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Veröffentlicht am 28.08.2022

Wenn Kinder erwachsen sein müssen

Der Hunger nach Leben
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Worum geht’s?
Großweiden 1930: Der Vater des 10jährigen Noah wird als Volksverräter verhaftet. Kurz darauf verliert auch seine hochschwangere Mutter ihre Arbeit und es ist an dem kleinen Noah, die Familie ...

Worum geht’s?
Großweiden 1930: Der Vater des 10jährigen Noah wird als Volksverräter verhaftet. Kurz darauf verliert auch seine hochschwangere Mutter ihre Arbeit und es ist an dem kleinen Noah, die Familie durch den strengen Winter zu bringen und sie zu versorgen.

Meine Meinung:
Mit „Hunger nach Leben“ (Amazon Publishing Deutschland, August 2022) startet Ella Zeiss ihre Wege-des-Schicksals-Reihe. Auf eindrucksvolle Weise bringt sie uns in diesem historischen Roman in die Ukraine der 1930-1940er Jahre zurück.

Im Mittelpunkt steht der kleine Noah, der mit seiner Familie in Großweiden wohnt. Viel zu schnell muss er erwachsen werden und für seine Familie sorgen. Wir erleben seinen Weg in dieses Erwachsenwerden mit. Wie er zu kämpfen hat, in der Gesellschaft anerkannt zu werden und wie ihm immer wieder das angebliche Verbrechen seines Vaters im Wege steht. Und mit Jakobine sehen wir das genaue Gegenteil. Die Gesellschaftsschicht der volkstreuen Bürger, denen es gut geht, die keinen Hunger und kein Leid kennen. Die es einfach haben in der Schule, der Ausbildung und auch sonst überall im Leben. Und wie einfach es für diese Gesellschaftsschicht ist, den anderen Steine in den Weg zu legen.

Auf eindrucksvolle Weise stellt die Autorin den Hunger und das Leid dar. Zeigt, wie schnell man durch falsche Anschuldigungen in eine Mühle gerät, aus der man nicht mehr hinauskommt. Sie erzählt vom Schicksal der Russlanddeutschen in der Ukraine aber auch, wie die Sowjetunion mit Menschen umgegangen ist. Wir lesen von Enteignungen. Von Denunzierung Einzelner, die ganze Familien in einen Abgrund stößt. Das ist ein Teil der Geschichte, den ich so in der Schule nicht mitbekommen habe, der aber wirklich interessant zu lesen ist. Und in ihrer Art zu Schreiben bringt die Autorin die Gefühle dieser Zeit, insbesondere die Ängste, den Hunger und die Verzweiflung, absolut authentisch zu Papier. Anfangs hat es etwas gedauert, bis ich wusste, wohin die Reise der Autorin führt. Und bis zum Ende wurde mir nicht klar, was die Geschichte mit dem Glauben der Menschen zu tun hatte und welcher Religion Noah und seine Familie angehörten, dafür muss ich leider einen Stern Abzug geben. Aber die Geschichte selbst, die Entwicklung und der Kampf von Noah und den anderen Protagonisten war so fühlbar lebendig, ich konnte mich absolut hineinversetzen in die einzelnen Personen, habe einen sehr guten Einblick in die Politik dieser Zeit erhalten und bin mehr als gespannt, wie es mit Noah und Jakobine weitergehen wird!

