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Pantoffeltier

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.08.2022

Beziehungen

Hotel Seattle
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Bekanntermaßen bin ich keine große Freundin von Kurzgeschichten. Anscheinend arbeitet der C.H.Beck-Verlag gerade heimlich daran, das zu ändern. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr nehme ich mir doch einen ...

Bekanntermaßen bin ich keine große Freundin von Kurzgeschichten. Anscheinend arbeitet der C.H.Beck-Verlag gerade heimlich daran, das zu ändern. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr nehme ich mir doch einen Kurzgeschichtenband vor und bin auch wieder ganz angetan von ihm.

Es handelt sich um eine Sammlung von zehn Erzählungen. Es geht um Erschütterungen im Alltag, den Umgang mit Verlust, Liebe und Begehren. Es geht um kostbare, zärtliche, aber auch brutale und zerstörerische Beziehungen. Mir hat sehr gefallen, wie unterschiedlich die Erzählungen sind. Man denkt anfangs, die Geschichten hätten alle eine bestimmte Machart, eine bestimmte Atmosphäre, aber dann wird man doch immer wieder überrascht.

Bei einigen der Erzählungen wird man direkt ins Geschehen geworfen, kann die vielen auftretenden Figuren kaum zuordnen. Da gefielen mir die etwas ruhiger ablaufenden Geschichten besser. Manche Geschichten blieben mir auf jeden Fall noch eine länger im Kopf, manche Figuren werden mich noch eine Weile begleiten. Und das ist, auch wenn es mir nicht mit allen Erzählungen in dieser Sammlung so ergeht, ein großes Lob an die Autorin.

Insofern eine Leseempfehlung von mir, auch wenn ich mich schon wieder auf den nächsten Roman von Lily King freue.

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Veröffentlicht am 07.06.2021

Grenzgänger

An den Ufern des Amur
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Sören Urbansky reist entlang des Amur vom Baikalsee bis zum Japanischen Meer und erforscht dabei die Besonderheiten der Grenzregion zwischen Russland und China. Er erkundet nicht nur Städte, sondern vor ...

Sören Urbansky reist entlang des Amur vom Baikalsee bis zum Japanischen Meer und erforscht dabei die Besonderheiten der Grenzregion zwischen Russland und China. Er erkundet nicht nur Städte, sondern vor allem fast vergessene Dörfer, spricht mit Menschen, die er trifft, recherchiert geschichtliche und politische Hintergründe.

Die Grenzregion zwischen bzw. in China und Russland ist immer wieder ein Zankapfel zwischen verschiedenen Imperien. Die dort lebenden Menschen waren immer wieder in Gefahr von der einen oder anderen Seite als Volksfeinde und Spione verfolgt zu werden. Es werden sehr verschiedene Orte beschrieben, die sich manchmal nicht nur an unterschiedlichen gorgraphischen Punkten, sondern auch Zeiten zu befinden scheinen.

Urbansky besucht vergessene Orte, die einst als Metropolen geplant waren, während gar nicht weit weg auf der anderen Seite einst bedeutungslose Orte prosperieren. Er spricht mit Menschen, die hart ums Überleben kämpfen mussten und nun als Touristenattration bestaunt werden. Mit Menschen, die geübte Grenzgänger sind und für die es eine Abwägung von Vor- und Nachteilen ist, wo sie sich zugehörig angeben.

Die beiden Seiten beäugen sich misstrauisch und sind doch durch wirtschaftliche Vertrickungen und das Verhältnis der Menschen zueinander aneinander gebunden.

Urbansky flicht immer wieder sein politisches und geschichtliches Wissen ein, bemüt sich aber um Neutralität und Nähe zu den Menschen, die er auf seiner Reise trifft.

Es ist daher viel Persönliches ausgespart und es gibt auch keine beeindruckenden Bilder, die sonst einen Reisebericht schmackhaft machen würden. Trotzdem für die Fülle an dargestelten Informationen gut zu lesen und interessant.

Eine Empfehlung für alle, die sich für die Region und die Geschichte der Beziehungen zwischen China und Russland interessieren.

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Veröffentlicht am 01.03.2021

poetisch

Der Klang der Wälder
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Der junge Tomura hat während der Schulzeit ein Aha-Erlebnis als er einem Klavierstimmer dabei hilft, in die Sporthalle zu gelangen, damit dieser das Schulklavier stimmen kann. Vom Klang des Klaviers ist ...

Der junge Tomura hat während der Schulzeit ein Aha-Erlebnis als er einem Klavierstimmer dabei hilft, in die Sporthalle zu gelangen, damit dieser das Schulklavier stimmen kann. Vom Klang des Klaviers ist Tomura sofort verzaubert, da es ihn an die Wälder seiner ländlichen Heimat erinnert. Kurz darauf beschließt er selber Klavierstimmer zu werden. Während seiner Ausbildung plagen ihn immer wieder Zweifel, da er sich für ungeeignet hält, doch schließt er die anspruchsvolle Ausbildung trotzdem ab. Danach bekommt Tomura auch gleich eine Anstellung in der Firma des Klavierstimmers Itadori. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten entwickelt Tomura mit der Zeit einen eigenen Klangstil und darf auch bald alleine die Klaviere der Kunden stimmen. Dabei lernt er die Schwestern Kazune und Juni kennen, die beide begnadete Klavierspielerinnen sind. Durch seine Leidenschaft für das Spiel der Schwestern und seine eigenen Fortschritte beim Stimmen verschiedener Klaviere, wird er mit der Zeit unersetzlich für den weiteren Lebensweg der Schwestern.

