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Veröffentlicht am 10.10.2022

Andersartig, aber doch auch typischer Mittelteil

This Charming Man
3

Wenn ich im Buchladen ein Regal ignoriere, ist es häufig mit “Fantasy” angeschrieben: Mit diesem Genre tue ich mich generell eher schwer und liebe Bücher dieses Fachs mitunter aber dann doch sehr, wenn ...

Wenn ich im Buchladen ein Regal ignoriere, ist es häufig mit “Fantasy” angeschrieben: Mit diesem Genre tue ich mich generell eher schwer und liebe Bücher dieses Fachs mitunter aber dann doch sehr, wenn sie zugleich unter „Humor“ fallen, und skurriler Humor von der Insel sammelt generell zusätzliche Pluspunkte bei mir: Den ersten Band der (voraussichtlichen) Trilogie rund um die Stranger-Times-Redaktion hatte ich sehr gefeiert, da ist „This Charming Man“ nun in sehr große Fußstapfen getreten – und obschon ich diesen Roman wiederum sehr gerne gelesen habe, hat er die vorgelegten Spuren doch nicht ganz ausfüllen können.
Ein bisschen krankt „This Charming Man“ ebenfalls am für mich häufig typischen Problem des Serien-Mittelbandes: Dass er eine eigene Geschichte erzählen muss, die an den vorhergehenden Band anknüpft, aber noch genug erwartbare Handlung für den nächsten Band offenlässt, in dem sich erst wirklich alles aufklären darf.
Dass „This Charming Man“ nun mit einer Vampir-Thematik aufwartete, habe ich als sehr positiv empfunden; nicht, weil ich Vampirgeschichten ganz gerne mag, sondern weil im ersten Band eben null Vampirismus auftauchte und es hier somit um ganz andere „Monster“ ging, wobei die bereits bekannten magischen Gestalten allesamt abstritten, dass es Vampire überhaupt gäbe – was nun den Kern der Recherchen der Redaktion abbildete: denn da draußen fielen ganz eindeutig Menschen auf, die plötzlich alle Merkmale von Vampiren aufwiesen, aber wenn es doch keine Vampire gäbe, hätte doch auch niemand derart auffallen können?!

Manny kam in diesem Band nun kaum vor, was ich schade fand, aber dafür traf man umso mehr, auch abseits Hannahs, mit den restlichen Redaktionsmitgliedern zusammen; während sich Band 1 noch sehr auf Hannah fokussiert hatte, gab es in diesem Fall nun nicht den einen übermäßig in den Mittelpunkt gestellten Mitarbeitenden der Stranger Times. Da fand ich das „Aufmerksamkeitsverhältnis“ nun deutlich gleichmäßiger und mir ist aufgefallen, dass ich auch gar nicht den oder die eine von der Stranger Times benennen könnte, der oder die mir am Liebsten ist. Da sind mir alle gleichermaßen ans Herz gewachsen, selbst der bärbeißige Banecroft, der hier mitunter erstaunlich freundschaftliche und einfühlsame Züge zeigt.
Allerdings zerstreut sich die Redaktion hier wiederum frühzeitig und ermittelt in kleineren Teams in diverse Richtungen: hier treten sehr viele neue Figuren auf den Plan, dass es tatsächlich sinnvoll sein kann, sich während des Lesens eine grobe Personenübersicht zu notieren. Einige dieser Charaktere spielen für die Hauptgeschichte hier letztlich keine Rolle und da ist zu vermuten, dass sie in Zusammenhang mit ein paar offenbleibenden Dingen stehen und entsprechend im dritten Band nochmals einen (größeren) Auftritt haben werden. Da könnte es sich dann auch als praktisch erweisen, wenn man da während des Lesens noch auf diese Notizen zurückgreifen könnte. (Ich hatte vor „This Charming Man“ tatsächlich den ersten Band nochmals überflogen; generell würde ich auch unbedingt dazu raten; und es gab nun dennoch Momente, während derer ich dachte: „Warte mal… wurde das im ersten Band schon erwähnt, was mit dieser oder jener Person (geschehen) ist?“ Ich bin festen Willens, den dritten Teil definitiv auch zu lesen und werde zuvor die ersten beiden Bände bestimmt nochmals lesen und mir dabei auch eine Personenkarte erstellen. Prinzipiell wäre es natürlich schön, wenn es in den einzelnen Bänden nun entsprechende „Stammbäume“ gäbe.)

