Emily versucht einfach nur ihre Vergangenheit zu vergessen. Sie verlässt die Stadt, ihr Haus und ihre Familie um in London unter ihrem bürgerlichen Namen ein neues Leben anzufangen. Niemand weiß wohin sie weggelaufen ist und sie möchte keinesfalls gefunden werden. Schnell lernt Emily neue Menschen kennen, kommt anfangs sogar sehr gut zurecht und doch drehen sich schon bald ihre Gedanken immer öfter um ihr altes Leben, sodass sie radikalere Wege einschlägt um das Ganze verdrängen zu können. Doch welches Ereignis war ausschlaggebend für den Entschluss neu anzufangen?
Meine Meinung:
Ich würde diesen Roman nicht unbedingt in die Thriller oder Krimi Kategorie einordnen, da er am ehesten einem Familiendrama nahe kommt.
Es ist ein gut geschriebenes Debüt, das vor allem durch die Rückblenden lebt, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt sind und die hinzu von verschiedenen Ereignissen handeln. So bekommt man einen guten Einblick in die tiefen Abgründe von Emilys Familienmitgliedern, darunter die ganzen Probleme zwischen ihren Eltern, das Leben ihrer kaputten Zwillingsschwester Caroline und man erfährt auch einiges über die Vergangenheit von Angel, ihrer neuen Freundin in London. Keiner von den Protagonisten –mal von Ben abgesehen- scheint auch nur annähernd perfekt zu sein, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Und auch wenn die Rückblenden größtenteils interessant sind um mehr zu erfahren, da Emily es vermeidet an die Vergangenheit zu denken, sind sie zum Teil auch sehr verwirrend, weil sie ganz plötzlich kommen und manchmal ist es auch nicht direkt ersichtlich aus welcher Sicht und zu welcher Zeit es sich abspielt. Außerdem wirken einige Abschnitte, die die aufkommende Spannung zunichte machen, viel zu langatmig und im Nachhinein auch teilweise sinnlos.
Man versucht als Leser alle Teilstücke, die man bekommt zusammenzusetzen um herauszufinden was der Grund für Emily’s Verschwinden sein könnte. Die Autorin Tina Seskis legt gekonnt falsche Fährten aus und weiß genau wie man den Leser ans Buch fesselt. Man stellt sich die Frage was Emily zu dem Entschluss sich ein neues Leben aufzubauen bewogen hat, was sie Schreckliches erlebt hat und ob vielleicht sogar ihr Mann Ben und Charlie in Gefahr sind, sodass es ihre einzige Möglichkeit war wegzulaufen. Nur dadurch, dass man unbedingt wissen möchte was vorgefallen ist, wird Spannung erzeugt, denn erst gegen Ende wird die Auflösung preisgegeben.
Schon am Anfang werden wir mitten in die Geschichte geworfen und dürfen miterleben wie sich Emily ihren Ehering auf der Bahnhofstoilette liegen lässt und mit dem nächsten Zug nach London fährt. Es klingt faszinierend wie eine Frau einen Neuanfang wagen möchte und obwohl sie zu Beginn sehr gefasst wirkt, wird mit der Zeit deutlich wie sehr ein gewisses Ereignis sie in der Vergangenheit getroffen hat. Es ist schwer ihre Emotionen und Handlungen nachvollziehen zu können, wenn man nicht weiß womit sie zusammenhängen und genauso schwer ist es eine Verbindung zu ihr herzustellen. Obwohl sie eine Anwältin war, kann man in ihrem Verhalten davon nichts wiedererkennen. Sie ist unsicher, lässt sich schnell zu etwas verleiten und trifft folgenschwere Entscheidungen über die man nur mit dem Kopf schütteln kann. Wie kann eine Frau, die scheinbar ein tolles Leben geführt hat alles zurücklassen? Die Auflösung ist bewegend und doch hätte ich mir ein ausführlicheres Ende gewünscht, weil es auf den letzen Seiten viel zu schnell abgehandelt wurde und mich leider auch nicht ganz überzeugen konnte. Da hätte man von mir aus gerne ein paar Einkürzungen im Mittelteil machen können aber doch nicht dann wenn es darum geht endlich ein paar Antworten zu bekommen. Auch wenn es eine überraschende Wendung gab mit der ich nie gerechnet hätte, blieb ich etwas unzufrieden zurück.
Fazit:
Ein gut geschriebenes Debüt mit neuer Idee und interessanten Wendungen, das mir zeitweise jedoch zu langatmig war und bei dem ich mir mehr Spannung gewünscht hätte. Wer Familiendramen mag ist hier auf jeden Fall genau richtig. Ich vergebe 3 Sterne, denn auch wenn mich der Roman gut unterhalten hat kann ich die negativen Aspekte nicht ignorieren.