Fazit:
In dem ersten Band ihrer Wege-des-Schicksals-Reihe zeigt uns Ella Zeiss mit der Familie von Noah den „Hunger nach Leben“, den die Menschen dieser Zeit hatten. Wir erleben das Schicksal der Russlanddeutschen in der Ukraine. Erfahren, wie die Sowjetunion mit Volksverrätern umgegangen ist und wie schwer auch deren Familienmitgliedern das Leben gemacht wurde. Dann die harten Winter und die Hungersnot in den 1930er Jahren, der Kampf ums nackte Überleben. Eindrucksvoll hat die Autorin die Bilder und Gefühle dieser Zeit transportiert. Und mit Noah haben wir erlebt, wie hart das Leben war. Wie schwer er kämpfen musste, um trotz der ungerechtfertigten Verurteilung seines Vaters eine Stellung in der Gesellschaft zu finden und mussten erleben, wie er immer wieder gegen Mauern gerannt ist und wie ihm die sog. volkstreuen Genossen Steine in den Weg legen konnten, obwohl er sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen. Seine Geschichte hat mich tief berührt. Anfangs war mir nicht ganz klar, was mit der Religion der Familie gemeint war und worauf genau die Autorin hinausmöchte; einige Dinge musste ich zum Verständnis im Internet nachsehen. Daher muss ich leider einen Stern Abzug geben.

Daher 4 Sterne für dieses beeindruckende Buch und eine klare Leseempfehlung von mir – ich bin schon sehr gespannt, wie es mit Noah und den anderen weitergehen wird!

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Veröffentlicht am 25.08.2022

Cassie ist eine der herzlichsten Protagonisten überhaupt

Wer mit den Toten spricht
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Worum geht’s?
Als Cassies Oma einen Schlaganfall überlebt, erzählt sie ihrer Enkelin die wahre Geschichte über die vermeintlich totgeglaubten Eltern, nämlich dass ihr Vater ihre Mutter ermordet hat. Plötzlich ...

Worum geht’s?
Als Cassies Oma einen Schlaganfall überlebt, erzählt sie ihrer Enkelin die wahre Geschichte über die vermeintlich totgeglaubten Eltern, nämlich dass ihr Vater ihre Mutter ermordet hat. Plötzlich steht eben dieser vor Cassie und beteuert seine Unschuld. Ein Gefühl veranlasst sie, dem tiefer auf den Grund zu gehen und bringt Schreckliches zutage.

Meine Meinung:
Mit „Wer mit den Toten spricht“ schreibt A.K. Turner den zweiten Teil ihrer Thrillerserie um Cassie Raven und wie der erste war auch dieser toll zu lesen. Ich mag den Stil der Autorin, wie sie Personen und Geschehnisse in Szene setzt. Das hat etwas ganz Eigenes und Eindrückliches. Allerdings muss ich auch sagen, dass die Bücher für mich bislang eher Kriminalromane denn Thriller sind, spannend und mitreißend, aber ohne den blutigen Thrill.

Eigentlich sind es zwei Hauptprotagonisten, aus deren Sicht die Autorin im Wechsel erzählt. Einmal Cassie Raven, ich mag sie einfach. Ihre respektvolle und herzliche Art, mit ihren Kunden, den Toten in der Rechtsmedizin umzugehen. Ihres Äußeren wegen, den Goth-Klamotten, Piercings etc. wird sie oft fälschlicherweise in eine Schublade gesteckt, die so gar nicht zu ihr passt. Sie ist zurückhaltend und hat eine Mauer um sich gebaut, aber dennoch absolut empathisch und die Szenen mit den Toten, die die Autorin beschreibt, gehen total zu Herzen. Und zum anderen DS Phyllida Flyte. Sie lernen wir in diesem Band besser kennen. Erfahren mehr über ihre Vergangenheit und was sich hinter ihrem überkorrekten Verhalten verbirgt. Daneben haben wir noch Cassies Oma – sie ist einfach bezaubernd - und Kieran, ihr bester Kumpel, ein Mensch, dem man nur das Beste wünscht.

Wie der erste Teil geht auch dieser für meinen Geschmack etwas zu langsam los. Erst nach und nach kommen wir in die Hauptgeschichte um Cassies Vater und die Nebengeschichten rein. Lesen von Vertuschungen der Polizei in den 1990er Jahren, von den Protestbewegungen in Oakwood, den Undercovereinsätzen der Polizisten. Ab da wird es dann immer spannender und rasanter. Und obwohl ich diesmal eine Menge vorausgesehen habe, hat dies der Spannung dennoch keinen Abbruch getan. Wie die Autorin ab dem zweiten Drittel die Geschehnisse aufeinander aufgebaut hat, unterschiedliche Erzählstränge zueinander geführt hat und es zum Schluss dann Schlag auf Schlag ging, gepaart mit all den sympathischen Charakteren, hat mich die Längen am Anfang schnell vergessen lassen. Eine klare Leseempfehlung von mir und ich freue mich schon auf den 3. Teil der Serie!