Der Schluss von „This Charming Man“, erneut ein Showdown, hat mir im Übrigen besser als jener des vorgängigen Bandes gefallen: Der war dieses Mal „geordneter“ und meinem Empfinden nach klarer nachzuvollziehen; die anschließende Danksagung war auch wieder sehr lesenswert, wobei mir das „Zukunftsorakel“ aus dem ersten Teil doch noch klar besser gefallen hatte.

Insgesamt war „This Charming Man“ für mich nun eine durchaus gelungene Fortsetzung, die einem mittleren Band entsprechend aber doch auch irgendwie in der Schwebe hängenblieb und mir einmal mehr deutlich machte, dass ich Reihen Serien definitiv vorziehe. Aber ich werde garantiert nicht ohne den dritten Band dieser Serie bleiben!

Veröffentlicht am 04.10.2022

Digitale Extras wären noch toll gewesen!

Lina Knut. Schülerin, Gamerin, Weltenretterin
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Die Protagonistin Lina ist just in die 5. Klasse gekommen und spielt in ihrer Freizeit sehr gerne, auch im Onlinestream, das Abenteuer-Computerspiel „Aarona“; da wird ihr kurz nach Schuljahresbeginn angeboten, ...

Die Protagonistin Lina ist just in die 5. Klasse gekommen und spielt in ihrer Freizeit sehr gerne, auch im Onlinestream, das Abenteuer-Computerspiel „Aarona“; da wird ihr kurz nach Schuljahresbeginn angeboten, das Spiel mit einem noch nicht erschienenen Add-on zu spielen, wozu ihr eine Woche Zeit gegeben wird. Nach einigem Widerstand ihrer Mutter (Linas Computerzeit ist strikt begrenzt und ein tägliches Zocken während des ganzen Nachmittags eigentlich ein Unding) gibt diese letztlich doch nach und gestattet Lina, diese Chance zu ergreifen. Doch während Lina nach Unterrichtsschluss nun daheim mit Hausaufgaben, Gassigehen und eben Zocken beschäftigt ist, vernachlässigt sie darüber hinaus vor Allem ihre beste Freundin Mia, mit der sie ansonsten fast jeden Tag verbringt: Dieses Buch konzentriert sich vor Allem auf Lina und ihre Zeit im Game, welches auch sehr detailliert beschrieben wird, so dass man durchaus Lust darauf bekommen kann, dieses Spiel selbst einmal zu zocken. Da wurde sich definitiv sehr viel Mühe gemacht, ein Spiel zu erfinden, was es in der Realität so also (bisher?) nicht gibt. Da wäre es definitiv ein nettes Gadget gewesen, zusätzlich zumindest ein entsprechendes Minispiel anzubieten, was man via eines QR-links bzw. über die Verlagsseite herunterladen hätte können; stattdessen wird eingangs verkündet, man könne während des Lesens Achievements freischalten: auch da hatte ich angesichts des Themas eher etwas Multimediales erwartet oder ein Quiz in Antolin-Manier. Stattdessen werden ganz simpel nur „Auszeichnungen“ vergeben, sobald man soundsoviele Seiten gelesen hat.
Da fand ich es definitiv schade, dass man das Buch hier nicht über mehrere Kanäle hinweg aufgezogen hat, zumal KOSMOS ansonsten doch auch Technikwissen und Forscherdrang sehr fördert; das ist definitiv ein Verlag, dem ich Multimedia zutraue.

Mein 8jähriger Neffe ist im Gaming-Bereich erstaunlich firm, aber nicht so sehr der begeisterte Leser, und ihn würde diese Geschichte deutlich mehr bei Leselaune halten, wenn es eben entsprechende digitale Extras gäbe. Seine Zwillingsschwester ist da nicht so zockbegeistert, aber eine totale Leseratte: Mit dem zahlreichen vorhandenen Gaming-Vokabular, mit dem „Aarona“ mitunter beschrieben wird, könnte sie persönlich nicht so viel anfangen; allerdings werden diese Ausdrücke zumeist innert der Geschichte erläutert und würde sie ein Wort dennoch nicht einordnen können, könnte sie zweifelsfrei ihren Bruder fragen – theoretisch wäre dies ein Buch, was die Beiden toll zusammen entdecken könnten, aber es fehlen eben die Gaming-Extras.
Die Altersempfehlung ab 9 finde ich völlig okay; die Protagonistin Lina ist als Fünftklässlerin halt zwar ein bisschen älter, aber meine Nichte liest aktuell mitunter auch schon Literaturempfehlungen für die 5./6. Klasse, wobei ich im Fall von „Lina Knut“ nun davon abraten würde, es Kindern zu lesen zu geben, die sich mit dem Lesen (noch) etwas schwerer tun, nicht zuletzt wegen der häufig englischbasierten Spielausdrücke oder auch einfach nur bestimmter erfundener Bezeichnungen im Spiel.

