt. Schon bald bemerkt er, wie sehr er an dem kleinen Anarchisten hängt, wie viel ihm dessen Zuneigung und Vertrauen bedeuten. Erstaunlich fand ich, wie klar Huff dennoch immer wieder analysierte, dass Gray lediglich ein Vogel ist und wie ein Vogel handelt. Er konnte dadurch immer angemessen auf ihn reagieren, was sie letztlich zu einem richtig guten Team werden ließ.

Fazit: Eine wunderbare Idee, einen Papagei in einen Krimi als Protagonisten einzubinden und sie wurde hervorragend umgesetzt. Mir war das Buch keine Sekunde langweilig und ich hoffe sehr, dass Leonie Swann sich zu diesem traumhaften Paar noch eine Fortsetzung einfallen lässt. Vielleicht könnte ja mal ein Professor dran glauben

Veröffentlicht am 07.06.2017

Was für ein Buch!

Ein Mann namens Ove
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Ove ist ein rechtes Ekelpaket - in den Augen der Nachbarschaft. Wenn jemand die Bezeichnung Prinzipienreiter und Pedant verdient, dann Ove!

Er notiert, wer zu lange geparkt hat, ob der Hund auf den Bürgersteig ...

Ove ist ein rechtes Ekelpaket - in den Augen der Nachbarschaft. Wenn jemand die Bezeichnung Prinzipienreiter und Pedant verdient, dann Ove!

Er notiert, wer zu lange geparkt hat, ob der Hund auf den Bürgersteig pinkelt, die Kinder verbotenerweise vor den Garagen "frei" herum laufen. Pedantisch hält er seinen ganz persönlichen Zeitplan ein. Zudem ist er ein Griesgram, wie er im Buche steht. Freundlichkeit scheint ein Fremdwort für ihn zu sein. Dass Ove dabei ein durchaus warmherziger und guter Mensch ist, wird einem bald während der Lektüre klar. Seine Frau hat seinem Leben erst einen Sinn gegeben (in seinen Augen jedenfalls) und nachdem sie verstorben ist, sieht er auch in seinem eigenen Leben keinen Sinn mehr. Daher plant er seinen Suizid - natürlich nicht, ohne vorher Telefon, Zeitung und Strom abbestellt zu haben. Täglich 2mal besucht er das Grab seiner Frau, die 6 Monate zuvor verstarb. Als ob dieser Verlust nicht schon genug wäre, ist er auch noch in Rente geschickt worden. Nun fühlt er sich vollkommen nutzlos und sieht in dem leeren Haus keinen Sinn mehr für sein Leben.

Oves Versuche, sich das Leben zu nehmen, scheitern aus verschiedenen Gründen. Teils wegen unvorhersehbarer Probleme (schlechte Qualität der Seile), teils an seinem guten Herzen, weil er in die Augen des jungen Lokführers geblickt hat - und an seiner neuen persischen Nachbarin, die diesen Griesgram gehörig aufmischt.

Ich musste oft lachen und auch den Kopf schütteln, denn die Ansichten Oves sind ausgesprochen launig und mit einer guten Portion Humor geschrieben. Dabei möchte man ihn beständig trösten, denn immer wieder wird klar, wie sehr er seine innig geliebte Frau vermisst - wie sehr sie sein Lebensinhalt war. Dennoch lernt er nach und nach mit seiner Situation zu leben.

Der Schreibstil ist erfrischend und sehr angenehm zu lesen. Es wird nichts unnötig ausgeschmückt und auch keine kunstvoll verschachtelten Sätze verwendet. Ein für mich typisch skandinavisches Buch, genau wie ich sie liebe. Niemals rührselig aber trotzdem verständnisvoll und irgendwie sehr warmherzig, auch wenn der Stil recht kurz und prägnant ist.

Von mir bekommt dieses Buch volle Sternzahl und ich kann es nur jedem empfehlen!

Veröffentlicht am 07.06.2017

Tolle Entdeckung!

