Cover-Bild Friedhof der Unschuldigen
21,90
inkl. MwSt
  • Verlag: Zsolnay, Paul
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 384
  • Ersterscheinung: 29.07.2013
  • ISBN: 9783552056442
Andrew Miller

Friedhof der Unschuldigen

Roman
Nikolaus Stingl (Übersetzer)

Frankreich, Ende des 18. Jahrhunderts: Im Schloss von Versailles wird dem jungen Ingenieur Jean-Baptiste Baratte von höchster Stelle ein Auftrag erteilt. Er soll den Friedhof der Unschuldigen demolieren, der, mitten in Paris gelegen, Hunderttausende von Toten beherbergt und dessen Ausdünstungen die Stadt langsam vergiften, so dass der Wein in den Kellern zu Essig wird, Fleisch binnen Minuten verfault. Aber es soll möglichst unauffällig geschehen, der Pöbel ist abergläubisch und will die Totenruhe nicht gestört sehen. Miller erzählt diese Geschichte vom Vorabend der Revolution und den widerstreitenden Kräften des Alten und des Neuen in einer kühnen, eleganten Prosa.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.06.2017

Anspruchsvolle Zeitreise

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Ein junger Ingenieur erhält den Auftrag, einen Friedhof in Paris "aufzulösen", da dessen Ausdünstungen die ganze Gegend regelrecht verseuchen. Ein Vorhaben, das nicht einfach umzusetzen ist, zumal der ...

Ein junger Ingenieur erhält den Auftrag, einen Friedhof in Paris "aufzulösen", da dessen Ausdünstungen die ganze Gegend regelrecht verseuchen. Ein Vorhaben, das nicht einfach umzusetzen ist, zumal der Minister einen zeitlichen Rahmen gesteckt hat. Außerdem soll alles recht diskret vonstatten gehen - zumindest bis die eigentliche Arbeit beginnt. Ein Zimmer wird für ihn gemietet und er wohnt quasi mit der Nase an und Blick auf den Friedhof.

Ingenieur Baratte heuert einen Trupp flämische Arbeiter an, die in einer Grube arbeiten, in der er selbst einige Zeit als Ingenieur tätig war. Da er zu dem Vorarbeiter engere Kontakte pflegte - sie standen sich politisch und kulturell recht nahe - wird dieser gleich als Vorarbeiter mitverpflichtet, schon um die sprachlichen Barrieren möglichst gering zu halten.

Dem Ingenieur wird verhältnismäßig freie Hand bei der Durchführung gelassen. Im Verlauf des Projekts wird deutlich, dass sich der Protagonist mit dem Projekt zu ändern beginnt. Ist er zunächst noch ein junger, moderner Mensch der Zukunft, so wandelt er sich immer mehr zu einem funktionierenden Rädchen der Obrigkeit. Wirkt er zunächst noch unsicher und beeinflussbar in seinen Handlungen und Entscheidungen, so lernt er immer mehr sich durchzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Allerdings kommt damit eine gewisse Härte gegenüber anderen Menschen ins Spiel.

Ausgesprochen hart ist naturgemäß auch die Arbeit der Bergleute, die tausende Knochen freilegen müssen. Gerade zu jener Zeit eine Tätigkeit, die nicht einfach zu verkraften ist. Weder für die Bergarbeiter selbst, noch für die Anwohner des Friedhofs. Das führt zu mancherlei Geschehnissen, die die Handlung durchaus spannender gestalten, als die schlichte Auflösung des Friedhofs gewesen wäre. Hiervon will ich jedoch an dieser Stelle nichts verraten.

Mich spricht diese detailverliebte Schilderung der Lebensumstände im Paris des 18. Jahrhunderts sehr an. Ein Buch, das ich wegen seiner schönen Schreibart mit großem Vergnügen gelesen habe, obwohl es kein Buch ist, das man verschlingen kann. Man lässt sich ganz von selbst etwas mehr Zeit mit der Lektüre. Der Autor pflegt eine ausdrucksstarke, bildhafte Sprache, teils auch etwas deftig an einigen Stellen. Man kann regelrecht in diese vergangene Zeit abtauchen und sieht alles förmlich vor sich. Man erahnt den Hauch des neuen Zeitalters, das über Frankreich herein brechen wird.

Fazit: Ein wunderschönes Buch für Liebhaber etwas anderer historischer Literatur fernab von Wanderhuren und Co.!

Veröffentlicht am 05.11.2016

Friedhof der Unschuldigen

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===Aufmachung des Buches===
Das Erste, was mir nach Erhalt des Buches aufgefallen ist, ist wohl die hochwertige Ausstattung. Der Buchumschlag ist sehr schön gestaltet und fällt vor allem durch die goldenen ...

===Aufmachung des Buches===
Das Erste, was mir nach Erhalt des Buches aufgefallen ist, ist wohl die hochwertige Ausstattung. Der Buchumschlag ist sehr schön gestaltet und fällt vor allem durch die goldenen Akzente auf. Auch das Papier scheint hochwertig zu sein - für mich fühlt es sich jedenfalls gut an.

===Der Autor===
Andrew Miller (geb. 1960) lebt in Somerset. Er hat Creative & Critical Writing studiert und 1995 promoviert. Miller hat nicht nur in verschiedenen Berufen gearbeitet, sondern auch in verschiedenen Ländern gelebt.
Für die englische Originalausgabe von Friedhof der Unschuldigen, welche bereits 2011 erschien, erhielt er den Costa Award für den besten Roman und für das beste Buch 2011. Viel mehr erfährt man leider im Buch nicht über den Autor.

