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Veröffentlicht am 20.08.2022

Geschichte über Sklaverei und den amerikanischen Bürgerkrieg und über drei starke Frauen, die ihre Ziele nie aus den Augen verlieren und sich ungeachtet aller Widrigkeiten nicht unterkriegen lassen.

Die Sonnenblumenschwestern
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Georgy Woolsey stammt aus einer gut situierten New Yorker Familie. Als die Südstaaten 1861 aus der Union austreten und sich zu Konföderierten zusammenschließen, um für den Erhalt der Sklaverei zu kämpfen, ...

Georgy Woolsey stammt aus einer gut situierten New Yorker Familie. Als die Südstaaten 1861 aus der Union austreten und sich zu Konföderierten zusammenschließen, um für den Erhalt der Sklaverei zu kämpfen, meldet sich Georgy freiwillig als Krankenschwester und wird aufgrund ihres Ehrgeizes und Talents an die Front nach Gettysburg geschickt. Dort muss sie sich vehement für ihren Einsatz rechtfertigen, denn die Ärzte und Krankenpfleger empfinden die weiblichen Hilfskräfte als störend. Georgys Engagement geht jedoch noch weiter. Ihr Traum ist es, eine Pflegeschule für Krankenschwestern zu eröffnen.
In Maryland arbeitet die 16-jährige Jemma als Sklavin auf einer Tabakplantage. Dort ist sie der Willkür eines sadistischen Aufsehers und der verbitterten Plantagenbesitzerin Anne-May ausgesetzt. Als Jemma von ihrer Missis verkauft und vom Rest ihrer Familie getrennt wird, wird sie durch einen Zufall in die Unionsarmee eingezogen und nutzt dadurch die Chance zur Flucht.
Anne-May Wilson Watson erbte die Peer Plantation von ihrer Tante, die den Sklaven in ihren Augen zu viele Freiheiten ließ. Als ihr Ehemann Fergus an die Front muss, übernimmt sie die alleinige Verantwortung für die Tabakplantage und führt diese durch ihre Unwissenheit fast in den Ruin. Zudem verliebt sie sich in einen Händler, der sie dazu bringt, für den Süden zu spionieren. Als ihr geliebter Bruder im Einsatz für die Konföderierten stirbt, sie sie sich in ihrem Handeln gegen die Yankees, das einem Spiel mit dem Feuer gleicht, nur bestärkt.

"Die Sonnenblumenschwestern" ist Teil einer dreiteiligen, umgekehrt chronologischen Buchreihe um die Familie Woolsey, von der jedoch (bisher) nur Teil 1 und 3 übersetzt wurden. "Und am Ende werden wir frei sein" (Band 1) fand ich großartig. Dieser dritte Band reicht nicht daran heran und kann unabhängig davon gelesen werden.

"Die Sonnenblumenschwestern" ist ein historischer Roman, der von der wahren Geschichte der Woolsey-Frauen inspiriert ist und aufgrund des Settings zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges zahlreiche historische Fakten enthält und diese mit der fiktiven Geschichte um die junge Sklavin Jemma und die herrische Plantagenbesitzerin Anne-May Wilson Watson verknüpft.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der drei handelnden Frauen erzählt. Während Georgy eine selbstlose junge Frau ist, die sich unerschrocken um schwer verletzte Soldaten kümmert, ihre Gefühle zurückdrängt, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und trotz zahlreicher Hürden nie ihren Traum aufgibt, eine Pflegeschule zu gründen, um gezielt Frauen auszubilden, ist Jemmas Schicksal von Angst und dem nackten Kampf ums Überleben geprägt, Sie hatte das Glück, Lesen und Schreiben zu lernen und ist damit sogar ihrer Herrin überlegen. Als unfreie Sklavin hat sie jedoch keinerlei Rechte, ist der Gewalt ihrer Besitzer ausgesetzt und muss zusehen, wie andere Sklaven grundlos oder wegen geringfügiger Vergehen regelrecht hingerichtet werden. Sie träumt von Freiheit, vergisst darüber aber niemals ihre Familie. Anne-May ist ein fürchterlicher, egoistischer, intriganter und gewalttätiger Charakter. Hat man zu Beginn noch das Gefühl, dass ein Funken Menschlichkeit in ihr steckt und ihre Persönlichkeit eine positive Weiterentwicklung durchmachen könnte, wird man eines Besseren belehrt, was ich allerdings durchaus passend zur Geschichte fand. Auch wenn die Erzählung dadurch ein wenig Schwarz-Weiß erscheint, bildet sie doch nur die Realität von damals bei der Unterdrückung der Farbigen ab, die zum Teil schlechter als Tiere behandelt wurden.