Der Teufel von New York
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Die Story spielt in New York im Jahre 1845. Es handelt sich um einen historischen Kriminalroman, bei dem es um die Aufklärung von 19 Morden an Kindern geht. Der Hauptakteur Timothy Wilde gehört dank seines ...

Die Story spielt in New York im Jahre 1845. Es handelt sich um einen historischen Kriminalroman, bei dem es um die Aufklärung von 19 Morden an Kindern geht. Der Hauptakteur Timothy Wilde gehört dank seines einflußreichen Bruders mehr oder weniger freiwillig zu den Polizisten der ersten Stunde in New York, die aus sehr unteschiedlichen Typen zusammengesetzt ist. Timothy findet im Laufe des Buches heraus, dass Polizist zu sein seine wahre Berufung ist.

Die Charaktere der Buches sind sehr vielschichtig angelegt. Es gibt bei jedem der Akteure nicht nur schwarz oder weiß, sondern auch immer Grauzonen oder dunkle Bereiche, so dass die Personen authentisch und glaubwürdig erscheinen. Was besonders auffällt ist die atmosphärisch dichte Beschreibung der Lebensumstände in New York in der Mitte des 19. Jahrhunderts, welche einen schon nach wenigen Seiten in ihren Bann zieht. Unterstützt wird das ganze noch durch die benutzte "Ganovensprache". Die wird am Ende des Buches in einem kleinen Glossar übersetzt. Das ist manchmal ein bisschen lästig und es werden durchaus nicht alle Begriffe übersetzt.

Was die Vielschichtigkeit betrifft, kommt die Story auch sehr gut weg, z.B.: Probleme in New York mit den zahlreichen Einwanderern, Rassismus, eine enttäuschte Liebe des Hauptakteurs, ein Konflikt unter Brüdern, die Verflechtung von Politik und Polizei, Korruption und einige durchaus glaubwürdige und unerwartete Wendungen.

Ein sehr gelungenes Buch mit hervorragender Beschreibung des New York im Jahre 1845, sehr gut entwickelten Charakteren und einem spannenden, wendungsreichen Plot.

Veröffentlicht am 07.06.2017

Ein Buch der besonderen Art

STRAFE
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Der Autor Max Schmeling (benannt nach dem Boxer, weil sein Vater ein großer Fan des Boxers war) erhält einen Brief seines früheren Mitschülers Tibor Schittkowski in dem er gebeten wird ihn zu besuchen ...

Der Autor Max Schmeling (benannt nach dem Boxer, weil sein Vater ein großer Fan des Boxers war) erhält einen Brief seines früheren Mitschülers Tibor Schittkowski in dem er gebeten wird ihn zu besuchen und ihm einen Gefallen zu tun. Tibor übergibt ihm einen Bericht übers sein Leben, verbunden mit der Bitte, oder besser, der Forderung für ihn etwas zu erledigen. Tibor hat nur noch wenige Monate zu leben und muss das vor seinen Tod unbedingt noch erledigt wissen, ist aber wegen seines schlechten Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage dazu. Da Tibor Max zweimal das Leben gerettet hat, sieht dieser sich in einer Art Verpflichtung gegenüber Tibor und willigt ein. Ein Schritt, der sein Leben in der bisherigen Form beenden wird.

Im ersten Teil des Buches begleitet man Max Schmeling bei der Lektüre des Berichts über Tibor und lernt auch sehr viel über Max (zum Beispiel seine zwei gescheiterten Ehen und seine zuletzt in die Brüche gegangene Beziehung). Die Figur wird sehr vielschichtig und sorgfältig entwickelt. Ein eher ruhiger, duldsamer Mensch, durchdrungen von einer tiefen Traurigkeit. Er hat seine letzte Beziehung mit einer Psychotherapie versucht aufzuarbeiten. Nach eine längeren Krise gelingt es ihm wieder zu schreiben und er arbeitet gerade an einem neuen Buch.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit Paula. Auch hier wird die Person vielschichtig entwickelt, zum Beispiel ihre Kindheit, spätere Entwicklung und Beziehung zu Männern, ihre abgebrochene Gesangskarriere und ihr nie vollendetes Studium, bis hin zur Buchautorin.