Fazit:
Cassie Raven ist wohl eine der sympathischsten Charaktere, denen ich bislang in Thrillerserien begegnet bin. In ihrem zweiten Band „Wer mit den Toten spricht“ schickt A.K. Turner Cassie auf einen sehr persönlichen Fall und auch von DS Flyte erfahren wir viele persönliche Dinge. Dann haben wir es noch mit Undercovereinsätzen in den 1990er Jahren zu tun, Vertuschungsaktionen der Polizei und den Protestbewegungen in Oakwood. Die Story selbst hat anfangs m.E. einige Längen und ist eher ein Kriminalroman als ein Thriller, aber ab dem 2. Drittel nimmt die Geschichte an Fahrt auf und es ist spannend und rasant zu lesen, wie Cassie der Wahrheit Schritt für Schritt näherkommt, bis zum fulminanten Ende des Buchs.

4 Sterne von mir für die Sektionsassistentin mit Herz!

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Veröffentlicht am 13.08.2022

Was Freundschaft schafft

Die Familie
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Worum geht’s?
Antonia und Sofia wachsen gemeinsam in New York auf als Kinder von Mafia-Familien. Von klein auf sind sie eng verbunden, machen nichts ohne die andere. Erst, als Antonias Vater aus dem Mafia-Milieu ...

Worum geht’s?
Antonia und Sofia wachsen gemeinsam in New York auf als Kinder von Mafia-Familien. Von klein auf sind sie eng verbunden, machen nichts ohne die andere. Erst, als Antonias Vater aus dem Mafia-Milieu ausbrechen will und verschwindet, entfremden sich die beiden voneinander. Kann eine Freundschaft einen solchen Verlust überleben?

Meine Meinung:
„Die Familie“ (dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Juli 2022) von Naomi Krupitsky ist ein Roman, der im New Yorker Mafia-Milieu der 1920-1950er Jahres spielt. Das Herz des Buches ist die Freundschaft von Antonia und Sofia, die in dieses Milieu hineingeboren werden. Aber auch von der Flucht der Juden vom 2. Weltkrieg nach Amerika erfahren wir und vom Handel mit gefälschten Pässen. Der Schreibstil war für mich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, weil er anders ist, ich nenne es mal literarischer, als üblich. Mit wenig wörtlicher Rede. Ein bisschen hat mich der Stil an Elena Ferrantes erinnert.

In der Geschichte selbst begleiten wir Antonia und Sofia auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Anfangs fiel es mir etwas schwer, in den Schreibstil und damit in die Geschichte hineinzukommen. Was vielleicht daran lag, dass viel aus der Sicht von kleinen Mädchen geschrieben wurde. Meine Hochachtung dafür an die Autorin, dass sie sich so hervorragend in diese Altersgruppe hineinversetzen kann – wie auch in jede andere Altersgruppe. Es war absolut authentisch und wirklich spannend zu lesen, aber eben etwas schwerfällig für mich. Als die beiden größer waren, fiel es mir leichter. Und es war schön zu sehen, wie die beiden, auch wenn das Leben sie immer wieder auseinandergeführt hat, ihre tiefe Freundschaft immer halten konnten und wiedergefunden haben. Das ist wirklich wahre Freundschaft, die alles überstehen kann.