Natsu Miyashite legt mit „Klang der Wälder“ einen sehr gefühlvollen Roman hin, der durch seine Naturverbundenheit und seine poetische Erzählweise besticht. Gerade der Mikrokosmos, in dem die Handlung spielt ist auf seine besondere Art reich an Eindrücken und Erfahrungen. Für Freunde des entspannten, stilvollen Lesegenusses und Liebhaber klassischer Musik ist dieser Roman sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Blick auf die Entwicklung rassistischer Ideen in den USA

Gebrandmarkt
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2016 kam "Stamped from the Beginning: The Definitive History of Racist Ideas in America" (auf Deutsch „Gebrandmarkt – Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika) von Dr. Ibram X Kendi heraus. Inzwischen ...

2016 kam "Stamped from the Beginning: The Definitive History of Racist Ideas in America" (auf Deutsch „Gebrandmarkt – Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika) von Dr. Ibram X Kendi heraus. Inzwischen gibt es mehrere Versionen, die das Thema zum Beispiel für Eltern oder Jugendliche aufarbeiten. 2023 wurde das Buch auch als Graphic Novel von Joel Christian Gill adaptiert und illustriert. Darin wird die Entwicklung rassistischer Ideen im Laufe der Zeit dargestellt. Fünf Epochen der amerikanischen Geschichte werden am Beispiel von fünf verschiedenen Personen erklärt, nämlich Cotton Mather, Thomas Jefferson, William Lloyd Garrison, W. E. B. Du Bois und Angela Davis.

Dabei wird dargestellt, wie zunächst das Halten von Sklaven und dann die Diskriminierung von Schwarzen gerechtfertigt wurde und wie stark diese Ideen auch heutzutage noch nachwirken. Kendi stellt dar, warum sowohl "Segregationismus" (getrennte Entwicklung), als auch die Forderung nach Assimilation die Situation vieler Schwarzer noch verschärfen und warum es falsch und sogar gefährlich ist zu denken, dass sich im Laufe der Zeit die Verhältnisse von selbst bessern.
Er zieht den Schluss, dass sich die rassistische Strukturen erst dann ändern werden, wenn sich vor allem weiße Politiker davon Vorteile erhoffen.

Der Inhalt der Graphic Novel ist also durchaus sehr interessant, die Lektüre war für mich jedoch anstrengend. Ich habe mich mit amerikanischer Geschichte bisher nicht tiefgreifend beschäftigt und hatte auf einen Einstieg gehofft, der mir einen Überblick gibt. Das Medium Graphic Novel bringt es mit sich, dass es einiges an name-dropping gibt, manches nur kurz angedeutet und viel verdichtet oder überspitzt wird. Das fand ich bei der Komplexität des Themas eher ungünstig. Auch die zur Auflockerung eingebauten Witze kamen nicht komplett bei mir an, irgendwie war das nicht mein Humor.

Auf jeden Fall bin ich motiviert worden, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Die Serie, die auf der Basis des Buches entstanden ist, ist sicher auch einen Blick wert. Ich würde die Graphic Novel eher Menschen empfehlen, die sich mit dem Thema schon etwas auskennen und gucke selbst auf jeden Fall noch einmal in die Buchfassung rein.

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Veröffentlicht am 24.10.2023

Anstrengend, aber lesenswert

Jenny | Der große Frauen- und Emanzipationsroman von Fanny Lewald | Reclams Klassikerinnen
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Die 16jährige Jenny entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit ihrem fröhlichen, offenen Wesen, ihrer Bildung und vor allem ihrer Schönheit, zieht sie bei gesellschaftlichen Anlässen ...

Die 16jährige Jenny entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit ihrem fröhlichen, offenen Wesen, ihrer Bildung und vor allem ihrer Schönheit, zieht sie bei gesellschaftlichen Anlässen viel Aufmerksamkeit auf sich. Sie verliebt sich in den bescheiden lebenden Pfarrer Gustav Reinhard und muss zur Ermöglichung einer Hochzeit den christlichen Glauben annehmen. Dies und die starren christlichen Rollenvorstellungen stellen Jenny vor eine große Herausforderung. Und auch Jennys Bruder Eduard ist unglücklich verliebt in die Christin Clara und muss erkennen, wie tief die gesellschaftlichen Gräben zwischen Juden und Christen sind.

Fanny Lewald schöpft aus ihren eigenen Erfahrungen und zeigt sehr deutlich wie tief der Antisemitismus in der Gesellschaft verankert ist und wie starr die gesellschaftlichen Rollen festgelegt waren. Das fand ich aus heutiger Perspektive sehr interessant zu lesen und Lewalds Ansichten erstaunlich modern.

Mir persönlich war es zwischendurch der dramatischen Gefühlsausbrüche etwas zu viel. Glücklicherweise legt sich das in der zweiten Hälfte des Buches bis zu einem dramatischen Ende. Die Aufmachung des Textes finde ich etwas unglücklich gewählt. Es ist recht klein geschrieben und eng gedruckt und die wörtliche Rede ist nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Somit wird der Zugang zu diesem fast 200 Jahre alten Text noch weiter erschwert. Sehr interessante fand ich wiederum das durchaus provokativ geschriebene Nachwort, das noch einmal auf die Stellung der Frau in Christentum und Judentum eingeht.

Insgesamt eine anstrengende, aber lesenswerte Lektüre.

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