viel Licht und viel Schatten
„Weil ich ihn, obwohl ich ihn hasse, immer lieben werde. Weil er mich auf eine Weise berührt, wie das wahrscheinlich nie wieder jemand tun wird. Weil er mich retten konnte, ohne mich zu ersticken.“
(Lavender ...
„Weil ich ihn, obwohl ich ihn hasse, immer lieben werde. Weil er mich auf eine Weise berührt, wie das wahrscheinlich nie wieder jemand tun wird. Weil er mich retten konnte, ohne mich zu ersticken.“
(Lavender über Kodiak in My one and only)
Worum geht’s?
Lavender Waters’ ständige Begleiter sind die Angst-Monster in ihrem Kopf, die sie immer wieder überwältigen. Als sie ihr Studium an einem neuen College beginnt, soll sie deswegen bei ihren älteren Brüdern wohnen, damit diese auf sie aufpassen können. Doch dort trifft Lavender auf den Menschen, der ihre Gefühle durcheinanderbringt wie kein anderer: ihr ehemaliger Kindheitsfreund Kodiak Bowman! Aber von dem fürsorglichen und vertrauten Jungen von damals ist schon lange nichts mehr zu spüren - Kodiak verhält sich ihr gegenüber unnahbar und arrogant. An dem Tag, als er Lavender das erste Mal von sich stieß, zerbrach ihr Herz in tausend Scherben, und diesen Schmerz spürt sie bis heute. Deswegen hat sie auch kein Interesse, ihn wieder in ihr Leben zu lassen. Sie will ihn hassen - aber dafür liebt sie ihn noch viel zu sehr ...
My one and only ist ein in sich geschlossener Einzelband, der im Original jedoch weitere Teile und der Bezug zur Gamechanger Reihe hat, da hier zum Teil der Eltern der Charaktere vorkommen. Es werden jedoch keine Vorkenntnisse benötigt.
Inhaltliche Hinweise
Die Geschichte wird durch Lavender und Kodiak in Ich-Perspektive erzählt. Das Buch beinhaltet expliziten sexuellen Content. Das Buch beinhaltet triggernde Thematiken wie Panikattacken und Angststörungen.
Meine Meinung
My one and only ist das erste Buch, welches ich von Helena Hunting gelesen habe. Ich muss gestehen, dass mich zuerst das Cover angesprochen hat und dann war es der Klappentext, der mich catchen konnte. In vielerlei Hinsicht war dieses Buch eine Überraschung, aber auch eine Herausforderung. Eins kann ich aber direkt von Anfang an festhalten: Dieses Buch ist ein Wolf in einem zuckerzarten Rosa-Schafspelz. Hiervon sollte man sich nicht täuschen lassen.
Die Geschichte um Lavender und Kodiak ist komplex. Der Klappentext wirkt so unschuldig, so gewöhnlich. Aber direkt der Start in das Buch zeigt, dass hier viel mehr verborgen liegt. Das Buch spielt schlussendlich auf zwei Zeitebenen: Die Vergangenheit und die Gegenwart. Die Vergangenheit hat es in sich: Ein höchsttraumatisches Erlebnis in der Kindheit bestimmt fortan das Leben von Lavender, von ihrer Familie, ihren Brüdern und auch von Kodiak, ihrem besten Freund. Ich möchte hierzu nicht zu viel sagen, da man es erleben muss. Den Schmerz, die Verzweiflung, das Chaos. Es geht um Abhängigkeit und um Hilflosigkeit, um Hoffnung und Stärke. Kodiak und Lavender müssen viel durchmachen, miteinander, füreinander und wegen einander. Es war etwas, was mich total an dieses Buch gefesselt hat, weil ich beim Lesen selten derart starke und verwirrende Gefühle hatte, wie hier. Es fühlt sich falsch an, alles fühlt sich falsch an, aber gleichzeitig so richtig. Diese starke Verbindung, die auf einer Ebene funktioniert, die ungut ist. Man merkt es als Leser, aber gleichzeitig merkt man, dass es das einzige ist, was ihnen Kraft gibt. Ich war verwirrt, abgestoßen und gleichzeitig berührt davon, wie Kodiak und Lavender zueinander stehen. In gewisser Weise handelt es sich unzweifelhaft um eine toxische Verbindung der beiden, aber auf einer anderen Ebene als der normalerweise bestehenden Über-Unter-Ordnung. Es ist Abhängigkeit, aber auf einem ganz anderen Level. Da ist die zarte, zerbrechliche Lavender, die ständig Ängsten ausgesetzt ist und die sich dabei in selbstverletzendem Verhalten verliert. Und da ist Kodiak, ihr starker Retter, der an seiner Perfektion und seinen Schutzgedanken zugrunde geht. Der Aspekt der Geschichte war fantastisch und hochgradig mitreißend verfasst.