Das Buch selbst war spannend zu lesen. Und einfach rührend, wie die Autorin die Bande zwischen den Mädchen und auch die Bande der Mafia-Familie beschrieben hat. Wie alles zusammenhängt. Wie die Familie wächst, Mitglieder rekrutiert, Zeichen setzt. Spannend aber auch erschreckend. Und wie Antonia und Sofia selbst erwachsen werden, Familien bekommen und obwohl sie alles anders machen wollen, doch nicht aus den Fußstapfen der Familie hinauskönnen. Eine wirklich wundervolle und unterhaltsame Geschichte die in einer Art erzählt ist, die sehr daran erinnert, wie man sich erinnert. Ein anderer aber sehr eindrucksvoller Schreibstil. Ich würde zu gerne in einem weiteren Band erfahren, wie es mit Antonia, Sofia und ihren Familien weitergeht, besonders nach dem fulminanten Ende, das wir hier noch erleben durften. Wer sich auf einen anderen Schreibstil einlassen und in das Leben der Mafia zur Zeit um den 2. Weltkrieg mehr erfahren möchte, der ist hier genau richtig!

Fazit:
Mit „Die Familie“ nimmt uns Naomi Krupitsky mit ins New York der 1920-1950er Jahre. Wir sehen die Freundinnen Antonia und Sofia gemeinsam aufwachsen und dürfen die Höhen und Tiefen ihrer Freundschaft miterleben. Eine Freundschaft, die so innig und tief ist, dass sie alles übersteht. Und wir erleben wie es ist, im Mafia-Milieu aufzuwachsen unter Menschen, die einen fürchten. Und zugleich erleben wir den ewigen Kampf mit, an der Macht bleiben und Entscheidungen treffen zu müssen, die schmerzen. Dann noch der Schreibstil der Autorin, der mich mit der wenigen wörtlichen Rede und fast schon der Perspektive eines Menschen, der in Erinnerungen schwelgt, stark an Elena Ferrantes erinnert hat. Ein Stil, der anfangs gewöhnungsbedürftig ist und dann aber umso tiefer unter die Haut geht. Lediglich der Beginn des Buches war etwas schwierig für mich zum Einsteigen, aber dann war es umso mitreißender.

4 Sterne von mir, vielleicht erfahren wir ja in einem weiteren Buch, wie es mit den Freundinnen und ihren Familien weitergeht!

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Veröffentlicht am 06.08.2022

Verwirrende Blicke in das Gehirn eines Psychopathen

Verirrt
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Worum geht’s?
Die Leiche einer Frau wird schrecklich inszeniert in einer Badewanne aufgefunden. Carmen Kollinger und ihr Kollege Matthias Zastrow übernehmen den Fall und die Spur führt sie schnell in eine ...

Worum geht’s?
Die Leiche einer Frau wird schrecklich inszeniert in einer Badewanne aufgefunden. Carmen Kollinger und ihr Kollege Matthias Zastrow übernehmen den Fall und die Spur führt sie schnell in eine Nervenheilanstalt, in der nichts mit rechten Dingen zuzugehen scheint.

Meine Meinung:
„Verirrt“ (Amazon Publishing Deutschland, August 2022) ist der erste Teil der Carmen-Kollinger-Krimireihe und wenn ich es richtig gesehen habe, sogar das erste Buch überhaut von Nika Michaelis. Mit diesem Buch hat sie sich ihren Traum vom Schreiben erfüllt und ich muss sagen, damit startet sie wirklich gut. Die Wechsel von den Gedankengängen des Täters, in den Kopf des Opfers und zu den Ermittlern ist wirklich gelungen und auch wenn es seicht beginnt, steigt die Spannungskurve am Ende doch immer steiler an.

Mit den Kommissaren Carmen und Matthias haben wir zudem einmal ein Ermittlerteam, das auf Augenhöhe agiert ohne irgendwelche Spannungen oder möglichen Liebschaften zwischen ihnen, sondern einfach bodenständige, gute Kollegen. Beide mit den üblichen menschlichen Problemen, die aber nicht zu sehr angesprochen werden. Linus, Carmens Sohn, hat mir auch gut gefallen. Jung, Medizinstudent und ein echtes Superbrain, dennoch aber auch ein Jugendlicher. Sehr gut gelungen auch die Charaktere aus der Klinik, die Einblicke in die Gedankenwelt der psychisch Kranken war wirklich interessant. Anders und sehr gelungen. Überhaupt die Darstellung des Lebens in dieser Klinik, das interne Nachrichtensystem, die internen Regeln und Ränge. Das war genial!