Ich dachte zunächst, dass es eventuell schwierig sein könnte, dass eine Hauptfigur hier hauptsächlich vor dem PC sitzt, aber es wird eingangs sehr deutlich, dass Lina nur jeden zweiten Tag sehr begrenzte Onlinezeit eingeräumt bekommt, und es nun um eine Woche absoluter Ausnahmesituation geht; letztlich wird Lina auch sehr schmerzhaft bewusst, dass ihr Offline-Leben da bereits arg gelitten hat. Es ist also nicht so, dass (dauerhafte) Bildschirmzeit völlig normalisiert wird; zudem wird auch frühzeitig erklärt, worauf Kinder online achten sollen, welche Regeln es gibt, und was mir gut gefallen hat, war, dass der Stream, in dem Lina sich bewegt, auch als geschützter Raum beschrieben wurde; diese Community war speziell für Kinder gestaltet und wurde auch von erwachsenen Aufsichtspersonen monitort. Da war es also nicht so, dass Lina zum Beispiel über eine Plattform wie Twitch, mitten im allgemeinen Netztrubel, gestreamt hätte.
Auch die normalen Alltagsprobleme (beispielsweise Lina stottert, wenn sie vor einer größeren Gruppe reden soll; einer ihrer Mitschüler foppt den Rest der Klasse ständig…) der Kinder werden thematisiert, bis schließlich erkannt wird, dass jede*r seine kleinen Macken hat. Es geht also nicht nur darum, ob es Lina gelingen wird, das Spiel aktuell in der vorgegebenen Zeit durchzuzocken, auch wenn das das absolute Oberthema bleibt.

Die Illustrationen sind toll gemacht, absolut angemessen; die Chatverläufe, die vorkommen, sind auch entsprechend dargestellt, wobei ich da einräumen muss, dass mir hier die Texte teilweise doch ein wenig arg klein erschienen, nicht nur für eventuell sehbehinderte Kinder, sondern generell auch für eine Zielgruppe, die doch noch eher den Leseanfängern zuzurechnen wäre. Wenn da typische Chatsprache geschrieben wird, finde ich es doch etwas schwieriger, Buchstaben und Zeilen relativ gedrängt zu setzen.

Alles in Allem sehe ich „Lina Knut. Schülerin. Gamerin. Weltenretterin“ aber als ein gut geeignetes Buch für Kinder zwischen 9 und 11 an, sich sowohl gerne lesen als auch gerne zocken. Sehr gut wäre es für mich, wenn es eben eine multimediale Anbindung gäbe.

Veröffentlicht am 05.09.2022

Einfach nur Krimi! (Mit etwas zu knappem Ende.)

Das Profil
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Der eher eigenbrötlischeren Kriminalbeamtin Franka, Anfang 50, wird zu ihrem leichten Unbill nach dem Tod ihres bisherigen Partners der ambitionierte „Jungpolizist“ Alpay als Partner zugewiesen: was mir ...

Der eher eigenbrötlischeren Kriminalbeamtin Franka, Anfang 50, wird zu ihrem leichten Unbill nach dem Tod ihres bisherigen Partners der ambitionierte „Jungpolizist“ Alpay als Partner zugewiesen: was mir an diesem Buch sehr gut gefallen hat, war, dass Franka und Alpay zwar sehr gegensätzliche Figuren sind, hier aber dennoch keine der typischen Hassliebe-Konstellationen mit ständigen Reibungen herbeigeschrieben wurde, sondern sich die Beiden durchaus auf derselben Augenhöhe einfanden. Zudem blieb die Konzentration auch auf der Ermittlungsarbeit; man erfuhr zwar insbesondere von Frankas privaten (zugegeben kaum vorhandenen) Verhältnissen ein wenig und konnte die Art beider Ermittelnden gut einschätzen, aber selbst diese Infos wurden während der Arbeit und nicht nach Feierabend vermittelt.
Da war „Das Profil“ nun definitiv eher ganz ausschließlich und durch und durch Krimi.