Bis dahin ist in dem Buch noch nicht so wirklich was passiert und trotzdem ist man von den Personen und der Art des Schreibens gefesselt.

Im letzten Teil des Buches gelingt es dem Autor eine Verbindung herzustellen und dem bis dato eher unspektakulären Verlauf eine Wende zu verpassen, die ihres gleichen sucht. Von dieser Entwicklung wird nicht nur Max, sondern auch alle die dieses Buch lesen, komplett überrascht. Erst jetzt wird auch klar, warum das Buch Strafe heißt und die Autorin nicht unter ihrem echten Namen veröffentlicht (so sie denn überhaupt existiert .

Wie diese Wendung aussieht und wie sie für Max, Tibor und Paula endet, wird hier natürlich nicht verraten...

Wie so oft faszinierte mich der fesselnde Schreibstil - nicht umsonst wird er als philosophischer Krimiautor bezeichnet. Kaum jemand entwickelt seine Protagonisten so detailliert wie er. An die Existenz einer Co-Autorin kann ich nicht so recht glauben, aber es bringt ein zusätzliches Prickeln in die Story, dass sie wahr sein könnte. Von mir gibt es jedenfalls die volle Punktzahl!

Veröffentlicht am 07.06.2017

Der namenlose Tag

Der namenlose Tag
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Der pensionierte Kommissar Franck erhält Besuch von Ludwig Winther, einem Mann, dessen Tochter sich vor 20 Jahren augenscheinlich erhängt hat. Der Vater des Mädchens wird seit dem Tod seiner Tochter von ...

Der pensionierte Kommissar Franck erhält Besuch von Ludwig Winther, einem Mann, dessen Tochter sich vor 20 Jahren augenscheinlich erhängt hat. Der Vater des Mädchens wird seit dem Tod seiner Tochter von dem Verdacht geplagt, dass sie sich nicht erhängte, sondern dass eventuell jemand nachgeholfen hatte. Der Kommissar, der während seiner Arbeit die unangenehme Aufgabe freiwillig übernahm, die seine Kollegen immer scheuten, nämlich zu den Angehörigen zu gehen und ihnen die Nachricht des Todes zu überbringen und volle 7 Stunden bei der trauernden Mutter blieb, fühlt sich bei seiner Ermittlerehre gepackt und beginnt den Fall neu aufzurollen.
Im Rahmen dieser Ermittlungen gräbt der Kommissar sich mit Beharrlichkeit und sehr viel Empathie durch das Schweigen, Misstrauen und die Vermutungen die diesen Fall umgeben. Es ist erstaunlich wie der Autor es schafft, mit einer an Zeitlupe erinnernden Langsamkeit den Leser in seinen Bann zu ziehen. Der Kommissar besitzt die Gabe, den Menschen die Informationen zu entlocken, ohne den Respekt zu verlieren und lernt dabei durchaus noch so einiges über sich selbst. Die Menschen öffnen sich ihm gegenüber und es finden sehr ruhige und intensive Begegnungen statt. Der Autor offenbart einen sehr detaillierten Blick in die Welt von „ganz normalen Menschen“ und ihren oft vorhandenen Lebenslügen. Und die eine oder andere „Lebensweisheit“, die so zwischen den Zeilen durchsickert, kann durchaus eine Anregung für den Leser sein, manche Dinge in seinem eigenen Leben zu überdenken.
Die Auflösung des „Falls“, die hier natürlich nicht verraten wird, gerät zur Nebensache.

Fazit: Ein Buch, das tiefe Einblicke in die Natur des Menschen vermittelt, geschrieben in einer ruhigen, eindringlichen und sehr berührenden Art und Weise, wenn man sich darauf einlassen kann.

Wer hier Action, Spannung oder irgendwelche perfiden Mordpläne und Verwicklungen erwartet, ist definitiv an der falschen Adresse.