Der zweite Zeitstrang der Geschichte, die Gegenwart, spielt im College-Alter der Charaktere. Hier erfährt man, dass Lavender gerade an das College zu ihren Brüdern gezogen ist und sie anfängt, irgendwie ihr Leben zurückzugewinnen. Das ist gewiss nicht einfach, weil alle sie in Watte packen. Ihre Brüder sind unnormal beschützend, wer nur in ihre Richtung blinzelt, kriegt regelmäßig eine Faust gezogen. Lavender ist mittlerweile deutlich selbstbewusster, hat ihre Ängste etwas in Griff bekommen und versucht, irgendwie hier ihren Weg zu gehen. Blöd nur, dass sie auf Kodiak trifft. Zwischen den beiden herrscht eine gewaltige Anspannung, jede Menge Hass und ganz viel Verzweiflung. Es dauert ein wenig, bis der Leser versteht, wieso das so ist. Das liegt auch daran, weil immer wieder Gegenwart und Vergangenheit gemischt wird und so die Frage, wieso in der Gegenwart beide so viel Abneigung füreinander hegen, immer wieder eine der Hauptpunkte ist. Doch mit dem Verlauf der Geschichte erfasst man nach und nach diese ungewöhnliche Form der Katastrophe, der gefährlichen Abhängigkeit, des gegenseitigen Erdrückens. Hier fangen dann aber auch die Probleme des Buches leider an…
Ich war wirklich gefesselt von der ersten Hälfte des Buches. Die gesamte Thematik mit der gegenwärtigen Abneigung, der im positiven Sinne unangenehmen Vergangenheit und der sich nicht gut, nicht richtig anfühlenden Verbindung von Lavender und Kodiak hat mich wirklich gecatcht. In der Gegenwart war da für mich aber so viel Abneigung, auch mit dem Hintergrundwissen um deren ungesunde Beziehung, dass ich mich stets gefragt habe, wie die Autorin das eigentlich hinbiegen und retten will. Hinzu kommt, dass das Collegeleben sehr bildlich, schnelllebig und stereotypisch eingebaut wird. Es gibt tausende Nebencharaktere, die Sportler sind, fiese Puckbunnys, die sich durch das Haus schlafen, es gibt andauernd Party und Alkohol, man hängt andauernd zockend auf dem Sofa. Zwar haben mich gerade Lavenders Brüder und ihre Familie immer wieder etwas unterhalten, es gibt rasante Wortgefechte, aber leider auch jede Menge fragwürdige Ereignisse, Stress und Neandertaler-Gehabe. Jedenfalls schafft die Autorin es in meinen Augen nicht, den Bogen zu ziehen. Alle greifen Kodiak an, die Familien beäugen die gegenwärtige Verbindung mehr als kritisch, Kodiak und Lavender machen sich regelrecht fertig – und dann, zack, ist alles gut. Es ist kein Witz, wenn ich sage, dass das letzte Drittel des Buches hochgradig unangenehm war, aber im negativen Sinne. Für mich fast aus dem Nichts entlädt sich die feindselige Anspannung zwischen Kodiak und Lavender in einer sexuell explosiven Art, die sehr explizit und sagen wir mal, sehr interessant, dargestellt wird. Es fühlte sich für mich nicht gut an, es war nichts geklärt, es stand alles auf wackeligen Beinen und alle klatschen in die Hände voller Verzücken, ganz ohne Probleme. Davon abgesehen möchte ich auf die expliziten Szenen, die sich für mich wahnsinnig cringe angefühlt haben, gar nicht weiter eingehen. Es war einfach nicht meins. Die Autorin hat eine gute Grundstory aufgebaut, der sie eine starke Liebesgeschichte mitgeben wollte, aber einfach an den Grundfesten scheitert, überhaupt in der Gegenwart ein greifbares Fundament zu bauen. Es ist fast so, als wäre im Verlauf des Buches die gesamte Vorgeschichte, die ganzen Streitereien, das ganze böse Blut vergessen und es wird nur noch gerammelt und möglichst kreativ irgendwelche Sexszenen eingebaut. Die Liebesgeschichte funktionierte für mich leider nicht, das ganze letzte Drittel hat mich nicht überzeugen können. An einer Stelle im Buch fragt Kodiak Lavender, ob das mit ihnen nicht zu reparieren sei. Meine ehrliche Antwort: In meinen Augen nicht, nein. Es hat sich für mich zu falsch, zu schnell, zu wenig nachvollziehbar angefühlt. Und so beendete ich das Buch mit großen Zweifeln, jeder Menge Enttäuschung und vielleicht auch eine gewissen Portion Frust.
Mein Fazit
My one and only fängt stark an, überrascht mit einer ungewöhnlichen Grundidee und einer anderen Form der toxischen Abhängigkeit, verliert dann aber leider komplett die Bodenhaftung und verkommt zu einem wenig nachvollziehbaren Sexroman, bei dem irgendwie nichts mehr ge- und erklärt wird. Bis zur Hälfte fand ich das Buch fantastisch, danach hätte ich die Geschichte fast schon gern aus meinem Gehirn gelöscht. Schade drum, da war so viel Luft nach oben.
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, das mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]