Der Erzähler wechselt dabei die Perspektiven: mal begleitet er den Mörder, mal die Ermittlungen an Seite Frankas und mal schaut er dem (mutmaßlich) nächsten Opfer über die Schulter (ohne je aus der „Ich“-Sicht zu berichten). Mir hat das sehr gut gefallen, aber man muss derlei unterschiedliche parallele Erzählstränge und Szenenwechsel schon mögen.
Der Prolog, der den Roman einläutet, wirkt zunächst völlig zusammenhanglos zur sonstigen Geschichte, erschließt sich dann aber plötzlich zum Ende hin – dabei hatte genau dieser Prolog ursprünglich aber auch meine Neugier auf diesen Krimi erst so richtig geweckt, weil ich um dessen tiefere Bedeutung wissen wollte. Ich habe den Roman nun aber nicht nur deswegen durchgelesen, weil ich jenen Zusammenhang wissen wollte, sondern er hätte mich letztlich auch ohne diesen Prolog bei der Stange gehalten, weil ich gespannt war, ob und wann der Täter überführt werden würde bzw. wie viele Opfer es noch gäbe oder wer womöglich überlebte.

Ich habe „Das Profil“ während einer mehrstündigen Zugfahrt gelesen, die sich so sehr kurzweilig gestaltete; was ich allerdings bedauerte, war, dass letztlich Einiges bzgl. des Täters (z.B. den Zweck der hinterlassenen Spuren) doch offen blieb. Von Seiten der Ermittlungsarbeit war es zwar nachvollziehbar, dass dort nicht dessen Innerstes herausgekehrt werden konnte, aber es gab ja durchaus auch einen auf den Täter konzentrierten Erzählstrang, in dem dieser seine Beweggründe aber irgendwie völlig außenvorließ; da hätte ich mir definitiv gewünscht, dass seine Vergangenheit nicht bloß eher fragmentarisch angerissen worden wäre, sondern man mehr Einblick in sein Gefühlsleben erhalten hätte. Da war mir der Täter ein wenig zu sehr wie ein nüchterner Techniker dargestellt und „Das Profil“ blieb mir in dieser Hinsicht zu oberflächlich; diese geringe Tiefe würde ich doch eher allenfalls bei einem Kurzkrimi erwartet haben, aber nicht bei einem Roman in Normallänge.

Generell hoffe ich aber auf noch weitere fallkonzentrierte Franka/Alpay-Krimis aus der Feder Borcks!

Veröffentlicht am 18.08.2022

Sehr gut erzählt, doch nicht überraschend

Das siebte Mädchen
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Diese Titelwahl macht mich, ehrlich gesagt, ein bisschen fertig: Aus „A Flicker in the Dark“, der eindeutig auf ein in der Geschichte wiederkehrendes Glühwürmchenmotiv anspielt, wurde im Deutschen also ...

Diese Titelwahl macht mich, ehrlich gesagt, ein bisschen fertig: Aus „A Flicker in the Dark“, der eindeutig auf ein in der Geschichte wiederkehrendes Glühwürmchenmotiv anspielt, wurde im Deutschen also „Das siebte Mädchen“, welches nun letztlich recht offensichtlich ein Mädchen meint, das ein Jahr vor der beschriebenen Mordserie verschwand und von dem man zu ahnen meint, dass es ein siebtes Opfer sein könnte, wofür hier ausnahmsweise komplett die Indizien fehlen, und es stattdessen sogar Gründe gibt, sie als Ausreißerin zu führen. Diese Jugendliche, namens Tara, wird in diesem Roman immer mal wieder, aber absolut beiläufig erwähnt, so dass man zunächst denkt, das gegenwärtig verschwundene wäre das titelgebende siebte Mädchen. Quasi sofort folgt dem jetzigen Verschwinden aber ein weiteres Mädchen nach und plötzlich hat man halt sechs vor 20 Jahren verschwundene Jugendliche, deren Morde Chloes Vater gestanden hat, und nun schonmal zwei weibliche Teenager, die plötzlich weg waren. Plus ein (angeblich nur von daheim abgehauenes) Mädchen, von dem sich bereits vor 21 Jahren jedwede Spur verlor. Insgesamt geht es also entweder um acht, oder eben doch neun, Mädchen. Mir erschließt es sich überhaupt nicht, wieso man diesen Roman hierzulande unbedingt „Das siebte Mädchen“ nennen wollte.