Die Geschichte voller Leid und Elend handelt von 1961 bis 1864 und ist durch die authentische Schilderung des Bürgerkriegs und der Sklaverei im 19. Jahrhundert in den Südstaaten faktenreich und interessant und durch die wechselnden Perspektiven abwechslungsreich geschrieben.
Zudem ist es ein Roman über starke Frauen, die ihre Ziele nie aus den Augen verlieren und sich ungeachtet aller Widrigkeiten nicht unterkriegen lassen. Trotz der Ich-Perspektiven fiel es mir allerdings schwer, mich in die Frauen hineinzuversetzen. Sie und ihre Gefühle, Träume und Wünsche blieben mir zu sehr auf Distanz. So fehlte mir auch das nötige Quäntchen Spannung bei diesem knapp 800-Seiten-Wälzer, denn ich konnte nicht wirklich darauf hinfiebern, was sich als Nächstes ereignen sollte.

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Veröffentlicht am 13.08.2022

Kein nervenaufreibender Thriller, aber ein durchaus spannendes Drama, das tiefe Einblicke in die Seele einer einsamen, traumatisierten Frau bietet, die sich nach einer Familie sehnt.

Die Rivalin
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Meghan ist Autorin eines Mama-Blogs, lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in einem Stadthaus in London und ist wieder schwanger. Die Schwangerschaft war nicht geplant und in der Ehe kriselt ...

Meghan ist Autorin eines Mama-Blogs, lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in einem Stadthaus in London und ist wieder schwanger. Die Schwangerschaft war nicht geplant und in der Ehe kriselt es ein wenig, denn Ehemann Jack kommt abends spät von der Arbeit nach Hause um das Familienleben zu finanzieren und nimmt Meghans Nebenverdienst als Bloggerin nicht ernst.
Im Supermarkt trifft Meghan auf die Verkäuferin Agatha, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und wie sie schwanger ist. Was Meghan nicht weiß, ist, dass Agatha sie schon länger beobachtet und sie insgeheim um ihr perfektes Leben beneidet.

Der Roman wird abwechselnd aus den Ich-Perspektiven der beiden Hauptfiguren geschildert, so dass man einen guten Einblick in beiderlei Leben erhält und die Geheimnisse der Frauen kennt. Die Geschichten verlaufen zunächst parallel und für einen Thriller eher schleppend. Der Autor spannt einen großen Spannungsbogen, auch wenn man frühzeitig ahnen kann, was Agathas Pläne mit Meghan sind.

Die Plotidee ist wahrlich nicht neu, aber dennoch fesselt die Geschichte nach gut einem Drittel der Einführung der Charaktere, die auch Details aus der Vergangenheit von Agathe enthüllt. Spannend ist zu lesen, wie sie an der Umsetzung ihres Vorhabens arbeitet, während Meghan ein Fehler zum Verhängnis zu werden droht. Agathas Handeln wirkt dabei authentisch, denn sie hat als Kind und Jugendliche viel mitmachen müssen und schon einmal etwas getan, aus dessen Fehler sie gelernt hat.

"Die Rivalin" ist vielleicht kein nervenaufreibender Thriller, aber ein durchaus spannendes Drama, das tiefe Einblicke in die Seele einer einsamen, traumatisierten Frau bietet, die sich nach einer Familie sehnt. Es geht um Lügen und Geheimnisse, den schönen Schein, wobei nichts so ist wie es scheint. Auch wenn die Idee des Romans nicht neu ist und der Plot in Teilen vorhersehbar ist, ist die Geschichte abwechslungsreich, unterhaltsam und mit Liebe zum Detail erzählt.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Geschichte der Lichtwächterin, die Menschenleben rettete und die fiktiven Folgen für die Familie - ein Roman über Sehnsucht und die Suche nach Glück, voller Dramen und Emotionen, der jedoch nicht durchgängig fesseln kann.

