Jüdisches Schicksal in Österreich
IsidorShelly Kupferberg hat das Leben ihres Urgroßonkels Isidor aufgezeichnet. Recherchiert in Akten, Dokumenten, Briefen und auch in Erinnerungen ihres Großvaters.
Isidor wuchs mit seiner Familie in Ostgalizien ...
Shelly Kupferberg hat das Leben ihres Urgroßonkels Isidor aufgezeichnet. Recherchiert in Akten, Dokumenten, Briefen und auch in Erinnerungen ihres Großvaters.
Isidor wuchs mit seiner Familie in Ostgalizien unter ärmsten Bedingungen auf. Um mehr aus diesem Leben zu machen, zog es mit Ausnahme des traditionellen orthodoxen Vaters die Familie Richtung Wien, der damaligen Kulturmetropole Nummer 1 in Europa. Und diese Entscheidung schien absolut richtig zu sein. Isidor absolviert ein Studium und nutzt die von der Inflation geprägten 20er Jahre des 19. Jahrhunderts um einen ordentlichen Reichtum anzuhäufen. Er wird zum Kommerzialrat ernannt und erfreut sich neben seinem Reichtum auch der schönen Künste, die Wien zu bieten hat und die er sich inzwischen ganz bequem erlauben kann. Er ist ein Mann von Welt mit genügend Einfluss in gehobenen Kreisen und verfügt über Stil und herrisches Auftreten. Keine Frage: Isidor hat es geschafft!
Leider hat er die Nationalsozialisten nie wirklich als ernsthafte Bedrohung aufgefasst. Was soll einem wichtigen und einflussreichen Mann wie ihm schon passieren? Doch dieser Mann hat einen riesigen Makel, den man nicht einfach mit Geld auslöschen kann - er ist Jude. Was das bedeutet, muss er am Tag nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland bitter erfahren...
Die Geschichte ihres Ahnen hat Shelly Kupferberg nach sicher sehr umfangreichen und aufwendigen Recherchen gekonnt zu Papier gebracht. Auf recht distanzierte Weise, was gewisse Passagen erträglicher macht.
Leider hatte ich manchmal das Gefühl, dass der Fokus gar nicht auf Isidor lag, sondern sehr viel um seine Mitmenschen beschrieben wurde. Ein großer Part lag z. B. auf seiner Geliebten Ilona Hajmassy, die später in Hollywood Kariere machte. Das ist zwar verständlich, aber trotzdem fand ich es etwas störend, denn eigentlich interessierten mich Isidor und sein Neffe Walter deutlich mehr.
Sehr aufschlussreich waren die Erläuterungen zum Umgang mit jüdischem Vermögen und welche Schikanen erdacht wurden, nur um die jüdischen Mitbürger zu zermürben und zerstören. Dass dies alles schon recht früh geschah, noch vor Kriegsbeginn, finde ich tatsächlich erschreckend und entlarvend. Wie schnell der ganz normale Mensch und bisherige Nachbar zum Mitläufer, Denunzianten und Sadisten werden kann ist einfach nur unfassbar für mich. Ich hoffe sehr, dass sich so etwas niemals wiederholen wird!
Fazit: Ein erschreckendes und aufklärendes Stück Zeitgeschichte