Die Protagonistin Chloe tritt hier als Ich-Erzählerin auf, was für mich das große Plus des Romans ausmachte: Sie hat es ganz offensichtlich nie verarbeiten können, dass ihr Vater ein Serienkiller ist; heimlich schluckt sie Psychopharmaka, die sie hier ständig mit Wein herunterspült; sie hat arge Vertrauensprobleme, jede Menge Ängste und neigt zudem zu paranoidem Verhalten. Man fühlt einerseits mit ihr mit, hält sie andererseits aber für überkandidelt und zu überstürzten Handlungen neigend und angesichts ihres anscheinend alltäglich gewordenen Konsums von Suchtmitteln fragt man sich am Ende wie sie selbst, ob Chloe nicht eventuell Halluzinationen hat oder ob ihr tatsächlich all das so passiert, was sie hier schildert.
Das hat mich sehr gefesselt, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte – ein bisschen schade fand ich, dass es hier nicht eine wirklich sympathische „wichtigere“ Figur gab. Chloe ist eine innerlich völlig zerrissene Hauptfigur und all die Leute in ihrem engeren Umfeld wurden von ihr entweder auf Distanz gehalten oder waren nicht von der Sorte, dass man dachte, dieser Mensch könnte ihr, oder überhaupt irgendwem, definitiv guttun. Da hatte ich mitunter allerdings auch das Gefühl, die Autorin wolle einen unbedingt dazu bringen, hier einfach allen zu misstrauen und jeden als möglichen Nachahmungstäter sehen.

Im Gegenzug dazu will ich zwar nicht sagen, dass „Das siebte Mädchen“ vorhersehbar war, aber als ich zunächst den Beginn des Romans als Leseprobe las und meinen Ersteindruck zusammenfasste (wer sich spoilern lassen wollen würde, könnte jetzt googlen), bekundete ich, welche Figur mir direkt am Seltsamsten erschien und dass Romane mit einem solchen Plot und einem solchen Anfang gerne auf eine ganz bestimmte (von mir dort klar benannte) „überraschende“ Auflösung zuliefen. Ähm, ja. Es wurde zwar versucht, da noch falsche Fährten zu legen, mit denen ich allerdings vornehmlich haderte, weil sie wie allzu konstruierte Ablenkungsmanöver wirkten; wie schon gesagt: ich hatte das Gefühl, allen misstrauen zu sollen, obschon, auch aus Chloes Erinnerungen rund um die Zeit der Mordserie herum heraus, immer mehr Hinweise dafür sprachen, dass es tatsächlich zu dem von mir eingangs gemutmaßten Plot Twist käme. Auch wenn man eingangs noch nichts von diesem Ende ahnt: wer aufmerksam liest, dürfte meines Erachtens immer mal wieder entsprechende Einschübe bemerken.
Überraschend war der Schluss für mich nun also nicht.

Aber der Erzählstil hat mich eben dennoch nicht von dieser Lektüre ablassen lassen… und grundsätzlich eine durchaus reizvolle Geschichte; durchaus gut, aber nicht der Oberburner, der mich komplett vom Hocker gerissen hätte.

Veröffentlicht am 30.04.2022

Inklusive völlig überflüssiger "Zweitgeschichte"

Braves Kind (Thriller)
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Kindesmissbrauch, in Zusammenhang mit Kinderpornografie, spielt in diesem Roman eine absolut wesentliche Rolle: dessen sollte man sich bewusst sein. Mir war angesichts der Buchbeschreibung zwar klar, dass ...

Kindesmissbrauch, in Zusammenhang mit Kinderpornografie, spielt in diesem Roman eine absolut wesentliche Rolle: dessen sollte man sich bewusst sein. Mir war angesichts der Buchbeschreibung zwar klar, dass hier Kindern sehr übel mitgespielt werden würde, aber mitunter habe ich mich angesichts einiger Szenen (die z.B. die Perspektive eines Täters beleuchten, der die von ihm an Kindern begangenen Verbrechen „schönredet“) schon nicht nur angewidert, sondern auch überfordert, gefühlt. Da sollte man sich definitiv vor dem Lesen darüber klar werden, wie gut man diese Thematik verdauen kann (und ggf. einfach etwas Anderes lesen).