Nur einen Ozean entfernt
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Grace Darling lebt seit ihrer Kindheit in einem Leuchtturm auf Longstone Island vor England und unterstützt dort die Arbeit ihres Vaters als Leuchtturmwärter. Auch wenn sie weiß, dass sie als Frau nie ...

Grace Darling lebt seit ihrer Kindheit in einem Leuchtturm auf Longstone Island vor England und unterstützt dort die Arbeit ihres Vaters als Leuchtturmwärter. Auch wenn sie weiß, dass sie als Frau nie in seine Fußstapfen treten wird, fühlt sie sich mit dem Leuchtturm und dem abgeschiedenen Leben eng verbunden und kann sich keinen Alltag als Ehefrau vorstellen. Über ihre Vorstellungen gerät sie ins Grübeln als sie den Künstler George Emmerson kennenlernt und sich Gefühle in ihr regen. Ihm kommt sie jedoch erst nach einem verheerenden Unglück näher, bei dem seine Schwester Schiffbruch erleidet. Es ist Grace, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz dafür sorgte, dass ein Teil der Reisenden und der Mannschaft gerettet und auf dem Leuchtturm Schutz vor dem Sturm finden konnte. Sie wird anschließend landesweit als Heldin gefeiert und auch von George porträtiert werden.
Dieses Gemälde findet 100 Jahre später die Irin Matilda Emmerson in Amerika wieder. Sie ist neunzehn Jahre alt, unverheiratet und schwanger und wurde von ihren Eltern zu einer entfernten Verwandten, einer Leuchtturmwärterin auf Rhode Island geschickt, wo sie das Kind zur Welt bringen soll. Matilda wird neugierig auf die anmutige Frau und das unfertige Porträt.

"Nur einen Ozean entfernt" handelt auf zwei Zeitebenen. Die Vergangenheit schildert das historisch belegte Schiffsunglück am 7. September 1938 sowie die Folgen für die Tochter des Leuchtturmwärters Grace Darling. Der zweite Erzählstrang setzt die Geschichte 100 Jahre später fort, als Matilda Emmerson, deren Urururgroßmutter Sarah von Grace gerettet wurde, auf das Porträt stößt.
Beide Handlungsebenen beginnen spannend, denn sowohl Grace, die ungewollt zur Heldin wird, als auch Matilda, die ungewollt schwanger von ihren Eltern verstoßen wird, haben mit lebensverändernden Ereignissen umzugehen. Beide verlieben sich und ahnen doch, dass ihre Liebe aus unterschiedlichen Gründen keine Zukunft haben wird.
Während Grace von Anbeginn sympathisch ist, ein sehr zurückgezogenes Leben führt, der Augenschein ihrer Eltern ist und mit der Situation als stilisierter Heldin überfordert ist, agiert Matilda, die Schande der Familie, zunächst trotzig und verwöhnt, bevor sie allmählich reift.
Der Mittelteil, der die zarten Romanzen beider junger Frauen schildert, ist dagegen ereignislos und zieht die Geschichte etwas in die Länge bis ein Familiengeheimnis gelüftet wird und es am Ende noch einmal zu dramatischen Szenen kommt.

Die Autorin verknüpft ein wahres Ereignis mit einer fiktiven Geschichte und rückt damit insbesondere die vergessene Grace Darling in den Mittelpunkt, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens neun Menschen das Leben rettete. Es ist die Geschichte über eine mutige Tat und weiterhin eine Geschichte über zwei unterschiedliche Frauen zu unterschiedlichen Zeiten - eine heldenhafte Frau und ein gefallenes Mädchen - die beide lernen müssen, ihren Weg zu gehen.
Es ist ein Roman über Sehnsucht und die Suche nach Liebe und Glück, voller Dramen und Emotionen, der jedoch nicht durchgängig fesseln kann.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Abwechslungsreiche, unterhaltsame RomCom, die auch ernste ernste Töne anschlägt - eine Geschichte über Selbstverwirklichung und die Suche nach Glück.

