Poetische, tief berührende Biografie mit wenigen "Erzähl-Lücken"
Aus dem Staub erhebst du michAutobiografien gibt es viele. Diese aber ist besonders.
Im Original lautet der Titel schlicht „Dirt“, was man mit „Staub“, aber auch mit „Dreck“ übersetzen kann. Mary Marantz wächst in ärmlichen Verhältnissen ...
Autobiografien gibt es viele. Diese aber ist besonders.
Im Original lautet der Titel schlicht „Dirt“, was man mit „Staub“, aber auch mit „Dreck“ übersetzen kann. Mary Marantz wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und lebt mit ihren Eltern in einem Trailer, also einem großen Wohnwagen, wie sie in den USA viele Menschen dauerhaft bewohnen. Der erste Teil ihrer Kindheit ist geprägt vom Umherstreifen in der Natur, der Liebe ihrer Eltern und Großmutter und viel, viel Staub, der sich einfach nicht aus dem Trailer heraushalten lässt. Mit poetischen Worten beschreibt sie die Schönheit eines Lebens, in dem es wenig Luxus, aber viel Abenteuer gab.
Als sie 9 Jahre alt ist, verlässt ihre Mutter die Familie, was tiefe Narben bei ihr hinterlässt. Aus dem „Mädchen im Trailer“ wird nach ihrem Highschoolabschluss „Das Mädchen nach dem Trailer“, wie die zwei großen Abschnitte des Buches heißen. Als erste in ihrer Familie macht sie einen College- und Universitätsabschluss und kämpft jahrelang mit dem Gefühl, nirgendwo dazuzugehören. Schließlich entscheidet sie sich gegen eine Karriere als Anwältin und folgt dem Ruf nach mehr …
Es gibt viele Berichte von Menschen, die keinen idealen Start im Leben hatten und „es“ trotzdem geschafft haben. „Aus dem Staub erhebst du mich“ ist jedoch viel mehr als die Erfolgsgeschichte einer Einzelperson. Es ist eine Hymne an das Leben und voller tiefer Einsichten in das, was eigentlich unser Menschsein ausmacht. Eine Geschichte über Verlust und Versöhnung, über Schmerz und Heilung. Und ja, auch über Gott. Aber er ist so sehr verwoben mit Mary Marantz´ Leben, dass es nie komisch oder aufgesetzt wirkt, wie sie über ihn schreibt.
Einige Passagen in Marys Buch haben mich tief berührt und sind noch lange in mir nachgehallt. An anderen Stellen blieben – auch durch die nicht-chronologische Erzählweise – Fragen bei mir offen. So beschreibt sie in einem Kapitel, wie sie von einem Fremden vergewaltigt wurde, thematisiert dieses Erlebnis jedoch an keiner anderen Stelle im Buch. Ich erwähne es daher hier auch als Triggerwarnung.
Mein Fazit: „Aus dem Staub erhebst du mich“ ist eine wunderschöne Geschichte über Versöhnung mit der eigenen Vergangenheit, hervorragend übersetzt von Karoline Kuhn, und sehr, sehr lesenswert, trotz mancher „Erzähl-Lücke“.