Zudem wird man hier quasi direkt ins kalte Wasser geschmissen: Man ist von Anfang an so sehr mittendrin, dass ich zwischendurch sogar nachgeschaut habe, ob es zuvor schon andere Romane rund um Sina Claasen gegeben hat, da es von der Erzählung her mitunter so wirkte als nähme man an, dass das Lesepublikum mit dieser Figur und vor Allem ihren Eigenheiten längst vertraut sein müsste. Sina Claasen verkörpert das, inzwischen leider schon fast stereotypische Bild, einer taffen Polizistin, deren Erfolg allzu häufig darauf basiert, sich über Anweisungen hinwegzusetzen und komplette Alleingänge durchzuführen. Da ging für mich nun ihr Kollege Eric auch völlig unter, der sowas wie ihr „Partner“ sein soll, ihr aber in dieser Geschichte hauptsächlich hilflos hinterherläuft und von Sina für seinen Frauengeschmack verurteilt wird: nachdem sie sich frühzeitig über sein Techtelmechtel mit einer ihr nicht genehmen Kollegin ausgelassen hat (und zwar „als die Tochter von…“, was mir völlig unverständlich blieb, denn während es bei Sina so klang als fuße die Karriere besagter Kollegin ausschließlich auf Vitamin B, hat jene professionell permanent sowas von abgeliefert), hatte ich über viele Seiten hinweg das Gefühl, dahinter stecke ein Eifersuchtsdrama und war einigermaßen überrascht, dass Sina eben NICHT von ihrem Mann getrennt lebte.
Aber natürlich musste Sina quasi über das gesamte Kollegium herziehen: Schon bald deutet nämlich Einiges darauf hin, dass jemand aus Polizeikreisen in den Fall verwickelt sein muss und vermutlich einen Pädophilenring innerhalb der Hamburger Elite schützt. Wahrscheinlich sollte dadurch, dass Sina nahezu alle um sie herum als unerträglich schilderte, eine Masse an falschen Spuren ausgelegt werden, denn so ließen sich natürlich alle leicht verdächtigen. Ich gebe zu, dass ich hier auch bereitwillig jeden Irrweg beschritten habe, aber letztlich war mir Sina ebenfalls unfassbar unsympathisch.
Eine Buchreihe rund um sie bedürfte es für mich da definitiv nicht.

Der Fall war extrem, lud zum Miträtseln ein und generell war „Braves Kind“ sehr kurzweilig zu lesen; der Teil rund um den „echten“ Fall hat mich da wirklich in den Bann gezogen.

Allerdings gab es da auch noch einen Nebenstrang, der sich um Sinas Schwester drehte, deren Lebensumstände in krassem Gegensatz zu Sina standen: Sie wurde als „heiße Braut, die nichts anbrennen ließ“ geschildert, gerne kokste und sehr viel Party machte und noch dazu ein Verhältnis mit einem der größten Gaunerbosse der Stadt unterhielt – und sich grade so richtig in die Scheiße geritten hatte, weil sie jenem „versehentlich“ ein fettes Drogenpäckchen geklaut hatte.
Dieser Strang erschien mir völlig überzogen (klar, Sina, du legst dich als eigensinnige Polizistin grade mit der sogenannten Crème de la Crème der Hamburger Gesellschaft an, während deine Schwester als zugedröhnte Gangsterbraut die Bosse der dortigen Unterwelt battlet?!) und während er vermutlich zum Ziel hatte, zu zeigen, dass es nicht nur Kinderschänder gab, habe ich mich bald gefragt, ob es irgendwo in Hamburg überhaupt auch noch die einfach nur netten Menschen von nebenan gäbe. Das war mir persönlich definitiv zu viel und in meinen Augen hätte es dem Buch absolut gutgetan, hätte man diesen Teil, der zudem mit der Hauptgeschichte eh nix groß zu tun hatte, völlig weggelassen oder ihn zumindest in einem eigenständigen Roman, ganz für sich stehend, verwurstet. So trug er in meinen Augen nur dazu bei, einmal mehr zu zeigen, dass in „Braves Kind“ nahezu jede Figur irgendwelche Klischees bediente.
Um „Braves Kind“ durch und durch zu mögen, sollte man meiner Meinung nach schon ein Faible für bizarre Geschichten mit zahllosen exaltierten Figuren haben.

Ich habe diesen Roman nun nicht ungerne gelesen, der Puppen/Video/Morde-Part hat definitiv mein Interesse hochhalten können, aber hernach brauchte ich nun unbedingt erst einmal wieder was „Ruhigeres“.