Sanft aber eindringlich
Intimitäten„Intimitäten“ scheint mir ein sehr passender Titel für diese Werk zu sein, was sich nicht nur im Cover widerspielt, sondern auch in der Erzählstruktur und dem Inhalt. Ich habe das Buch als Hörbuch gehört ...
„Intimitäten“ scheint mir ein sehr passender Titel für diese Werk zu sein, was sich nicht nur im Cover widerspielt, sondern auch in der Erzählstruktur und dem Inhalt. Ich habe das Buch als Hörbuch gehört und hatte wie auf dem Cover abgebildet das Gefühl, die Autorin, oder genauer die Sprecherin, würde mir diese Geschichte zuflüstern und mir die Gedanken der namenlosen Protagonistin einflößen. Irgendwie war es ein besonderes Hörerlebnis.
Zum Inhalt: Die fast schon anonyme Protagonistin hat einen Job als Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof von Den Haag angenommen. Der Job verlangt es, dass sie gefühllos und unverklärt gesprochene Worte wiedergibt. Als sie für einen Kriegsverbrecher dolmetschen soll, gerät auch ihre eigene Sicht auf die Dinge aus den Fugen, allem voran ihre fragwürdige Beziehung zu einem verheiraten Mann, der sie in seiner Wohnung sitzen lässt, um zu seiner Ehefrau zu fahren.
Das Buch zeichnet sich durch seinen ruhigen, bedachten Erzählstil aus, der an vielen Stellen offen reflektorisch ist. Ich mochte die Stimme und den Sprechtonus der Sprecherin. Die Wortwahl wirkt gezielt ausgesucht, passend zum Bildungsniveau der wiedergegeben Personen. Sätze sind auch oft länger verschachtelt, dienen als aufzählende Beschreibung des Gesehenen und Erlebten. Die Erzählung selbst aus der Ich-Perspektive der Protagonistin wirkt wie eine endlose Beobachtung und Bewertung ihres eigenen Lebens und ihrer Umwelt. Empfindungen und Gefühle werden dabei sorgsam zwischen den Zeilen versteckt, schwingen unterschwellig mit und sorgen für eine besondere, tatsächlich intime Atmosphäre beim Lesen/Hören.
Die Erzählweise hat mir wirklich gut gefallen, sie wirkte an einigen Stellen fast schon bildhaft poetisch und ich hatte tatsächlich das Gefühl mit den Augen der Protagonistin auf die Ereignisse zu blicken. Besonders eindringlich habe ich das zum Beispiel beim Besuch der Galerie empfunden. Die Protagonistin selbst wirkte fast schon verloren auf mich- namenlos, heimatlos, einsam.
Inhaltlich fand ich das Buch fast schon dürftig, aber die tolle Erzählweise hat das locker rausgerissen. Zentrale Themen waren das Alltagsleben der Protagonistin inklusive Arbeit, Freunden und Liebe. Tatsächlich hätte ich mir zum Beispiel mehr Einblicke in den Fall am internationalen Gerichtshof gewünscht und dafür auf ein paar Beziehungsprobleme verzichtet.
Das Buch war für mich mal was anderes als die Bücher, die ich sonst so für mich selbst auswähle. Und obwohl der Inhalt mich nicht 100% überzeugt hat, so hat es das Hörerlebnis dieser Geschichte. Ich kann nicht beurteilen, ob ich es beim Selbstlesen als ebenso eindringlich empfunden hätte, aber als Hörbuch hat es mir wirklich gut gefallen.