===Kurzbeschreibung===
"Frankreich, Ende des 18. Jahrhunderts: Im Schloss von Versailles wird dem jungen Ingenieur Jean-Baptiste Baratte von höchster Stelle ein Auftrag erteilt. Er soll den Friedhof der Unschuldigen demolieren, der, mitten in Paris gelegen, Hunderttausende von Toten beherbergt und dessen Ausdünstungen die Stadt langsam vergiften, so dass der Wein in den Kellern zu Essig wird, Fleisch binnen Minuten verfault. Aber es soll möglichst unauffällig geschehen, der Pöbel ist abergläubisch und will die Totenruhe nicht gestört sehen. Miller erzählt diese Geschichte vom Vorabend der Revolution und den widerstreitenden Kräften des Alten und des Neuen in einer kühnen, eleganten Prosa."

===Inhalt===
Der junge Ingenieur Jean-Baptiste Baratte erhält den Auftrag, den Friedhof der Unschuldigen in Paris zu beseitigen. Der seit langem stillgelegte Friedhof, auf dem sich unter anderem die Massengräber der Armen befinden, dünstet üblen Gestank aus, welcher die umliegenden Wohnviertel zu einem ungemütlichen Ort, und vor allem deren Einwohner krank macht. In Paris angekommen bezieht Baratte ein Zimmer bei den Monnards und macht sich zunächst ein Bild der Lage.

Bei seinem ersten Besuch auf dem Friedhof und in der Friedhofskirche begegnet er dem Organisten Armand, der seit Stillegung des Friedhofs nur noch für sich und den Priester spielt. Mit Armand verbindet Jean-Baptiste fortan so etwas wie Freundschaft.

Nachdem die Vermessungen erledigt sind, reist Jean-Baptiste zurück in seine Heimat, die Normandie, um von dort kräftige Arbeiter mitzunehmen, die der harten Arbeit auf dem Friedhof gewachsen sein werden. Noch immer hält er seinen Auftrag so gut es geht geheim.

Als jedoch die Arbeiten in Paris beginnen, ist es auch mit dem Verheimlichen am Ende und Jean-Baptiste wird mehrfach angefeindet und ist nicht mehr ganz sicher. Die Beseitigung des Friedhofs gefällt nämlich nicht jedem.

Jean-Baptiste jedoch trotzt allen Widrigkeiten und beschließt, die Beseitigung des Friedhofs wie auch die Zerstörung der Friedhofskirche zu einem Abchluss zu bringen.

===Meine Meinung zum Buch===
Mich hatte das Buch zunächst angesprochen, weil ich generell historische Romane gern lese. Das vorliegende Buch spielt in der Zeit kurz vor der Französischen Revolution.

Der Schreibstil von Miller hat mir von der ersten Seite an sehr gut gefallen. Er schreibt so ausschmückend, dass man sich sehr gut in sämtliche Szenen hineinversetzen kann - irgendwie habe ich mich während des Lesens wie in Paris gefühlt. Doch auch wenn der Text schon recht ausgeschmückt war, war er trotzdem nicht überladen, so dass immer noch die eigentliche Geschichte im Vordergrund stand.

Die einzelnen Charaktere werden von Miller, je nach deren Wichtigkeit für die Handlung, auch sehr gut dargestellt, so dass man den Beweggründen und auch Entwicklungen der Charaktere sehr gut folgen kann, was das Buch für mich sehr interessant gemacht hat.

Die Einbettung der Geschichte in den historischen Kontext der Französischen Revolution ist sehr gut gelungen, zumal sie ja sehr bildlich ein Ende und einen Neubeginn darstellt.

Für dieses Buch habe ich tatsächlich etwas länger gebraucht, was aber auch daran lag, dass der Text die volle Aufmerksamkeit des Lesers fordert. Liest man zu flüchtig, entgeht einem womöglich ein wichtiges Detail, oder man verliert sich in den Sprüngen, die die Geschichte hin und wieder macht. Gerade durch das aufmerksamere Lesen aber konnte man bei diesem Buch sehr tief in die Geschichte eintauchen.

Auch wenn die Thematik schon recht düster und gruselig ist (das Ausgraben der Leichenteile wird beispielsweise öfters sehr genau geschildert), konnte ich trotzdem noch gut schlafen (ich hatte ja zunächst befürchtet, das Buch könne mich um meine Nachtruhe bringen). Dieses Buch ist definitiv nur etwas für Erwachsene, nicht nur des morbiden Inhalts wegen, sondern auch weil es ein wenig historisches Vorwissen erfordert, sowie den Willen, sich mit der Thematik ein wenig auseinanderzusetzen.

===Fazit===
Der "Friedhof der Unschuldigen" bekommt von mir volle 5 Sterne und eine Kaufempfehlung, da das Buch von Miller wirklich ausgezeichnet geschrieben wurde, so dass man sich in die Geschichte sehr gut hineinversetzen kann. Die Einbettung in den historischen Kontext finde ich sehr gelungen. Ich kann jedem nur raten, sich das Buch einmal näher anzuschauen und empfehle es auf jeden Fall weiter!