Die Story selbst startet langsam. Fast hat man das Gefühl, als kommt die Autorin mit ihrem ersten Buch so langsam in das Thema Schreiben hinein. Teilweise waren mir anfangs die Sätze ein bisschen zu ausschweifend, aber das hat sich schnell gegeben und nach dem ersten Drittel war es einfach nur noch genial, rasant und vor allem der Gedanken hinter der Geschichte – der Hammer! Diese Idee ist anders und die Autorin hat sich gefühlt mit jedem Protagonisten selbst in eine ganz neue Rolle hineinversetzt, so differenziert waren die Schreibweisen aus den unterschiedlichen Perspektiven. Am Ende wollte ich dann einfach nur noch weiterlesen und mehr wissen. Was ich auch sehr schön finde ist, dass das Buch mit einer Ansprache des Täters beginnt und auch damit endet. Ein Buch, das in sich wie ein geschlossener Kreis wirkt, aber dennoch auch ein offenes Ende hat und neugierig hält. Ein wirkliches Trigger-Ende, das einen noch eine Weile beschäftigt und ich hoffe jetzt schon, bald den nächsten Band in Händen zu halten!

Fazit:
Mit ihrem Kriminalroman „Verirrt“ startet Nika Michaelis in ihre Serie um die Ermittlerin Carmen Kollinger. Die Charaktere sind perfekt besetzt und was langsam, fast ein bisschen zu vorsichtig beginnt, steigert sich schnell zu einem rasanten Fall, der anders und spannend ist. Besonders gelungen sind der Autorin die unterschiedlichen Erzählperspektiven. Fast mit jedem Kapitel schlüpft sie in eine komplett andere Rolle – am besten haben mir die Einblicke in die Gedankenwelt des Psychopathen und der Opfer gefallen. Anfangs war ich noch etwas verunsichert, aber zum Ende hin konnte mich das Buch voll überzeugen. Die Welt in der Nervenheilanstalt war für mich ein besonderes Highlight. Die Darstellung der Gebräuche und Regeln dort sehr gelungen.

4 Sterne von mir und ich bin schon jetzt gespannt auf den zweiten Band und die Abgründe, in die uns die Autorin dann führen wird!

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Veröffentlicht am 12.07.2022

Ein ausdrucksstarker Roman über die Gesellschaftsschichten von Paris

Die Arena
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Worum geht’s?
In einem kleinen Laden wird Benjamin Grossmanns Handy gestohlen. Er verfolgt den Jugendlichen, den er als Täter vermutet, um ihn zur Rede zu stellen. Am nächsten Tag wird der Junge von einer ...

Worum geht’s?
In einem kleinen Laden wird Benjamin Grossmanns Handy gestohlen. Er verfolgt den Jugendlichen, den er als Täter vermutet, um ihn zur Rede zu stellen. Am nächsten Tag wird der Junge von einer Polizistin tot aufgefunden, die mit einem Fußtritt versucht, den vermeintlich Bewusstlosen zu wecken. Kurz darauf geht ein Video über diese angebliche Polizeigewalt viral.

Meine Meinung:
In ihrem Gesellschaftsroman „Die Arena“ beschreibt Négar Djavadi eindrucksvoll die Gesellschaftsschichten in Paris. Ihr Schreibstil lässt die unterschiedlichen Milieus lebendig werden. Die Viertel der Reichen, der Ärmeren, die Gangs und die Lager der Immigranten.