Der schönste Zufall meines Lebens
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Nachdem Penny ihre Krebserkrankung überstanden hat, erfolgreich ein kleines Café in London führt und inzwischen seit fünf Jahren Single ist, fragt sie sich, was sie in Liebesdingen falsch macht. Da begegnet ...

Nachdem Penny ihre Krebserkrankung überstanden hat, erfolgreich ein kleines Café in London führt und inzwischen seit fünf Jahren Single ist, fragt sie sich, was sie in Liebesdingen falsch macht. Da begegnet ihr der Koch Francesco und es ist Liebe auf den ersten Blick. Die beiden verbringen drei wunderschöne Wochen, bis Penny London verlassen muss, um sich um den Pub ihres erkrankten Onkels in Derbyshire zu kümmern. An ihrem Abschiedstag sieht sie Francesco mit einer anderen Frau und ist froh, dass sie sich in Derbyshire bei der Arbeit ablenken kann. Doch auch das Kennenlernen von Thomas und Priyesh und das was sie mit ihnen erlebt, ohne von einer romantischen Beziehung zu träumen, führt dazu, dass sie ihren Liebeskummer zunächst ausblenden kann. Als Francesco seine Zelte in London abbricht und nach Derbyshire kommt, steht Penny plötzlich zwischen drei Männern, die Interesse an ihr zeigen, sie aber nicht weiß, wer sie letztlich glücklich machen kann.

Als Penny schon kaum mehr an die Liebe glaubt und ihre Pläne umsetzen möchte, allein mittels einer Leihmutter ein Baby zu bekommen, begegnen ihr durch Zufälle kurz hintereinander drei attraktive Männer, zu denen sie sich hingezogen fühlt. Alle drei sind ganz unterschiedlich und haben verschiedene Vorstellungen davon, eine Beziehung zu führen. Während Francesco eine Freundschaft als Basis favorisiert, lehnt Thomas monogame Beziehungen ab und für Priyesh scheint die körperliche Lust im Vordergrund zu stehen. Mit allen dreien beginnt Penny Affären und stößt sie damit unweigerlich vor den Kopf. Erst als sie dann wieder alleine dasteht, begreift sie, dass sie sich klar werden muss, was sie wirklich im Leben möchte, um glücklich zu werden.

"Der schönste Zufall meines Lebens" ist eine abwechslungsreiche, unterhaltsame RomCom, die durch Pennys Vergangenheit, den Verlust ihrer Mutter und ihre eigene Krebserkrankung auch viele ernste Töne anschlägt. Es ist eine Geschichte über Liebe und Freundschaft, aber vor allem auch über Selbstfindung und die Suche nach dem Glück - und letztlich auch nach dem passenden Mann, der Wünsche respektiert und Zukunftspläne unterstützt. Der Roman ist voller interessanter Figuren, die individuell gezeichnet sind und trotz ihrer Eigenarten nicht überzeichnet sind. Nicht nur durch Vorstellung, dass es eine Frau ist, die Herzen bricht, sondern auch durch die Involvierung von LGBTQ und Familienkonstellationen, die von der klassischen Variante Vater-Mutter-Kind abweichen, ist es ein zeitgemäßer und moderner Liebesroman über eine Frau, die zu neuem Selbstbewusstsein findet und mutig ihren Weg geht.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Erschütternde Geschichte über eine innige Paarbeziehung und eine psychische Erkrankung, die Tabus bricht und bei der die Hilflosigkeit der Protagonistin erschreckend real nachempfunden werden kann.

Ich bin nicht da
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Leo und Simon sind seit über zehn Jahren ein Paar und leben mit ihrer Katze Daan in einer kleinen Wohnung in Brüssel. Beide verbindet sie eine tragische Vergangenheit, denn jeder von ihnen hat seine Mutter ...

Leo und Simon sind seit über zehn Jahren ein Paar und leben mit ihrer Katze Daan in einer kleinen Wohnung in Brüssel. Beide verbindet sie eine tragische Vergangenheit, denn jeder von ihnen hat seine Mutter verloren und keine enge Beziehung zu ihren Vätern. Ihre Liebesbeziehung füllt sie vollkommen aus. Genauso wenig wie sie eine enge familiäre Bindung haben, haben sie kaum enge Freunde. Sie sind kreative Köpfe, wobei das Talent beruflich nur von Simon ausgelebt wird, der als Grafikdesigner arbeitet. Leo traut ihrer schriftstellerischer Ader weniger über den Weg und begnügt sich mit einem Job als Verkäuferin in einem Umstandsmodegeschäft, der ihr ein sicheres Einkommen bietet.
Ihre enge Beziehung gerät ins Wanken, als Simon eines nachts tätowiert nach Hause kommt, völlig überdreht und energiegeladen ist und Leo eröffnet gekündigt zu haben, um sich selbstständig zu machen. In den nächsten Wochen und Monaten leidet Simon an Selbstüberschätzung, schläft kaum noch, räumt die Wohnung um, tätigt unzählige Onlineeinkäufe für sein Unternehmertum und entwickelt eine zunehmende Paranoia, fühlt sich verfolgt und verliert allmählich den Bezug zur Realität.
Leo ist hilflos, erkennt Simon nicht wieder und sieht lange zu wie er sich selbst und ihre Beziehung zerstört, bis sie sich Hilfe sucht. Sie schreibt sich zudem den Kummer von ihrer Seele und ahnt nicht, dass sie damit eine Katastrophe auslösen könnte und ihr nur wenig Zeit bleibt, diese zu verhindern.
Der Roman handelt im Jahr 2018, als sich Simon zu verändern beginnt und ist aus der Perspektive seiner Freundin Leo geschildert. Während der chronologisch verlaufenden Handlung, die sich zu einer Abwärtsspirale entwickelt, in der sich beide Hauptfiguren zu verlieren drohen, zeigen kürzere Einblicke ins Jahr 2019, wie sich eine Katastrophe anbahnt.
Die Geschichte ist sehr intensiv, kein Thriller, aber ein wahrer Pageturner. Sie schildert eine intime, schamlose Paarbeziehung, die unerwartet auseinanderzubrechen droht, als einer von ihnen in ein seelisches Ungleichgewicht gerät und eine Psychose entwickelt.
Eindringlich und schonungslos wird erzählt, wie Leo hilflos und auf sich alleingestellt dabei zusieht, wie sie ihren Freund, zu dem sie eine so vertrauensvolle Beziehung führte, nach und nach verliert. Sie weiß nicht was sie tun soll, denn jede Intervention fühlt sich wie ein Verrat an. Leo ist in Sorge um Simon und fürchtet sein unkontrolliertes Handeln, nimmt ihn aber gleichzeitig vor Außenstehenden in Schutz. Sie wird zu einer Co-Kranken.
"Ich bin nicht da" ist ein Portrait einer innigen Paarbeziehung und ein Roman über psychische Gesundheit, der nicht aus der Sicht des Kranken, sondern des Angehörigen geschrieben ist. Medizinische Aspekte, Therapie, Medikamente und Heilung spielen keine wesentliche Rolle. Ungläubig verfolgt man, wie schnell sich ein Mensch verändert und zu welchen Handlungen er fähig ist.
Es ist eine erschütternde, mitnehmende Geschichte, die nichts beschönigt, die Tabus bricht und die durch die Ich-Perspektive und die spürbare Hilflosigkeit der Protagonistin erschreckend real wirkt. Pendelnd zwischen Hoffnung und Verzweiflung fragt man sich selbst, wann man in solch einer Situation eingreifen würde und wann es zu einem Vertrauensbruch führen würde.
Lize Spit bleibt vergleichbar mit "Und es schmilzt" ihrem schnörkellosen, sehr direkten Schreibstil treu, ohne die Empathie für ihre Figuren zu verlieren. Es ist eine fordernde Lektüre, die den langsamen Verlust eines geliebten Menschen beschreibt und die durch die kurzen Abschnitte in der Gegenwart, die wie ein Countdown geschildert sind, für Spannung sorgt, die sich durch die sehr detaillierte Beschreibung von Simons Wesensveränderung etwas verliert.

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