Mit Benjamin Grossmann lernen wir die gehobene Pariser Schicht kennen. Er stammt aus einem ärmeren Viertel, in dem seine Mutter noch immer wohnt. Zu ihr hat er kaum mehr Kontakt, hat ein neues Leben begonnen. Ohne Sorgen. Es ist so schön wie schade zu sehen, wie er und seine Mutter tief verbunden sind und sich dasselbe voneinander wünschen, ohne es auszusprechen. Mit Asya Baydar erleben wir die Mittelschicht. Sie ist Polizistin und gerät aufgrund eines zusammengeschnittenen Videos, das viral geht, in den Mittelpunkt von Ermittlungen wegen Polizeigewalt. Sie, die als Ausländerin und eine der wenigen Frauen bei der Polizei zu einer Minderheit zählt, die sich hart hochgearbeitet hat und alles gibt erlebt, wie schnell das Leben durch ein kurzes Video zerstört werden kann. Und mit Camille alias @corky und den Jungs aus ihrem Viertel erleben wir die ärmere Schicht. Die Gangs. Anhand von ihnen und den Immigranten, wie z.B. Amir, zeigt Négar den Kampf ums Leben und Überleben. Und mit dem Journalisten Stéphane Jahanguir sehen wir, wie der Erfolgsdruck und Drogen ein Leben beeinflussen können.

Am Anfang habe ich etwas gebraucht, um in das Buch hineinzukommen, da die ersten Kapitel zwischen den unterschiedlichen Hauptprotagonisten doch etwas gesprungen sind. Als ich alle dann zugeordnet hatte, war das Buch aber umso spannender. Die Autorin hat uns mit hineingenommen in das bunte Leben von Paris. Mit Camilles Video haben wir gesehen, wie schnell man seine 5 Minuten Ruhm bekommt, wie schnell Leben zerstört werden können und wie schnell alles wieder vergessen ist. Und wir haben erlebt, wie Eskalation entsteht und die Leute aufgehetzt werden. Gut haben mir auch die unterschiedlichen Darstellungen der Arrondissements gefallen, nur ein paar Blocks auseinander und schon ist man in einer komplett anderen Welt. Das Buch ist ein Roman, der die Gesellschaft Paris auf wunderbare Weise widerspiegelt und uns am Leben einzelner Personen teilhaben lässt. Es gibt spannende Momente, es gibt Morde, es gibt lebensverändernde Ereignisse und es ist von Anfang bis Ende wirklich interessant zu Lesen. Man merkt, dass die Autorin in dieser Stadt lebt und einen tiefen Einblick hat – dieses Buch atmet Paris!

Fazit:
Négar Djavadi lässt in ihrem Gesellschaftsroman „Die Arena“ Paris lebendig werden. Wir erleben die Stadt und ihre unterschiedlichen Milieus. Mit Benjamin Grossmann lernen wir die wohlhabende Bevölkerungsschicht kennen. Und wir sehen, wie eine Verwechslung ein ganzes Leben ändern kann. Ein bisschen leidgetan hat mir, dass er und seine Mutter dasselbe voneinander wünschen, es sich aber nicht auszusprechen trauen. Dass die beiden eigentlich eine tiefe Verbindung haben, die aber versteckt ist. Mit Camille erleben wir, wie schnell man mit einem Video 5 Minuten Ruhm erlangt. Und wie ein Video, das viral geht, Leben zerstören kann, obwohl es die Allgemeinheit schon einen Tag später wieder vergessen hat. Mit ihr bekommen wir auch einen Eindruck in die Welt der dort lebenden Immigranten und den Drogenhandel. Und anhand der Polizistin Asya, genannt Sam, erleben wir, wie gegen Polizeigewalt vorgegangen wird. Und wie mit gezielt geschnittenen Videos Leben zerstört werden können. Das Buch gibt ein eindrucksvolles Bild von Paris ab und ist zugleich spannend, erhellend und wirklich interessant zu lesen. Lediglich am Anfang hatte es einige Längen, bis ich in dann in die Geschichte eintauchen konnte.

4 Sterne für diesen spannenden Gesellschaftsroman über eine lebendige Stadt der Unterschiede und Kulturen!

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